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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

manchmal, da brauch’ ich mich auch net z’sorgen – Du schwimmst ja jetzt im Geld.“

„Na, na, so sag’ mir nur g’rad das Eine – steigt denn gar net a Bißl a Scham in Dir auf? Aber freilich, Du därfst Dich ja stellen, wie D’ magst – mehr kannst ja dengerst nimmer z’wegen bringen, als was schon lang vermöcht hast: daß mir z’wider bist in d’ Seel’ ’nein. Aus’kennt hab’ ich mich schon lang in Dir! Hast mich ja schon die ganzen Jahr’ in Rosenheim g’schunden und aus’preßt bis aufs Blut – da brauch’ ich gar net an die alten Zeiten denken. Das Eine aber hätt’ ich dengerst net ’glaubt von Dir: daß den traurigen Muth hast und kannst Dich ’neinsetzen in das Haus, wo ich verheirath bin – und daß Du’s treiben kannst auf a solchene Weis’! G’wiß wahr – wie ich das schmarotzerische Tagdiebleben mit ang’sehn hab’, wo die ganze Zeit her g’führt hast, da hab’ ich Dich bloß anschauen dürfen, und es is mir g’wesen, als müßt’ ich ausspeien vor Dir!“

„Das muß ich schon sagen – Du redst amal sauber mit Dei’m Bruder!“ fiel Gregor lachend ein und legte dabei einen seltsam spöttischen Ton in sein letztes Wort.

„Bruder? Du bist mein Bruder net!“

„Geh’? Bist am End’ gar noch stolz da drauf? Freilich, so a noble Familli wie die Deinig’, das giebt’s gar net leicht. Da därf man schon suchen. Ja, ja, da hast schon Recht, daß gar so hochmüthig daherredst. Und schöne Sachen sagst mir hin! Aber no – ich bin a guter Kerl – ich trag’ Dir nix nach. Ich kenn’ Dich ja länger – ein andersmal wirst wieder anders reden. Und ’s Warten verdrießt mich net.“

„Du hast kein’ Zeit zum Warten nimmer! Die ganzen Tag’ her hab’ ich Dir’s schon sagen wollen – und allweil hab’ ich’s g’schoben, weil ich Dein Reden g’forchten hab! Du selber aber hast mir d’ Furcht aus ’m Herzen ’trieben! Heut’ Abend hast Dein Maß zum überlaufen ’bracht – durch Dein’ heimtückische Bosheit, mit der an Menschen elend g’macht hast, der Dir seiner Lebtag nie nix ’than hat.“

„Nix ’than? So?“ brauste Gregor mit rohen Worten auf. „G’nug hat er mir ’than! Scheniert hat er mich, mit seine g’schaftigen Augen. Und Luft hab’ ich schaffen müssen!“

„Luft? Für wen? Denn Du, Gori, Du gehst allein – der Götz aber bleibt!“

„Jetzt da schau her! Weßwegen nimmst Dich denn gar so an um ihn? Machst mich ja völlig neugierig, was er Dir is!“

„Z’lieb is er mir, als daß ich von ihm noch länger red’ mit Dir! Und ’leicht – ’leicht is er mir mehr, als Du Dir denken kannst.“

„Ja Narr – ja Narr!“ scholl es mit häßlichem Lachen in Wind und Nacht hinaus. „Da hast Recht – auf so ’was hätt’ ich nie net ’denkt! Ausschauen thut er freilich net darnach, der alte Pharisäer!“

„Gori!“

„Was schreist denn so – daß man Dich drei Häuser weit hören muß?“ zischelte der Bursche, während er unwillkürlich vor Kuni zurückwich, welche so dicht vor ihm stand, daß er durch die Dunkelheit ihre Augen funkeln sah.

„Mag man mich hören – meintwegen! Und Dir – Dir sag’ ich jetzt was! Jetzt bleibst mir auch kein’ einzige Nacht nimmer da! Und auf der Stell’ kannst gehn – denn Du – Du thust mir kein Schritt nimmer ’nein ins Haus!“

„Was? ’s Haus willst mir verbieten? Du? Ah geh! Da müßt’ ich schon z’erst a Wörtl reden –“

„Red’! Red’! Jetzt is mir schon alles eins! Ja – die ganzen Tag’ her – da hab’ ich mich g’forchten Stund’ um Stund’ – vor Dir und vor allem, was ’leicht in Deiner Bosheit reden könntst. Jetzt aber – jetzt is mir d’ Furcht vergangen!“

„Geh! Seit wann denn?“

„Seit wann? Seit ich wen hab’, an den ich mich anhalten kann, der mir a Trost sein wird und a Hilf’ –“

„Ah so – Dein’ Götz, Dein’ lieben! Da hätt’ ich jetzt schier vergessen –“

Jählings verstummte Gregor. Er hatte kein verdächtiges Geräusch und keinen Schritt vernommen; er sah nur plötzlich, daß sie zu Dreien waren.

