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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Aus dem Leben Kaiser Friedrichs.

Für den Mann, der das seltene Los gezogen, der Liebling einer Nation, ja einer ganzen Zeitgenossenschaft zu sein, wird auch das, was der Zufall ihm bot, mit besonderer Bedeutung ausgeschmückt. In einer solchen Bedeutung glänzt gleich der Geburtstag Kaiser Friedrichs: es ist der 18. Oktober, und zwar des Jahres 1831, das uns sofort an das Jahr 1813 erinnert und an die Völkerschlacht bei Leipzig.

Die Wiege des Prinzen Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl, welche Namen derselbe bei seiner Taufe am Sonntag den 13. November erhalten hatte, stand im Neuen Palais bei Potsdam, dem jetzigen Schloß Friedrichskron, und der dieses Schloß gebaut, ist des Preußenvolks und aller Deutschen „Alter Fritz“.

In Glück und Frieden flossen die ersten Kindheits- und Knabenjahre Friedrich Wilhelms dahin. Kriegerische Stürme bedrohten nicht das Vaterland und die schwere Prüfung, welche einst Kaiser Wilhelm als Knabe tragen mußte, blieb dem Sohn erspart. Und nicht allein Vater und Mutter, auch der königliche Großvater Friedrich Wilhelm III. sorgte für Lust und Lehre des Knaben, den er besonders in sein Herz geschlossen. So hatte er in seinem Lieblingssitze Paretz für Fritz und dessen viertehalb Jahr älteren Vetter Friedrich Karl ein Soldatenspiel im Großen hergerichtet. Die gesammte Dorfjugend bildete ein Bataillon, das sogar kleine Kanonen besaß und von den beiden Prinzen kommandirt wurde.

Aus diesem Spiel fand die Mutter des Prinzen in sinnigster Weise den Uebergang zum Ernste. Zum Geburtstag des Vaters sollte derselbe als fertiger Rekrut ausgebildet sein und den Rapport von der Wache erstatten. Es wurden ihm zwei gleichaltrige Kameraden, v. Zastrow und Graf v. Königsmark, beigegeben, und obschon an den übrigen Unterrichtsstunden nichts versäumt werden durfte, machten die Unteroffiziere, und namentlich Bludau, ihre Sache so gut, daß die Ueberraschung aufs beste gelang. Stramm in Dienstjacke nebst Mantel der Stettiner Gardelandwehr, den Tschako auf, das Lederzeug umgehängt und vom königlichen Großvater mit einem Gewehr ausgerüstet, so marschirte der Rekrut am Morgen des 22. März 1839 vor seinem Vater auf und meldete mit allem Ernst der Pflicht. „Rapport von der Potsdamer Thorwache. Auf Wache und Posten nichts Neues. Sie ist stark 1 Unteroffizier, 1 Spielmann und 18 Grenadiere.“

Das Jahr 1840 brachte dem jungen Prinzen zwei unvergeßliche Erinnerungen. Am 1. Juni wohnte der Prinz in seiner Militärdienstjacke der Grundsteinlegung zum Denkmal Friedrichs des Großen bei, und nur sechs Tage später stand er am Sterbebette seines Großvaters, der dem Enkel so viel zärtliche Liebe erwiesen hatte. Das war des Knaben erster tiefer Schmerz.

Nachdem der Prinz die Huldigungsfeier bei der Thronbesteigung seines Oheims Friedrich Wilhelms IV. mitgemacht, wurde er an seinem zehnten Geburtstage, 1841, Sekondelieutenant der Leibkompagnie des ersten Garderegiments zu Fuß.

