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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Die Wirthin war darauf mit dem Kroaten an das Bett des Mädchens gegangen; er war vor demselben lautlos stehen geblieben, hatte es angesehen und angesehen. Dann hatte er ein kleines Kreuz losgemacht, das er unter dem Kollett am Halse getragen, hatte es Franull auf die heiße Stirn gelegt und war mit einem kurz hervorgestoßenen ,Hm‛, ohne sich umzublicken, aus dem Zimmer fortgegangen.

Der Graf selber hatte das Doktor Hartusius mit dem Bemerken erzählt, der Kerl habe ihm leidgethan, und der Doktor hatte gegen meine Mutter geäußert: wie gütig der Herr Graf sich auch gegen ihn und gegen mich stets gezeigt, für so gefühlvoll, als er sich bei dem Anlaß erwiesen, hätte er ihn, wegen seiner strengen Außenseite, nie gehalten.

(Fortsetzung folgt.)


Ein neues Konversationslexikon.

Dame in französisch-burgundischer Hoftracht mit hoher Haube und Schleier auf Drahtgestell, um 1450. (Miniature in Paris.)

Unsere Leser werden sich vielleicht wundern, daß wir wiederum einen Artikel über ein Konversationslexikon bringen; denn in den letzten Jahren haben wir ihnen bereits zwei Konversationslexika: das Brockhaus’sche und das Meyer’sche, empfohlen. Beide Werke, jedes vortrefflich in seiner Art, erfreuen sich einer großen Beliebtheit, und da auch jedes von ihnen zahlreiche Auflagen erlebt hat, so könnte man meinen, daß durch diese zwei großen Unternehmen das Bedürfniß der deutschen Lesewelt nach dieser Litteratur vollauf befriedigt sei.

In der That hieße es Papier und Druckerschwärze verschwenden, wollte man heute ein neues Konversationslexikon herausgeben, welches weiter nichts wäre, als eine Kopie der altbewährten. Wirklich Neues und wirklich Nützliches auf diesem Gebiete müßte dagegen mit Freude begrüßt werden, sei es als ein neues Hilfsmittel für die Verbreitung der Bildung, sei es als eine beachtenswerthe Erleichterung des Nachschlagens, auf welches so viele, Gelehrte wie Laien, angewiesen sind.

Freilich ist es nicht so leicht, nach dieser Richtung hin etwas Neues zu schaffen; denn die encyklopädische Litteratur erscheint auf den ersten Blick völlig abgeschlossen, eine Erweiterung der einem Konversationslexikon gesteckten Ziele fast unmöglich.

Todtengräber.

Bilden nicht „Brockhaus“ und „Meyer“ eine wahre Bibliothek des Wissens? Finden wir in ihnen nicht alles berücksichtigt, was der Geist aller Zeiten und aller Völker geschaffen? Selbst den flüchtigen Tagesereignissen wird durch die bekannten „Supplementbände“ Rechnung getragen, und die Abbildungen und Landkarten der beiden Lexika sind so reich und mannigfaltig, daß auch in dieser Beziehung schwerlich mehr geboten werden kann. Und dennoch war auf diesem scheinbar völlig erschöpften Gebiete der Encyklopädie noch etwas Neues zu entdecken, eine neue Idee zu finden, die allerdings, wenn man sie kennt, sehr einfach erscheint wie das Ei des Kolumbus, durch die aber in der That ein Konversationslexikon für die weitesten Kreise einen neuen und höheren Nutzen erlangt und die zweifelsohne von vielen Tausenden willkommen geheißen wird.

Die Porta nigra in Trier.

Auf diese Neuerung unsere Leser aufmerksam zu machen, ist der Zweck dieser Zeilen. Vor uns liegt die erste Lieferung eines Konversationslexikons, welches alles Das enthält, was wir in anderen finden, Artikel, farbige Tafeln, Abbildungen, von denen wir beistehend einige Proben bringen, Landkarten etc., dabei aber noch etwas bietet, was wir sonst vergebens suchen würden: ein förmliches Universal-Sprachlexikon.

Sämmtliche Sprachen der Welt konnten in demselben natürlich nicht berücksichtigt werden, aber den für den täglichen Verkehr und für die Bedürfnisse des modernen Kulturlebens besonders wichtigen ist ein gebührender Platz gesichert worden, und so finden wir in dem neuen Konversationslexikon nicht weniger als zwölf Sprachlexika (böhmisch, dänisch, englisch, französisch, griechisch, holländisch, italienisch, lateinisch, norwegisch, russisch, schwedisch und spanisch) vereinigt – gewiß eine sehr werthvolle Bereicherung unserer Bibliothek, die uns in vielen unverhofften Fällen beim Lesen und Studiren, wo wir so oft über ein fremdes Wort stolpern, eine rasche und willkommene Hilfe bieten wird, um so mehr, als sich in den wenigsten Privatbibliotheken jene zwölf Sprachlexika wirklich vereinigt finden dürften. Schon diese Neuerung allein dürfte dem Unternehmen viele Freunde erwerben und sie stempelt das Werk gewiß zu „einem der originellsten Bücher der Welt“.

Durch Borkenkäfer zerstörter Stamm.

Wie neu und eigenartig aber dieses Konversationslexikon auch ist, vielen wird es als ein alter Bekannter erscheinen. Alt ist wenigstens an ihm der Titel; denn es wandert in die Welt hinaus als die siebente Auflage von „Pierer’s Konversationslexikon“, welches ehemals sehr beliebt war. Der Herausgeber Professor J. Kürschner und der Verleger W. Spemann in Stuttgart haben jedoch die neue Auflage einer so gründlichen Reform und geschickten Umarbeitung unterzogen und ihr eine so praktische Ausstattung gegeben, daß aus dem „alten Pierer“ ein durchaus neues Buch geworden ist. – Als besonderer Vortheil dürfte in weiteren Kreisen auch der Umstand begrüßt werden, daß das neue Konversationslexikon nur 12 Bände umfassen wird und durch die knappere Darstellung und übersichtlichere Anordnung des Stoffes eine leichtere Orientirung des Lesers zuläßt oder, wie der Herausgeber selbst sagt, „das Suchebedürfniß rascher befriedigt.“ So viel wir nach dem bis jetzt vorliegenden Material urtheilen können, wird die siebente Auflage von „Pierer’s Konversationslexikon“ in zweckmäßigster Weise die Lücke zwischen den großen und den kleinen, ein- oder zweibändigen, Konversationslexicis ausfüllen und wegen der oben erwähnten Vorzüge sich auch in den Familienbibliotheken einbürgern.

Tisch und Stuhl aus dem 17. Jahrhundert. (Im Oesterreichischen Museum in Wien.)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_162.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2023)