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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

die Kunden liebenswürdig, gefällig, eifrig, nahm auch mit fröhlichster Laune alle Schmeicheleien, Rosenknospen, Nelken und Veilchen der jungen eleganten und uneleganten Welt Salamancas entgegen; so wie jedoch jemand ernsthaftere Augen machte, ihre Hand zu halten versuchte, zu einer Zeit kam, wo zufällig kein Kunde im Laden war, verschwand Inesilla durch die goldbefranzte Gardine der Hinterthür und Don Lorenzo trat dem Ankömmling gegenüber und öffnete bedächtig den Glaskasten der Cigaretten. Das wirkte so verstimmend auf die hoffnungsreichen Caballeros, daß sie gewöhnlich vierzehn Tage lang bei Lorenzos Konkurrenten an der nächsten Ecke ihren Tabacksbedarf kauften, bis schließlich die bessere Qualität und der geringere Preis sie zu dem Laden an der Plaza Mayor zurückführte. Als gesetzte, nur noch etwas wehmüthig blickende ernsthafte junge Leute traten sie wieder ein; dann war Inesilla von verdoppelter harmloser Liebenswürdigkeit und heilte mit weichstem Herzen die Wunden, welche sie hatte schlagen müssen.

Siebzehn Jahre aber sind in Spanien für ein Mädchen schon ein Alter, und Don Lorenzo sah sich seit einiger Zeit ernsthafter nach Schwiegersöhnen um; er nannte so halb im Scherze vor Inesilla eine ganze Anzahl Namen begüterter und angesehener Männer, meist von Gutsbesitzern und Fabrikanten, deren Haus seine Tochter als Frau schmücken würde; während sie selbst sich am glücklichsten dabei fühlen dürfte; doch Inesilla erklärte stets kurzweg, daß sie noch Zeit habe, eine Versorgung nicht zu erstreben brauche und ihre Schönheit von der Art sei, daß die Zeit daran nichts verderben könne.

„Ich habe eine dauerhafte und solide Häßlichkeit“, sprach sie zu ihrem Vater, „die man später bewundern wird, indem man mir bei siebenundzwanzig noch sagen muß – ‚Sie haben sich seit Ihrem siebzehnten Jahre gar nicht verändert, Fräulein!‛

Solcher Vorzüge können sich wenige Mädchen rühmen. Also, Vater, liegt bei mir kein Grund vor, mich schnell zu verheirathen.“

Don Lorenzo schüttelte zu solchen Reden den Kopf und entgegnete: „Jugend ist etwas Unwiederbringliches und ein Mädchen, das nicht alt heirathen muß, sollte es jung thun.“ – Da ihm aber Inesilla im Geschäft eine außerordentliche Hilfe und nebenbei ein vortrefflicher Kundenmagnet war, er auch im allgemeinen gegen ihre Darlegungen nicht viel einzuwenden fand, so betrieb er seine Verheirathungspläne lau genug und ließ seine Tochter gewähren.

Seit einigen Wochen jedoch ging Inesilla viel spazieren; sie hatte sich plötzlich zu diesem Zweck eine Freundin angeschafft, ein älteres, armes Mädchen, das sie nun reichlich unterstützte. Da es in Salamanca für ungehörig gilt, wenn ein junges Mädchen ohne Dueña, ohne Hüterin, ausgeht, so wandelte denn die Tochter Don Lorenzos mit ihrer Schutzfreundin auf den Wällen der Stadt, auf der Alameda und im Parke oft und lange umher.

Vater Lorenzo fiel das auf. „Du bist ja plötzlich eine gewaltige Spaziergängerin geworden und überläßt mir stundenlang den Laden,“ äußerte er sich zu seiner Tochter; „die Sonne brennt Dich ja ganz kupferroth.“

„Ich habe gehört, viel in der Luft sein und umhergehen ist ein Mittel gegen Bleichsucht, und da ich in der letzten Zeit mich oft müde und matt gefühlt habe, will ich alles thun, um diesem schlimmen Leiden vorzubeugen,“ antwortete sie, verließ so schnell als nur thunlich den Laden und eilte auf ihr Zimmer; dort ergriff sie hastig den Spiegel und schaute ihr Gesicht an.

Das war seltsam.

Inesilla sah nicht viel in den Spiegel, weil, wie sie sagte, sie anderwärts Schöneres sehen könne – und nun veranlaßte ein


Der Löwenbräukeller in München.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_333.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2019)