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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


bildet, von welcher, was unten geschieht, in lautem Jubel oder hellem Lachen widerhallt. Eine bildschöne Brünette im kurzen luftigen Kleide, hoch zu Roß, bedankt sich eben nach allen Seiten mit dem Ausdrucke so holder Ueberraschung, als ob ihr diese Ehre zum ersten Male in ihrem Leben passirt sei. Der Klown, der ihr den Reifen beim Sprung gehalten, macht ihr ein Kompliment und scheint zufrieden mit der Leistung seiner Partnerin. Auch der Schimmelhengst Almansor, der eigentlich weiter nichts zu thun hatte, als an der Manege herum zu traben und das Panneau zu tragen, von welchem die kleine Französin ihre Reifensprünge exekutirt hatte, zeigt einen sichtlich befriedigten Ausdruck um die Nüstern. Ich weiß nicht, ob dieser von dem gesättigten Ehrgeiz herrührt – und die Hälfte des Beifalls nimmt er für sich in Anspruch – oder von der anheimelnden Aussicht, nach seinem Stall zurückkehren und bis zur morgigen Probe um zehn Uhr Vormittags unbehelligt träumen zu dürfen.

Die Manege hat sich geleert. Jetzt springen rothgekleidete Manegediener, das Gros der bedienenden Künstler in ihren Galauniformen nebst einigen Klowns in ihren barocken Kostümen hervor und stellen sich wie zur Bewillkommnung in Spalier nächst dem Eingange auf. Die Kapelle intonirt ein verheißungsvolles Präludium und tausend Köpfe recken ihre Hälse nach den zurückgeschlagenen Vorhängen der Manegeeingänge aus. -

Das nächste Mal davon. Die Vorstellung verspricht nach dem Programm sehr interessant zu werden. Dann will ich in der Pause wie einer der echten oder Talmisportmänner mit den langen Ueberziehern, den rothgestreiften Kravatten und der Hufeisennadel, das Stöckchen in der Hand, ein wenig in den Stallungen umherwandeln und versuchen, ob ich von dem Künstlervölkchen in seinem Interieur einen Blick zu erhaschen vermag. Was ich da sehe und erfahre, davon will ich treulich Bericht erstatten.

(Schluß folgt.)




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Josias.
Eine Geschichte aus alter Zeit von Fanny Lewald
(Fortsetzung.)

„Du weißt,“ hub Josias an, „daß wir Courvilles aus dem Bièvrethale stammen, wo unser Vorfahr Claude François Courville auf schönem Grundbesitz lebte. Ohne von Adel zu sein, war unsere Familie angesehen Die Herren vom Hofe hatten, wenn die königlichen Jagden sich bis in unsere Gegend erstreckten, zum Oefteren einen kurzen Halt vor dem stattlichen, schloßartigen Hause gemacht und sich es gefallen lassen, wenn ihnen in dem trefflichen Wein und den köstlichen Früchten, die unsere Weinberge und Gärten erzeugten, eine Erfrischung geboten wurde. Die Courvilles waren glückliche Leute gewesen auf ihrem Grund und Boden. Sie hatten auch in der Kaufmannschaft, in der Robe und in der Verwaltung ihre nahen Verwandten gehabt; aber die ganze Familie hatte sich dem Katholicismus abgewendet und eines schönen Tages hatte man die Hugenotten vertrieben. Da hatte es ein Ende gehabt mit all dem Frieden und mit all der Herrlichkeit auch in Beau Champ.

Seiner Umsicht und einem Zusammentreffen günstiger Umstände hatte unser Stammvater es zu danken, daß er ein immerhin beträchtliches Vermögen retten konnte, und nachdem er in Preußen die neue Heimath gefunden und die Verhältnisse des Landes kennen gelernt, hatte er, in Frankreich an die Nähe einer großen Stadt, an die Nähe von Paris gewöhnt, sich fünf Meilen von Berlin in der Mark angekauft. Die adlige Familie, welcher das Schloß gehört, hatte durch eine neue reiche Erbschaft im Bayreuthischen sich veranlaßt gefunden, den alten Besitz um des neuen willen aufzugeben, und mein Vater hatte im Andenken an Beau Champ sein Schloß Schönfelde getauft.

In Schönfelde sind die Courvilles von Vater auf Sohn ansässig geblieben, und unter ihrer aus Frankreich mitgebrachten Kenntniß der verbesserten Landwirthschaft, hatte sich Schönfelde zu einer Art von Musterwirtschaft herausgebildet, in welcher namentlich die Pflege des Obstes und die großen Anpflanzungen von Maulbeerbäumen die Aufmerksamkeit erregten, als man ein Jahrhundert später, von Seiten der preußischen Regierung, die Seidenerzeugung im Lande einzuführen und zu fördern beabsichtigte.

