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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

g’schnauft und g’schaumt. Und die im Wagen drin, die haben Dir weiter auch net aufg’schnauft jetzt! Derweil is der Kutscher nach’kommen, über und über voller Staub, blutig im G’sicht – und den linken Arm, den hat er nimmer rühren können. Lang’ hab’ ich s’ net reden lassen – am Bock bin ich ’naufg’sprungen, hab’ den Kutscher an mein’ Seiten g’nommen und bin davonkutschirt – g’radaus und rechts und links – wie’s mir ang’sagt worden is. Vor ei’m Schlößl hab’ ich g’halten – und mit der Herrschaft hab’ ich am Tisch essen müssen. Und wie der Schloßherr in mei’m Reden so g’merkt hat, daß ich mich auf die Bauernsach’ versteh’ als wie an Alter, da hat er mir nach ’m Essen sein’ Maierhof ’zeigt – und ’s End’ davon war, daß er mir die Pachterei an’tragen hat. Mir is Dir gleich d’ Red’ im Hals drin stecken blieben – aber ich hab’ an mein liebs Deandl ’denkt, hab’ mir’s Kurasch g’nommen und hab’ ihm g’sagt: gleich morgen könnt’ er mich haben, aber zugeben müßt’ er, daß ich heirathen därfet. Und Ja hat er g’sagt – und zehn Preußenthaler Angeld hat er mir geben – und ich – ich bin davon und heimzu wie der Teufel und g’rad g’lacht und g’weint hab’ ich in ei’m Trumm – vor hellichter Freud’! Ja – denken wann ich mögen hätt’, zu was ich heimkomm’ – da wär’ ich freilich net gar so g’sprungen!“

Die Stimme schlug ihm über, und langsam griff er mit der Hand an seinen Hals. Niemand in der Stube rührte sich. Bange Spannung lag auf allen Gesichtern und mit regungslosen Blicken waren alle Augen auf Götz gerichtet.

„A Sonntag war’s – g’spaßig! – End’ und Anfang – jedesmal a Sonntag! Es is schon auf’n Abend ’gangen, wie ich zu die ersten Häuser ’kommen bin. Im Sinn g’habt hab’ ich’s wohl, als sollt’ ich g’radwegs zu mei’m Deandl seine Leut’ hingehn. Hätt’ ich’s nur so g’macht – hätt’ ich mir’s nur net ausg’redt! Ich aber hab’ mir ’denkt, daß vor alle Andern mein Deandl unser Glück erfahren müßt’ – und gar so heimlich hab’ ich mir’s fürg’stellt, wann ich mich z’erst noch drüber freuen könnt’ mit ihr allein! Und weil’s mir auf der Straßen noch a Bißl z’ lebendig war, hab’ ich mir ’denkt, ich kehr’ a paar Stund’ im Wirthshaus zu. Da war a lustige G’sellschaft bei einander – ich hab’ mich dazug’setzt – hab’ mir an süßen Wein geben lassen – g’rad g’schmeckt hat er mir! – und ein Liedl hab’ ich g’sungen um’s ander’! Und da war von die Burschen einer, der a Geld ’braucht hätt’ – der hat a kleine Uhr und a silberne Halsketten zum Kauf um’boten. Da hab’ ich g’meint, mein Deandl könnt’ a Freud’ dran haben – hab’s Geld am Tisch hing’haut – und ’s Uehrl mit der Ketten hab’ ich mir umg’hängt. Und wie ich aufschau, steht mein Kamerad vor mir. G’rad Augen hat er an mich hin g’macht. Ich aber hab’ ihn ’packt und hab’ ihn g’halst – und hab’ ihn ’neinzogen in an Winkel – und all mein’ Seligkeit hab’ ich an ihn hinplauscht mit meiner lustigen Zung’. Und da hat er g’sagt, er thät’ mir Glück wünschen zu meiner Nummer und zu meiner Herrschaft, aber – aber – das ‚aber‘ hat mich heiß g’macht. Doch kaum ich g’hört hab’, was dahintersteckt, hab’ ich ihm hellauf ins G’sicht g’lacht – hab’ mein’ Hut von der Wand g’rissen und bin davon. Und g’rad g’lacht hab’ ich! Mein Deandl – und an Andern heirathen! Und so Ein’ noch dazu! Freilich der reichste Bauernsohn – aber der ärgste Lump im ganzen Ort, der alle paar Häuser weit a Madl in der Schand’ hat sitzen lassen! Ja mein – g’rad allweil ’nausgelacht hab’ ich in die sternscheinig’ Nacht!“

Diese Worte begleitete ein heiseres Lachen.