Von jetzt an leitete den militärische Unterricht des Prinzen der Oberst v. Unruh und ebenso sorgsam den wissenschaftlichen der Prediger Godet, bis mit dem 13. Jahre Ernst Curtius, der Alterthumsforscher, diese Leitung übernahm und bis zum ersten Bonner Semester fortführte. Die alte gute Sitte der Hohenzollernschen Familie, daß jeder Prinz auch ein Handwerk lernen muß, führte den Prinzen in die Werkstätten des Hoftischlermeisters Kunath und des Buchbindereibesitzers Moßner. Auch die Jünger der Buchdruckerkunst verehren in Kaiser Friedrich einen gekrönten Genossen, der gleich ihnen tüchtig schaffend am – Setzerkasten gestanden hat. Diese Thatsache wird in den uns vorliegenden Quellen verschiedenartig erzählt. Der Unterricht fand, wie in den „Graphischen Künsten“ (Nr. 7, Jahrgang 1888) berichtet wird, im Jahre 1844 statt. Jeden Morgen wanderte ein Gehilfe aus der Buchdruckerei Meister Eduard Hänels in das Palais, um den Prinzen Friedrich Wilhelm im Setzen etc. zu unterrichten. Dieser Gehilfe war ein Magdeburger Stadtkind und hieß Wilhelm Geldmacher; derselbe fühlte sich nicht wenig stolz, als eines Tages sein hoher Lehrling den Konfirmationsspruch fein säuberlich gesetzt und eigenhändig gedruckt hatte. – Um beiden Prinzen, Friedrich Wilhelm und Friedrich Karl, Gelegenheit zu Uebungen im Felddienst zu geben, wurden bei Potsdam sogenannte Kadettenmanöver – von 60 Potsdamer und 10 Berliner Kadetten – organisirt, deren Waffe das „Pustrohr“ war. Mit einer Auswahl derselben unternahm der Prinz seine lustigen Ferienreisen in inländische Berglande, wie die märkische und die sächsische Schweiz, ins Riesengebirg und den Thüringerwald, die meistens zu Fuß erstiegen und durchwandert wurden. Alles, was in Natur und Leben das Herz erfrischen und den Geist mit lebendigen Anschauungen aus den verschiedensten Volkskreisen bereichern kann, war da in Fülle geboten und beglückte das für alles menschlich Gute, Liebe und Heitere so empfängliche Gemüth.

Dieses Glück schöner jugendlicher Harmlosigkeit unter den Augen der Eltern, die sich des Gedeihens ihrer Kinder erfreuten, dauerte drei Jahre – von 1844 bis 1847.

Der Sturm des Jahres 1848 hat kein Haus mehr bedroht, als das des Vaters „unseres Fritz“. Der „Prinz von Preußen“ galt fälschlich für den Urheber des Blutbads vom 18. März, während er doch schon am 13. das Kommando der Garden niedergelegt hatte. Das Palais desselben konnte bekanntlich nur dadurch gerettet werden, daß es für „Nationaleigenthum“ erklärt wurde, und er selbst begab sich, auf des Königs Wunsch, nach London. Seine Familie harrte in äußerster Zurückgezogenheit in Potsdam in der Sehnsucht nach dem Gatten und Vater aus – bis der 6. Juni ihn zurückführte. Jetzt erst konnte der Konfirmandenunterricht des Prinzen Friedrich Wilhelm durch den Hofprediger Heym beginnen, worauf am 19. September 1848 der Oberhofprediger Dr. Ehrenberg in der Schloßkapelle zu Charlottenburg den Akt der Konfirmation vollzog.

Das Jahr 1849, für Tausende von Familien ein schweres Unglücksjahr, führte den jungen Prinzen auf friedlicher Bahn vorwärts. Am 3. April stand er bei seinem Vater neben dem Thron, von welchem herab König Friedrich Wilhelm IV. die ihm vom deutschen Parlament angetragene deutsche Kaiserkrone ablehnte. Dem Feldzug gegen die Aufständischen der Rheinpfalz und Badens, den sein Vater befehligte, blieb er fern, ausschließlich seinem Dienst und den Studien unter seinem Militärgouverneur, dem Oberstlieutenant Fischer, ergeben. Der 18. Oktober schloß seine Jünglingszeit ab; die Großjährigkeit des zukünftigen Thronfolgers ward mit vielerlei Festlichkeiten, Adressen und Reden

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