Als mein Vater das Gut von seinem Vater, bald nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, überkam, hatten wir gen Osten hin die königliche Domäne Benwitz, gen Westen hin Schloß Dambow zu Nachbarn, welch letzteres einem Grafen Dubimin, Major von den Ziethen’schen Husaren, gehörte, der es aber bis dahin selten bewohnt, weil der Dienst ihn fern hielt, und weil die schöne Gräfin, die er geheirathet, als er ein Mann in der Mitte der Dreißig gewesen, die Freuden des Hoflebens nicht entbehren mochte.

Mit einem Male jedoch erschien der Graf mitten im Winter des Jahres siebzehnhundertfünfundsechzig plötzlich in Dambow. Seine Wagen, seine Pferde, sein alter Wachtmeister langten mit ihm an Es wurde alles auf sein Verweilen eingerichtet; nur die Gräfin kam nicht mit, und nicht der Sohn, den sie anderthalb Jahre vorher in ihrer bis dahin kinderlosen Ehe geboren hatte und über den damals, als die Nachricht von Berlin gekommen, in Dambow unter des Grafen Leuten große Freude gewesen war.

Sonst war der Graf, wenn er einmal während der Kriegsjahre für kurze Zeit einen Urlaub erhalten, als ein leidenschaftlicher Jäger und lebenslustiger Herr immer gleich von großer Gesellschaft umgeben gewesen. Es war dann hoch hergegangen. Der ganze Adel von den Nachbargütern war geladen worden; die Jagdfrühstücke, die Mittagbrote, die Abendfeste hatten einander abgelöst. Von früh bis in die Nacht war es ein glänzendes Leben gewesen; diesmal blieb alles still. Der Förster fragte vergebens nach des Herrn Befehlen. Der Graf gab kaum Acht auf die Berichte über den Wildstand; er rührte keine Flinte an. Man wußte nicht, was man davon zu denken hatte. Aus dem Wachtmeister war nichts herauszubringen und die Bedienten ließen sich auch nicht viel vernehmen über das, was den Grafen so verwandelt hatte. Trotzdem wußte man es doch bald, daß er seinen Abschied genommen, daß er seine Frau und seinen Sohn verstoßen habe. Erklären konnte man sich das nicht, bis sechs, acht Wochen später der Verwalter von der königlichen Domäne, der in Berlin gewesen war, die Nachricht mitbrachte, daß der Graf ein Duell gehabt habe. Sein Gegner, ein Sekretär der französischen Gesandtschaft , ein Vicomte von Solanges, sei an der erhaltenen Wunde gestorben. Die Gräfin Dubimin sei mit ihrem Sohne erst zu ihren Eltern, dann aber nach Frankreich in die Bretagne gegangen, da der Vicomte vor seinem Tode ihr und ihrem Sohne seinen ganzen liegenden Besitz und sein Vermögen verschrieben. Der Graf habe die Trennung seiner Ehe eingeleitet und dabei darauf angetragen, daß der Gräfin und ihrem Sohne die Führung seines Namens verboten würde.

Was daneben noch weiter über die Gräfin und die näheren Umstände dieses Ehescheidungsprozesses verlautete, war traurig genug für den Grafen und zum Wiederholen nicht geeignet. Es konnte sich damals aus den Andeutungen jeder seinen Vers machen und machte sich ihn auch.

Wer irgend den Grafen näher kannte, der beklagte ihn. Er war ein tapferer Soldat gewesen, hatte sich Ehre und Ruhm erworben durch seinen Muth, durch seine bis zur Tollkühnheit gehende Verwegenheit, und er hatte eben deshalb bei dem Könige, der solche rasche Entschlossenheit, der die Husarenstreiche liebte, in großer Gunst gestanden. – Eben dieser Gunst und der Rücksicht aus die französische Gesandtschaft schrieb man es also zu, daß das Duell und die ganze traurige Scheidungsangelegenheit möglichst in der Stille abgehandelt und dem Grafen die lange Festungsstrafe in eine kurze Haft verwandelt worden war, nach welcher er seinen Abschied gefordert und sich auf sein Gut zurückgezogen hatte.

Ueberall gab man ihm Recht. Man sagte, er habe gehandelt wie er mußte, und nun sei eben alles in Ordnung. Er jedoch vermochte die schwere Kränkung seiner Ehre und die verrathene Liebe nicht zu verwinden. Aus dem lebensfrohen Officier war ein finsterer Mann, man sagte ein Menschenfeind geworden. Er



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