Seite:Die Gartenlaube (1888) 232.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

östlichen Glacis von Sedan statt. Von dort beritt ich die Armee um Sedan. Den Empfang durch die Truppen kannst Du Dir denken! Unbeschreiblich!“ Und brieflich berichtet der König noch: „Ich stieg vor dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegenkam. Der Besuch währte eine Viertelstunde, wir waren beide sehr bewegt über dieses Wiedersehen. Was ich alles empfand, nachdem ich vor Jahren Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht (in Paris) gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben.“ Und dann sei noch jene den Charakter des Königs so wahr zum Ausdruck bringende Stelle desselben Briefes mitgetheilt: „Es ist wie ein Traum, selbst wenn man Stunde für Stunde hat abrollen sehen. Wenn ich mir denke, daß nach einem großen glücklichen Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte, und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allem mich, mein Heer und meine Mitverbündeten ausersehen hat, das Geschehene zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen seines Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufassen und in Demuth Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.“

König Wilhelm besucht die Verwundeten in Versailles.
Originalzeichnung von H. Lüders.

Aber der Siegeslauf sollte auch mit diesem gewaltigen Ergebniß noch nicht beendigt sein. Das Kaiserreich war am 4. September gestürzt, jedoch die Republik trat das Erbe des Krieges an. So galt es denn, unaufhaltsam vorwärts zu dringen und die Hauptstadt selbst zu unterwerfen. Am 19. September schon war die vollständige Einschließung von Paris bewirkt. Das Hauptquartier des Königs wurde fortan Versailles. Im prunkvollen Schlosse Ludwigs XIV. hielt nun der König während der nächsten Monate mit seinen Feldherren und Staatsmännern den Kriegsrath, indessen die Belagerung von Paris stetige Fortschritte machte und die deutschen Heere sich nach allen Himmelsrichtungen siegreich immer weiter über das feindliche Laud ergossen. Hier liefen die frohen Botschaften vom Falle der Festen Straßburg und Metz, vom heldenmütigen Widerstande Werders und immer neuen Erfolgen ein. Hier aber widmete der König sich in seiner liebreichen Menschenfreundlichkeit auch den Werken der Barmherzigkeit und ließ es keine seiner geringsten Sorgen sein, die Pflege der Verwundeten in den Lazarethen durch persönliche Besuche zu überwachen. Die Todeswunde manches Braven brannte weniger heiß und schmerzhaft, wenn er in das milde, gerührte Auge seines Königs blickte.

Hier im Schlosse zu Versailles endlich sollte König Wilhelm auch den Dank aller deutschen Fürsten und Stämme für die unsterblichen Verdienste ernten, welche er sich um das Vaterland erworben. Hier sollte die Sehnsucht des deutschen Volkes ihre fast märchenhafte Erfüllung finden. Jeder deutsche Krieger, weß Landes immer er sei, wußte, daß nicht die Niederwerfung Frankreichs und die Sicherung des heimischen Bodens allein der Lohn dieses Feldzugs sein durfte. Nein, ein köstlicheres, unverlierbares Gut hatten er und seine Kameraden für ihr Vaterland erstritten, denn freudig durften sie jauchzen:

„Hurra! in dem klirrenden Waffentanz
Ward erbeutet der blutige Hochzeitskranz!
Auf dem Felde der Ehre, da sind mir getraut –
Hoch Deutschland, herrliche Siegesbraut!“

Nicht verloren war das Blut der Tausende deutscher Männer, welches die starren Schollen der winterlichen Erde Frankreichs röthete –

„Denn unter den warmen Tropfen schmolz
Des Ackers frostige Krume:
Aufschoß – o Wunder – stark und stolz
Die deutsche Kaiserblume!“

(Fortsetzung folgt.)



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Josias.
Eine Geschichte aus alter Zeit von Fanny Lewald.
(Fortsetzung.)

Jahre waren vergangen, meine Einsegnung war vorüber; der Graf hatte mir zu derselben geschrieben, mich mit einer kostbaren englischen Uhr beschenkt, und mir überhaupt fortdauernd seinen Antheil als ein treuer Pathe bezeigt. Ich trage die Uhr noch heute und habe an ihr alle guten und schweren Stunden meines Lebens abgezählt. Als ich die Klassen des Kollegs durchgemacht, stand ich im neunzehnten Jahre. Mein Vater erachtete mich noch zu jung , mich allein auf Reisen gehen zu lassen. Er beschloß also, mich nach Ilsenburg in den Harz zu senden, wo damals ein vielerfahrener Landwirth und Forstmann, Herr Zarenthin[WS 1], eine Meisterschule für künftige Landwirthe errichtet hatte; und dieser Plan, mich in der Forstkultur besonders unterweisen zu lassen, hing auch mit den Wandlungen zusammen, welche mein Vater in seinen Angelegenheiten herbeigeführt hatte.

Er hatte seiner Zeit die Domänenpachtung für zwanzig Jahre übernommen. Aber er hatte bei seinem Eifer und seinen Kenntnissen nicht so langer Zeit bedurft, um die Verbesserungen zu bewerkstelligen, welche der König durch ihn hatte eingeführt haben wollen. Die Maulbeeralleen waren schön herangewachsen; die Obstzucht in Benwitz gab der in Schönfelde und in Sanssouci nichts mehr nach; der ganze Boden war ertragsfähiger geworden, und so hatte der Vater schon bei dem Tode Friedrichs des Großen, dem er sich verpflichtet, daran gedacht, sein Pachtverhältniß zu lösen, wenn es ohne Nachtheil für ihn geschehen könnte; denn während er dem Könige gedient, hatte er auch seinen Besitz nicht vernachlässigt, sondern einen beträchtlichen Theil der an Schönfelde grenzenden Waldungen gekauft, um sein Gut besser abzurunden, und er hatte daran gedacht, sich das Leben durch Rücktritt von

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_232.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)