Er zog die Pfeife aus der Joppentasche, und schien nicht zu wissen, daß er es that. Er suchte wohl unwillkürlich seine zitternden Hände zu beschäftigen. Und während er ein um das andere Mal die Röhre aus der Pfeife riß und wieder festschraubte, stieß er Wort um Wort vor sich hin: „Und ich hab’ noch allweil g’lacht – wie ich schon da g’standen bin – vor mei’m Deandl sei’m Haus. Gleich von der Straßen aus hat man über a steils Wiesenfleckel in d’ Höh ’nauf müssen – und da hab’ ich mich ’naufg’schlichen – unter die Apfelbäum’ – und auf amal – da hör’ ich a Wispern – an Schritt noch hab’ ich g’macht, und nachher bin ich g’standen, als wär’ ich Stein worden auf und auf. ’s Kammerfenster is offen g’wesen und ’s Deandl war dabei – und Einer is im Fenster g’sessen – und ich hab’ ihn ’kennt – an der Stimm’ schon – den selbigen – und von der Heirath hat er g’redt – und – und ’s Deandl hat’s ang’hört – ohne Widerred’ – und auf amal – da schlagt er d’ Arm’ um ihren Hals. D’rauf zuspringen hab’ ich wollen – aber kein’ Rührer net hab’ ich z’wegen ’bracht; völlig schwarz is mir’s worden vor die Augen – a Fenster hab’ ich noch schlagen hören, und nachher hab’ ich a Sausen in die Ohren ’kriegt und hab’ mich anhalten müssen am Baum, daß ich net umsink’. Und wie ich mein G’sicht wieder ’krieg’, da steht er da vor meiner – in mir drin steigt’s mir siedheiß auf – ‚Du – Du!‘ – sonst hab’ ich kein Wörtl net g’habt – und wie er die Andern ’rum’bracht hat, so hat er mein Deandl ’rum’bracht; das war mein einzig’s Denken. Und wie er’s die Andern g’macht hat, macht er’s mei’m Deandl – und da bin ich ihm schon mit alle zwei Fäust’ am Hals, daß er kein’ Laut nimmer giebt – und hab’ ihn hindruckt an den nächsten Baum – und wie mehr er sich wehrt, wie wilder bin ich ’worden – und – und auf amal – da merk’ ich, daß er kein’ Arm mehr rührt. Da packt’s mich an, wie an eiskalter Schreck – und wie ich d’ Händ aufmach –“

Ein dumpfes Klirren mischte sich in seine Worte; Götz hatte die Pfeife fallen lassen, deren Kolben auf den Dielen in Scherben zerschellt war.

„Und wie ich d’ Händ’ aufmach’ – da schlagt er nieder wie a Stückl Holz. Ich will ihn noch derhalten – aber da reißt’s ihn schon über d’ Wiesen weg – bis mitten ’naus auf d’ Straßen. ‚Jesus Maria!‘ – das war Alles, was ich ’rausbracht hab’. Kaum haben mich d’ Füß’ noch ’tragen, wie ich ’nunter bin zu ihm. Auf’m G’sicht is er g’legen, ’s Blut is ihm unter die Haar’ ’rausg’schossen, kein’ Schnaufer nimmer hab’ ich g’merkt und kein’ Herzschlag nimmer g’spürt.“

„O lieber Gott – Du heiliger Herrgott!“ stotterte der Pointner, während Zenz sich murmelnd bekreuzigte.

„Da hat mich ’s Grausen ’packt – und auf und davon bin ich – g’radaus über d’ Wiesen,“ sprach Götz mit tonloser Stimme weiter. „Aber z’ruck’trieben hat’s mich wieder – und in der Verzweiflung hab’ ich mein’ Kameraden g’sucht. G’weint hat er um mich – g’weint wie a Kind. Ueber Nacht hat er mich b’halten und hat mir versprochen, daß er kein’ Zeugen macht und nix vom Deandl redt – und ’s Deandl selber, hab’ ich g’meint, hätt’ ja Grund g’nug zum Stadsein. Und da hab’ ich mich auch net ’täuscht! Am andern Morgen hab’ ich mich stellen wollen – aber kaum ich auf der Straßen g’wesen bin, haben mich d’ Schandarm’ schon g’habt. Die Uhr mit der silbernen Ketten hat mich verrathen – er hat’s in die starren Finger g’halten. Viel Plag’ haben s’ net g’habt mit mir, die Herrn vom G’richt! Im Wirthshaus g’trunken und auf der Straßen g’rauft, hat’s g’heißen – und ich hab’ Ja g’sagt zu Allem.“

„Weßwegen aber hast Dich net g’wehrt?“ fuhr Karli mit bebender Stimme auf. „Weßwegen hast ihnen net g’sagt, daß Alles mehr a Unglück g’wesen is als wie a Sünd?“

„Weil ich ’s Deandl in d’ Red’ hätt’ bringen müssen! Denn mag’s an mir auch g’handelt haben, wie ich’s nie net ’denkt hätt’ von ihr – nie net! – nie! – sie hätt’ mich erbarmt in ihrer Schand’! Und ich – ich hätt’s net vertragen, daß ich vor’m G’richt ihr G’sicht hätt’ anschaun müssen Stund’ um Stund’. Und ob jetzt auch der schwere Fall, den der Ander’ auf d’ Steiner von der Straßen ’than hat, erst ’s Unglück fertig g’macht hat, schuld dran war ich ja dengerst – und drum hab’ ich mein’ Straf verdient. Aber freilich, wie mein Spruch verkündt worden is, da hat’s mir halt doch an Schrei aus’trieben – und niederg’worfen hat’s mich, wie wann mir Einer d’ Füß’ abg’schlagen hätt’. Zwölf Jahr’! Zwölf Jahr’ so mitten ’raus, das is so viel wie’s ganze Leben! Und wie s’ mich ’neing’führt haben – wie’s mir g’wesen is – aber na! Weßwegen soll ich’s sagen? Es g’spürt’s mir ja dengerst Keiner nach! Und nach die ersten paar Jahr’, da hab’ ich’s ja auch verwunden – und in Geduld hab’ ich ’tragen, was ein Tag um den andern ’bracht hat. G’rad vor der Nacht – vor der Nacht hab’ ich mich g’forchten – wann ich so g’sessen bin in der Finstern, und es hat mir mein G’wissen kein’ Schlaf net vergönnt – und wann ich mir d’ Augen blutig g’weint hab’ um mein Glück und um mein Deandl! Zwölf Jahr’ hab’ ich g’habt – und im neunten haben s’ mich g’nadigt – wegen meiner Führung. Wie ich draußen g’standen bin unterm lichten Himmel, da hab’ ich d’ Arm’ g’streckt, und aufg’schnauft hab’ ich, und wenn ich mir auch g’sagt hab’, daß mein Leben ausg’lebt is, so hab’ ich mir doch ’denkt: ich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_816.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)