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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


Ein Ehrenthurm für Friedrich Fröbel.

Fröbel’s Geburtshaus und der geplante Fröbel-Thurm in Oberweißbach.


Wenn ich meinen Freund hätte fragen können: „Was meinst Du? Würde ein Aussichtsthurm auf Deinem Lieblingsplätzchen, zu Deinem Andenken erbaut, Dir Freude machen?“ so wäre der bescheidene Mann erst blutroth geworden, dann hätte er mit niedergeschlagenem Blick gesagt: „Wäre ein Kindergarten nicht schöner?“ Und gleich darauf hätte er die glänzenden Augen erhoben und mir die Hand gedrückt mit den Worten: „Den Standpunkt erhöhen, heißt den Blick erweitern, und da fehlt’s noch sehr. Laß sie bauen!“ –

Und nun lassen wir sie bauen! – Kommt doch dieser Bau recht spät für Den, der ihn zuerst verdient hätte. Es ist keine Verletzung für den hochverdienten Barop, wenn ich ehrlich gestehe, daß der Bau des Baropthurms mir zu bald gekommen war; mußte ich doch damals (1878) die bittere Klage hören: ob von diesem Thurmbau nicht ein paar Steine für Fröbel’s noch ganz schmuckloses Grab übrig sein könnten? – Vier Jahre später ward auch diese Klage gestillt. Zur Feier von Fröbel’s hundertstem Geburtstage, am 21. April 1882, erhob sieh auf seinem Grabhügel das Denkmal, aus Würfel, Säule und Kugel bestehend (vergl. die Abbildung „Gartenlaube“ 1882, S. 265), das mit folgendem Denkspruch enthüllt wurde:

„So ragt der Denkstein nun empor und deutet
Uns Friedrich Fröbel’s Menschenbildungslehre
In festgefügtem Aufbau sinnig an.
Zu unterst steht des Würfels fester Grund;
Die Säule ist das Zeichen der Erhebung;
Zum Ganzen halten, zur Vollendung streben,
Das ist der Kugel Bild, des Wirkens Krone.

Legt fest den Grund in Kindes Geist und Herzen,
Daß stark und schön die Jugend sich erhebe
Und sei zur That bereit ein ganzer Mensch.
O könnte so auf Deutschlands Boden einst
Der Bildungsbau des ganzen Volkes stehen! –“

Vater Fröbel, der Kindergärtner, würde keinen weiteren Denkmalswunsch äußern. Seine Freunde und Verehrer bewegt eine andere Pflicht, und zwar aus folgendem Grunde.

Als im Unglücksjahr 1806 mit Preußen der letzte selbständige deutsche Staat zu Boden geworfen und sogar der Name Deutschland von der Landkarte Europas verschwunden war, erscholl (1808) Fichte’s gewaltige Stimme in seinen „Reden an die deutsche Nation“. Die Unerläßlichkeit einer völligen Verjüngung der Nation auf dem Wege einer verbesserten Volkserziehung: das war der Gedanke, welchem Fichte Geltung zu erringen strebte, und gerade unserm Fr. Fröbel erfüllte er die ganze Seele. Er hatte schon damals sich der Pädagogik ganz gewidmet, an Pestalozzi sich angeschlossen und war eben in Berlin rastlos bemüht, sich wissenschaftlich zu dem großen Beruf auszurüsten, als der Befreiungskrieg ausbrach und Jahn die kampffähige akademische Jugend zu den Waffen rief.

Auch Fröbel ward ein Lützower. Wohin aber der Krieg auch zog, seine Lebensidee zog mit, und das Glück ließ ihn unter seinen Feldkameraden die besten Helfer finden: Heinrich Langethal und Wilhelm Middendorff. Der Krieg war zu Ende, die Befreiung auch, die Lützower zogen heim, und auf Deutschland sank der trübste Himmel seiner Geschichte. Die drei Lützower waren ihrem Schwur, fürs deutsche Volk und Vaterland zu wirken, treu geblieben. In wenigen Jahren finden wir sie vereint; an der Seite gleichgesinnter Frauen, umringt von ihren Schülern, pflegten sie deutsches Herz und deutschen Geist in dem Thüringer Waldthale von Keilhau. Und als sie fühlten, daß ein philologischer Kern ihrem Lehrwesen fehle, da kam ein Student von Jena, der wollte die Anstalt sich einmal ansehen, und er besah sie und die Männer Tage und Wochen lang, bis er ganz der Ihrige ward. So kam Barop nach Keilhau.

