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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Kaiser Wilhelm todt!

Es stirbt der Mensch, das ist sein irdisch Theil.
Er stirbt: doch ewig währt der Menschheit Leben.
Nur wer gelebt hat zu der Menschheit Heil,
Den wird zu ihren Höhen sie erheben.
     Es gehen Miilionen spurlos fort,
Wie sie herein in diese Welt gekommen.
Doch – welch ein Sturmlaut braust von Ort zu Ort,
Wo nur ein Menschenohr das Wort vernommen,
     Das, wie es blitzgleich in die Herzen schlägt,
     Ein Weltgefühl durch alle Lande trägt!


Wohl achtet man des Neides werth das Loos,
Steht auf des Daseins Höhen schon die Wiege:
Da glänzt der Name in des Glückes Schooß,
Ob fern die Zeit der ernsten That auch liege.
     Wem Glanz und Lust der Höhe nur gefällt,
Kann groß im Kreis von Seinesgleichen stehen, –
Doch wer hinabsteigt in des Volkes Welt,
Erklimmt allein des Herrschens höchste Höhen;
     Der ist es, der, sich selbst zur Mahnung, spricht:
     So hehr die Macht, so heilig sei die Pflicht! –


     „Todt – Er ist todt!“ Wehzitternd haucht’s ein Mund
Am Sterbebett. Die Weltstadt hört’s voll Schrecken
Und ruft’s ins Reich, – Europa wird es kund –
Und weiter fliegt nach allen Himmelsstrecken
     Im Boden tief, durchs Meer und durch die Luft
Das Wort, das jener Mund so leis’ gesprochen –
Und wo’s in fernster Welt ein Deutscher ruft,
Da ruft der Schmerz: Welch Herz ist uns gebrochen!
     Da lauschen alle Völker rings umher
     In Ehrfurcht: Kaiser Wilhelm ist nicht mehr!


Ein Fürstenwort! Der Kaiser sprach es aus
Und hat’s wie einen heil’gen Eid gehalten.
Wie Er als Jüngling Gott befahl Sein Haus,
Hat Gottes Gnade es erhöht dem Alten.
     In jedem Kreise Seiner Pflicht ein Mann –
Wie hell Sein Aug’ im Kampfesfeuer sprühte!
Doch Seinen höchsten Siegerpreis gewann
Er mit dem Herzen voller Lieb’ und Güte!
     Sein Zeugniß sind die Thränen, die vereint
Das ganze Volk heut seinem Kaiser weint.


Nun weht durchs Reich der schwarze Trauerflor,
Nun tönt die Harfe Ihm von Preis und Klagen,
Nun steigt vor uns Sein Bild so hoch empor,
Wie keines je vermochte aufzuragen.
     So weit von deutschem Leben reicht die Spur,
Hat noch kein deutscher Mann so hoch gestanden.
War doch der Besten ew’ge Sehnsucht nur:
Ein Herrscher in den einig-deutschen Landen!
     Er hat gestillt die Sehnsucht königlich:
     Er gab das Reich uns, und Er gab uns Sich!


     An Seiner Gruft steh’ kein verzagend Leid,
Kein Schwächlingshauch zieh’ ein durch diese Pforte!
Er war so groß, daß vor Ihm Haß und Neid
Beschämt sich neigten, nur der Dank hat Worte.
     Die fernste Zukunft schaut dereinst zurück
Auf Deutschlands Heldengang durch Blut und Eisen,
Und will der Enkel Mund das höchste Glück
Von einem Manne unsrer Tage preisen,
     So ist’s der Spruch, der ihn zuhöchst erhebt:
Er hat zu Kaiser Wilhelms Zeit gelebt!

Friedrich Hofmann.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)