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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

macht, aber nach dem Willen des Vaters sich persönlich dazu einfinden muß. Daß er auch dies Examen trotz seiner Anwesenheit vorzüglich bestehen wird, dafür bürgt die Visitenkarte des Vicekönigs, deren Wirkung nie verjähren kann. †      

Ein lustiges Drama. Der berühmte englische Tragöde Garrick spielte einst an einem heißen Sommertage den König Lear und riß das Publikum, wie immer, durch seine gewaltigen Leistungen während der ersten vier Akte des Dramas hin. Im fünften Akte aber begegnete ihm ein kleines Mißgeschick. Die hochtragische Scene am Schlusse, wo der alte König an der Leiche seiner Tochter Cordelia weint, hatte eben begonnen und manche Thräne floß im Zuschauerraum über schöne Wangen, als das Gesicht des Schauspielers plötzlich einen ganz anderen Ausdruck annahm. Der in der Situation begründete Ernst seines Antlitzes war verschwunden und der Künstler hatte offenbar alle Mühe, die ihm unwiderstehlich nahende Lachlust niederzukämpfen. In diesem Augenblicke erschienen die Edelleute, wie es der Gang des Stückes vorschreibt; aber auch sie hatten, nachdem sie kaum eingetreten waren, mit demselben Uebel zu kämpfen, so daß die Scene zum Erstaunen des Publikums eine Unterbrechung erlitt. Da öffnete die todte Cordelia ein wenig die Augen, um die Ursache der Störung kennen zu lernen, aber plötzlich schien sie von einer Art Lachkrampf befallen zu sein, denn sie sprang auf und eilte, nicht mehr im Stande sich zu beherrschen, lachend davon, gefolgt von dem greisen Lear, dem wackeren, ehrenfesten Kent und den übrigen Edelleuten, welche, durch das Beispiel angesteckt, eiligst in den Koulissen verschwanden.

Das Publikum verharrte in stummer Verwunderung, bis es endlich die Ursache der allgemeinen Heiterkeit entdeckte und nun ebenfalls in ein unauslöschliches Gelächter ausbrach. Im Parterre hatte ein dicker Schlächtermeister Platz genommen und, was damals in London noch gestattet wurde, seinen Hund mit in das Theater gebracht. Das mächtige Thier saß neben seinem Herrn, hatte die Vorderpfoten auf die vor ihm befindliche Barriere gelegt und schaute verständnißvoll auf die Bühne, als habe es die Kritik zu schreiben. Der Dicke aber hatte unter der im Hause herrschenden Hitze außerordentlich zu leiden, um sich zu erleichtern, nahm er die schwere Perücke ab und stülpte sie, ohne sich etwas dabei zu denken, seinem Hunde auf den Kopf. Dieser Anblick war zu komisch, als daß die Schauspieler hätten ernst bleiben können, und das Außergewöhnliche, einen Hund mit einer mächtigen Perücke zu sehen, war selbst für diese an Selbstbeherrschung gewöhnten Künstler zu viel. Das tiefernste Drama endete auf die heiterste Weise; Garrick aber erklärte später oft, daß er an jenem Abend hätte lachen müssen, und wenn es ihm das Leben gekostet haben wurde.

Das Testament. (Mit Illustration S. 296 und 297.) Das Gemälde von Bokelmann führt uns gewissermaßen den Höhepunkt einer Situation vor, der mehrere Romankapitel vorausgegangen sind. Ein reicher Patrizier sieht sich durch eine plötzlich eingetretene Erkrankung genöthigt, sein Testament zu machen. Zu seinen Füßen kniet die Tochter, die aus Liebe eine Ehe gegen den Willen der Eltern eingegangen ist und durch eine alte Dienerin von der gefährlichen Krankheit des Vaters Kenntniß erhielt. Sie eilt herbei, um ihn noch einmal zu sehn, und kommt in dem Augenblick an, wo der Notar das fertige Testament vorliest; sie kümmert sich um nichts als um ihren kranken Vater und wirft sich ihm zu Füßen hin. Ihre beiden Kleinen stehen harrend an der Thür. Aus den Mienen des Vaters sieht man, daß er der Tochter volle Verzeihung gewährt, während die beiden andern Damen keinen Zweifel darüber lassen, daß die unerwartete Dazwischenkunft der jungen Frau sie mit höchstem Unmuth erfüllt und alle ihre Hoffnungen zerstört; denn die Intriguen und Zwischenträgereien, welche das Familienglück so lange Zeit trübten, sind jetzt machtlos geworden, die Liebe hat den Sieg davongetragen. Das Testament wird nach dieser Versöhnung zwischen Vater und Tochter eine andere Gestalt erhalten und der würdige Notar wird seine Feder zu einem vollkommen neuen Entwurf desselben ansetzen müssen. †      


Skat-Aufgabe Nr. 6.

Von Dr. F . . . . . r in Straßburg.

Die Mittelhand tournirt auf folgende Karte:

(tr. Z.)
(p. As)
(p. Z.)
(p. 7.)
(c. As)
(c. Z.)
(c. 7.)
(car. As)
(car. 9.)
(car. 7.)