Da fühlte er auch schon eine Faust an seiner Brust, spürte den Hauch eines heißen Athems in seinem Gesichte und hörte eine in Zorn und Erregung keuchende Stimme: „Du – Du so a Red’ thust Du a zweits Mal nimmer!“

Einen Augenblick stand Kuni wie gelähmt. Dann aber fuhr sie mit schluchzenden Lauten auf, packte Götz am Arme und riß ihn von Gregor zurück. „Na – net – net anrühren thu’ ihn! Der is Dein’ Hand net werth! Mich laß reden mit ihm – mich! Aber net in Zorn und Haß will ich reden – na – in Güt’ und Dankbarkeit. Denn was er mit seiner heutigen Schlechtigkeit auch vermeint hat – mir hat er an G’fallen ’than damit, wie mir unser Herrgott selber an größern net hätt’ erweisen können. Denn was er mir auch g’nommen hat – mein Kinderglück, mein’ Ruh’ in die letzten Jahr’, an jeden Kreuzer, den ich mir verdient hab’, und mein Glauben an d’ Menschen – heut’ hat er mir ’was ’geben, was Alles wett macht. Ja, Gori – heut’ hast mir wiedergeben, was ich g’meint hab’, ich hätt’s mit meiner Mutter ins Grab ’neing’legt – mein Herz, mein Leben und Lieben – – mein’ Vater hast mir geben!“

„Was – was is jetzt das für a Reden?“ stotterte Gregor

„Z’gut g’wesen is mir das Wort, als daß ich’s vor Dir auf mein’ Zung’ hätt’ nehmen mögen. Jetzt aber magst es wissen – mein Vater is er, der Götz – mein Vater!“

Lautlose Stille folgte; nur der Wind war noch zu hören, der um die finsteren Mauern des Hauses fuhr und raschelnd durch die schwarzen Büsche zog.

„Ah, da legst Dich nieder! Was man heut’ net Alles erfahrt! Ja g’rad schauen thu’ ich!“ brach Gregor mit heiserem Lachen das Schweigen.

Durch dieses Lachen wurde Götz aus seiner Betäubung aufgerüttelt. „Kuni – Kuni!“ schrie er in die Nacht hinein, und fast wie zornige Härte klang es aus dem Ton dieses Namens.

„Gelt – magst es schier selber net glauben,“ schluchzte sie, während sie mit zitternden Händen an seinem Arm hing. „Und ich weiß auch warum! Ich – ich kann ja z’frieden sein – ich find’ an Vater, der mein’ Achtung werth is und mein’ Lieb’! Aber Du – – der liebe Herrgott soll mir’s verzeihen, daß ich Dir kein anders Kind net geben kann, als wie ich eins bin. Aber wann net glauben kannst, so sag’ g’rad eins noch – sag’ mir, wie das Deandl g’heißen hat, von dem uns heut’ verzählt hast.“

„Lenei hat ’s g’heißen – Lenei Brandtner.“

„Und Brandtner Magdalen’ hat mein’ Mutter g’heißen und“ – da verstummte sie, richtete die Augen auf Gregor und fuhr ihn nach kurzem Schweigen mit schrillenden Worten an: „Du – was willst denn Du noch da.“

„Ah ja – hast Recht,“ erwiederte Gregor mit galligem Lachen. „Da wird’s jetzt weiters kein’ Flennerei absetzen! Und von so ’was bin ich noch nie kein Freund net g’wesen!“ Er grub die Hände in die Taschen und wandte sich zum Gehen. Ueber die Schultern spottete er noch in widerlicher Weise zurück: „Da gratulier’ ich halt derweil! Und schier was einbilden thu’ ich mir d’rauf, wie ich zwei zu einander ’bracht hab’, wie ’s die Katzen hätten net schöner z’sammtragen können. Und daß mir fein Dein’ Vater recht gut betten thust, er is ja gar so lang auf der harten Pritschen g’legen – schau – und da räum’ ich Dir gleich mein Stüberl ein! Im Wirthshaus bin ich auch net schlecht versorgt – d’ Walli wird mir schon a Platzl wissen – ich – versteh’ mich ja auf’s Reden mit die Kellnerinnen – so oder so! Und wer weiß, leicht find’ ich drüben auch noch a G’sellschaft, die sich net ungern ’was verzählen laßt – es is nur g’rad, daß d’ Leut’ morgen in aller Fruh dem Pointner a richtigs Glück anwünschen können! Na, wie’s der Bauer jetzt ’troffen hat – jetzt braucht er seine Weiberleut’ gar nimmer mit ’m Spinnen plagen – sein Schwiegervater versteht’s ja besser!“ Mit diesen Worten bog er um die Ecke; man hörte noch sein häßliches Lachen und dann verhallte sein Schritt im Winde.


(Fortsetzung folgt.)




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