Wie viel man auch nach den Befreiungskriegen zu beklagen hatte, wie viel von dem Geist verschwunden war, der in den Tagen tiefster Noth das deutsche Volk so hoch erhoben: nichts rief schmerzlicheres Erstaunen hervor, als die Thatsache, daß von dem gewaltigen Sturm, welchen Fichte erregt hatte, kaum noch eine Spur zu finden war. Und doch ward endlich diese Spur gefunden und erkannt: in Keilhau wahrten als treue Priester die heilige Flamme dieses Geistes fest und rein Fröbel und seine Genossen.

Das ist die patriotische That, welche einen Thurm verdient hat. – Und der Ort, ist’s der rechte? – Auf diese Höhe ist Fröbel als Knabe täglich gestiegen; dort bot sich ihm der weiteste Blick in seine schöne Heimath. Und auch von Blankenburg und Keilhau lief er manche Nacht auf diesen Berg, um hier des Sonnenaufgangs sich zu freuen und mit gestärktem Aug’ und Herzen zu seinem Tagewerk zurückzukehren. An dieser Stelle hing das Herz des Mannes! Er hat sie selbst geweiht.

Betrachten wir unser Bildchen! Das ist der Kirchberg bei Oberweißbach, auf welchem der Thurm sich erheben soll. Am Fuß des Bergs der Friedhof und davor das Pfarrhaus; die Inschrifttafel über der Thür bezeichnet es als Fröbel’s Geburtsstätte. Und an der vorüberführenden Straße, gleich am Pfarrhausgarten, zeugt ein weißes Schild für die Thätigkeit des „Thüringer-Waldvereins“, der die Pflicht auf sich genommen, den Fröbel-Thurm zu bauen.

So sind wir bei der Kasse angekommen, für die es wohl nicht noch langer Bitten bedarf. Versäume kein Fröbel- und kein Kinderfreund, dem Vorsitzenden des Thüringer-Waldvereins zu Oberweißbach, Herrn Trautner, seinen Beitrag zu senden. Es geschieht ja Friedrich Fröbel zu Ehren!

Friedrich Hofmann.




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Der Unfried.

Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer.
(Fortsetzung.)

Noch hatte Götz den Holzhof nicht erreicht, als Gregor, den Hut auf dem Kopfe, aus der Hausthür trat. Unter spöttischem Lächeln folgte er mit eingekniffenen Augen dem Knechte, steckte eine Cigarre in Brand und schlenderte, die Fäuste tief in die Taschen grabend, zum Thor hinaus. Er schien in bester Laune zu sein, wie Einer, dem irgend ein Wunsch nach Willen gerathen.

Das Ziel seines Weges war das Wirthshaus. Dort war er der einzige Gast; aber die dralle Kellnerin genügte ihm als Gesellschaft, und an ihrer Seite verkneipte er den Nachmittag.

Als er kurz vor der Dämmerung den Pointnerhof wieder betrat, kam ihm ein Bettler entgegen, der eben unter der Hausthür eine Gabe von Kuni erhalten hatte, ein ruppiger, unappetitlicher Kunde. Der zerrissene, in verzogenen Falten schlotternde Zwillichanzug, den der Alte trug, mochte seit Jahren keine Wäsche mehr erlebt haben. Was er auf dem Kopfe sitzen hatte, schien einmal eine blaue Soldatenmütze gewesen zu sein. Durch den Spalt, der den abgerissenen Lederschild von dieser Kappe trennte, hatte sich ein Büschel der borstigen grauen Haare gezwängt. Das Gesicht war fast nur Bart, welcher struppig nach allen Seiten stand, in allen Farben spielte und sich immer bewegte, als wäre der Mund, der darunter verborgen lag, unaufhörlich im Kauen. Ueber den schmutzigen Stacheln des Schnurrbartes saß eine Nase, die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_796.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)