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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Sie, die großer sind als Boote, wie ein Dampfschiff auf des Irtisch Wellen.
Seh’ ich doch in dir, o Herrscher, nach des Kaisers Majestät, den höchsten, einem Berge zu vergleichen, werthvoll wie ein Rennpferd, das im Paß geht.
Eine Mutter war es, die mich hat geboren; meine Zunge aber hat mir Gott gegeben.
Wenn vor dir ich jetzt nicht rede, zu wem sonst soll ich wohl sprechen?
Vollste Freiheit habe ich zu reden, ebenso als ob zu meinem Volk ich spräche.
Glück dir, Herr, und Heil und Segen deinen Gästen, unter denen hochgestellte Leute, ob Sie jetzt auch auf der Seite liegen.
Jeder Gast des Generals ist auch der unsere, uns’rer Freundschaft sicher.
Gott nur gab mir meine Zunge, mag sie weiter reden.
In den Bergen sahn wir Jäger, Schützen, Treiber; doch nur mit einem war das Glück.
Wie des höchsten Berges Spitze über alle andern ragt, so überhob es diesen einen über alle, denn er schoß dem Archar wohlgezielt zwei Kugeln durch den Leib und brachte ihn zur Jurte.
Aller Jäger Wunsch war, Beute zu gewinnen; doch nur einer sah den Wunsch erfüllt: uns zur Freude, auch zur Freude dir, o hohe Frau, zu welcher jetzt ich rede.
Alles Volk ist hocherfreut, dich allhier zu sehen, zu begrüßen; alles Volk wünscht dir nur Freude, tausend Jahre Leben und Gesundheit.
Laß es dir gefallen, nimm die Huldigung entgegen! Ob du gleich viel besser Volk gesehen; treuer aber hat dir keines Gruß und Gastlichkeit gespendet.
Möge Gott dich segnen, segnen auch dein Haus und deine Kinder! Viel zu wenig Worte mag ich finden, dich zu preisen; aber meine Zunge hat mir Gott gegeben, und sie sprach, die rothe Zunge, was im Herzen keimte.“

Wir verließen die Arkatberge und bald darauf auch das Verwaltungsgebiet unseres Gastfreundes, von welchem wir uns auf dem Jagdplatze getrennt hatten, wurden in Sergjopol von Oberst Friedrichs empfangen, im Namen des Generalgouverneurs begrüßt und zogen nunmehr in seiner Gesellschaft unseres Weges weiter. Kirgisenhäupter gaben uns das Ehrengeleite und stellten uns Zugpferde, welche freilich vorher noch niemals als solche benutzt worden waren und anfänglich stets wie toll mit dem schweren Wagen davonjagten; Kirgisensultane erwiesen uns Gastfreundschaft, sorgten unterwegs für Obdach und Nahrung, stellten Jurten auf an allen Orten, wo wir rasten wollten oder ruhen sollten; Kirgisen fingen für unsere Sammlungen Schlangen und ander kriechendes Gethier, warfen zu Gunsten dieser Sammlungen Netze in den Steppenseen aus und folgten uns auf unseren Jagdzügen wie treue Hunde. So durchreisten wir die jetzt im vollsten Frühlingsschmucke prangende Steppe, verweilten, jagend und sammelnd, am Ala-kul oder „bunten See“, zogen durch blühende Thäler und über lachende Berge der am Alatau, einem der großartigsten Steppengebirge, gelegenen Kosakenstaniza Lepsa zu, durchstreiften die Umgegend der Ansiedelung, ein kleines Paradies, in welchem Milch und Honig fließt, erklommen die Hochberge, erlabten uns hier an rauschenden Gebirgswässern, grünen Alpseen und köstlichen Fernsichten, und wandten uns sodann, in nordöstlicher Richtung weiterreisend, der chinesischen Grenze zu, um auf dem kürzesten und bequemsten Wege durch einen Theil des Reiches der Mitte nach dem Altai zu gelangen.

(Fortsetzung folgt.)



Die Sonnwendfeier an der oberen Donau.
Mit Illustrationen von W. Gause.

Höhenfeuer auf der Ruine Dürnstein.

Zu jener Zahl von Volksfesten, welche, noch heute in Uebung, mit ihrem Ursprung in die frühesten Tage unserer altheidnisch germanischen Vorzeit zurückweisen, gehört auch die Sonnwend- oder Johannisfeier. Schon in ihren beiden Namen liegt zugleich ihr Sinn, wie ihre Geschichte angedeutet. Einst war sie die bedeutungsvolle Naturfeier der sommerlichen Sonnenwende (der Umkehr des feurigen Sonnenrades); die junge christliche Kirche verlegte aber an ihre Stelle das Fest Johannis des Täufers. Für unsere Tage hat sich wohl keine der beiden Bedeutungen mehr recht lebendig erhalten; die uralte nationale Bezeichnung der „Sunawentfeuer“ ist aber an Volksthümlichkeit heute noch der offiziellen „Johannisfeier“ entschieden über, und wenn auch mancherlei Sitte und Meinung, die sich an dieselben knüpften, nun meist verschollen sind: noch immer lodern, wie vor mehr denn zwei Jahrtausenden, in der späten Abenddämmerung des 23. Juni freudig jene sommerlichen Opferflammen von unzähligen Höhen des deutschen Landes empor. Zumal im bergigen Süden, im bayerischen Hochgebirg, in Schwaben, Franken und nicht zuletzt in den österreichischen Bergen und an der oberen Donau. Der eben genannte Theil dieses Stromes, etwa von Krems bis Melk reichend, im engeren Sinne die Wachau geheißen, ist durch den hohen Reiz seiner Naturscenerie und eine dichte Reihenfolge von malerischen, alten und erlebnißreichen Orten, Kirchen, Klöstern und Burgen eine der schönsten deutschen Stromlandschaften überhaupt; er bildet so gewiß auch den wirkungvollsten Schauplatz für die Entfaltung unserer Sonnwendfeier. Und zu der Schönheit des Ortes gesellt sich der Zauber der Zeit, denn in eine schönere fällt wohl keines von allen Festen des Jahres. Die Erde prangt in ihrer vollsten frühsommerlichen Herrlichkeit und allen Hoffnungen auf eine goldene Erntezeit kann noch ihre Erfüllung werden. Der Wein, eine Hauptkultur der Wachau, ist eben im Verblühen, aus den Gärten weht noch der süße Rosenhauch, und im Laubwalde blüht und duftet die hohe, grünlichweiße Platanthera, die schönste der Orchideen, die ja einst als „Frigga- (Freya)- Gras“ der Göttin der Liebe geweiht waren. In den Abendstunden aber klingt aus dem dunkeln Föhrenwalde in langgezogenen, weichen Tönen das Lied der Amsel herüber, und durch die laue Dämmerluft fliegen die leuchtenden kleinen „Sunawendkäferln“ wie aussprühende Licht- und Feuerfunken dieser gluthvollen Zeit und Vorboten der großen Freudenflammen, die nun bald auflodern sollen.

Die Vorbereitungen zu denselben bilden natürlich schon einige Tage vorher eine Hauptfreude der Jugend. Kurze Verslein singend, sammeln die Schulkinder, von Haus zu Haus ziehend, Holz aller Art, Reisigbündel (Bürteln), Scheite, alte Besen, Strohwische für die großen Scheiterhaufen. Karl Stieler, der warmherzige Kenner und Schilderer des süddeutschen Berglebens, sagt, daß auch dieses Absammeln und Singen in seiner Heimath

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_396.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)