Das und findet und gewinnt mit Schneider, denn die Gegner bekommen nur 19 Augen; der Spieler würde dagegen verlieren und sogar Schwarz werden, wenn die Gegner je zwei gleichwerthige Karten mit einander vertauschen dürften. – Wie sitzen und fallen die Karten und welche Blätter würden zu vertauschen sein?

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 5 auf S. 260:

Die Lösung beruht auf dem Gelingen der Wimmelfinte. Bei folgender Kartenvertheilung: Skat eK, eO

Mittelhand: e9, rD, rK, rO, sD, sK, sO, s9, s8, s7
Hinterhand: eD, c8, e7, gO, g9, g8, g7, r9, r8, r7

wird das Spiel folgenden Verlauf nehmen:

1. eW,e9, g7 (+2)   4. gD, s8, gO, (+ 14)
2 gK!! sD, g8 (+15.) 5. sZ, s9, r7 (+10)
3. gZ, s7, g9 (+10) 6. rZ, rD, r9 (-21)

und der Spieler giebt nur noch einen Stich mit höchstens 14 Augen ab.

Briefkasten.

Skatspieler in W…f. Das Mauern ist eine schlimme Angewohnheit und Ihre Entrüstung über Ihren Mitspieler entbehrt nicht der Berechtigung. Aber machen Sie den Versuch, ihn zu heilen; verehren Sie ihm etwa die Skathumoreske „Die Folgen des Mauerns“ von Julius Litten (Leipzig, Karl Reißner). In dieser Humoreske werden die Eigenheiten der verschiedenen Spieler auf das köstlichste ausgemalt und die Folgen des Mauerns mit feiner Satire gegeißelt. Lothar Meggendorfer, der bekannte humoristische Zeichner, hat das Buch mit den typischen Konterfeis der Spieler geschmückt und einzelne besonders drastische Scenen mit packendem Humor im Bilde festgehalten. Auch zum Vorlesen in einer größeren Gesellschaft von Skatfreunden ist die Humoreske trefflich geeignet.




Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

E. T. in Halle a. S. Ihr Wunsch zwingt zu einem Blick auf den interessantesten Theil der thüringischen Geschichte. Sie haben sich durch den Namen Ludwig, der in der thüringer Geschichte so häufig vorkommt, irreführen lassen. Erbaut wurde die Wartburg im Jahre 1067, ein Jahrzehnt vor Heinrichs IV. Gang nach Kanossa, von Ludwig dem Springer, demselben, der nach der Lage den kühnen Sprung von Schloß Giebichenstein in die Saale wagte. Ein Jahrhundert später lebte Landgraf Ludwig der Eiserne. Er war im Anfang seiner Regierung leichtsinnig und allzu nachsichtig gegen die thüringer Edlen, welche das Volk bedrückten. Doch sein Abenteuer mit dem Schmied „aus der Ruhl“ klärte ihn über das Treiben derselben auf; er bestrafte die Uebermüthigen streng und war seitdem milde gegen das Volk. Eine weise Regierung befestigte seine Macht und verhalf ihm zu Ansehen bei dem Volk wie bei den Großen, zumal seit er mit Kaiser Friedrich Barbarossa, dessen Stiefschwester er 1150 heirathete, in ein freundschaftliches und verwandtschaftliches Verhältniß getreten war. Denselben Namen, Ludwig, führte endlich auch der Gemahl der heiligen Elisabeth. Er war der ältere Sohn des Landgrafen Hermann, an dessen kunstsinnigem Hofe 1207 der berühmte Sängerkrieg stattfand. In demselben Jahre wurde die Gemahlin seines Sohnes geboren, Elisabeth, Tochter des Ungarnkönigs Andreas II. Als Landgraf Ludwig 1227 auf dem Kreuzzug starb, begann für Elisabeth die Leidenszeit. Ihr Schwager Heinrich Raspe übernahm die Regierung. Er vertrieb sie mit ihren Kindern von der Wartburg. Die vom Kreuzzug heimkehrenden thüringer Edlen zwangen ihn, Elisabeth in Besitz ihres Witwentheils zu setzen. Sie erhielt die Stadt Marburg sammt den Einkünften. Dort lebte sie gänzlich unter dem Einfluß des zelotischen Ketzerverfolgers Konrad von Marburg in Bußübungen und Selbstgeißelungen bis an ihr Ende 1231, ohne daß sie den flehenden Bitten ihres Vaters, zu ihm zurückzukehren, nachgab.

A. M. in Holtenau. Die „Deutschen Sprachbriefe“ von Dr. Sanders sind jedem zu empfehlen, der sich mit dem Geiste der deutschen Sprache vertraut machen und sich einen korrekten Stil aneignen will.

Br. in Schleus. Wir bedauern, Ihren Vorschlag ablehnen zu müssen.



Soeben erschienen und durch beinahe alle Buchhandlungen zu beziehen:
Unter der Linde. Josias.
Novellen Eine Geschichte aus alter Zeit.
von von
W. Heimburg. Fanny Lewald.
Elegant broschirt M. 4.40. Elegant gebunden M. 5.50. Elegant broschirt M. 3.–. Elegant gebunden M. 4. –.
Inhalt: Am Abgrund. – Unsere Hausglocke. – Unser Männe. – Jascha. – In der Webergasse. – Großmütterchen. – Aus meinen vier Pfählen.
Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_308.jpg&oldid=- (Version vom 21.4.2020)