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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

liegen bleiben und günstigen Wind abwarten. Dann kann man wohl auch an jedem Felsenzacken ein Schifflein hängen sehen, ohne daß eines im Stande wäre, dem anderen Hilfe zu bringen.

Mehrere Male bin ich genöthigt gewesen, das nächtliche Lager auf einem der schwarzen Felsen aufschlagen zu müssen, weil die heftige Bewegung des in der Stromschnelle auf und nieder schaukelnden Bootes den Schlaf verhinderte. Schwerlich kann man sich eine absonderlichere Schlafstätte denken. Der Grund, auf welchem man ruht, scheint zu erzittern vor den anstürmenden Fluthen; das Brausen und Rauschen, Zischen und Toben, Dröhnen und Donnern der Wogen übertäubt jeden andern Hall: wortlos sitzt oder liegt man auf seinem Teppiche inmitten der Genossen. Wie vorüberziehender Nebel sprüht bei jedem Windstoße feiner Dunstregen über das Felseneiland. Das belebende Lagerfeuer wirft wundersame Lichter auf das Gestein und die dunklen, an allen vorspringenden Ecken und Kanten schäumenden Gewässer, läßt aber die im Schatten liegenden Wirbel und Wasserstürze noch grausiger erscheinen, als sie sind. Zuweilen möchte man meinen, daß sie hundert Rachen öffneten, um das arme Menschenkind zwischen ihnen zu verschlingen. Doch dessen Vertrauen ist fest wie der Grund, auf welchem es sich bettete. Mag der gewaltige Strom donnern, die Brandung tosen und schäumen wie sie wollen: man ruht sicher auf Felsen, welche beiden Jahrtausende hindurch Trotz boten. Aber wenn das Tau risse und das rettende Boot an den nächsten Felsen geschleudert und zerschellt würde? Dann wird ein anderes erscheinen, um die Schiffbrüchigen an das Ufer zu bringen! Man ist im Stande, zu schlafen, ruhig zu schlafen, trotz solcher und ähnlicher Gedanken und trotz des ununterbrochenen Dröhnens; denn Gefahr giebt Muth und Muth Vertrauen, und für das betäubte Ohr wird der Donner der Wogen zuletzt zum Schlafgesange.

Am nächsten Morgen aber, welch ein Erwachen! Im Osten erglüht der Himmel im duftigsten Roth; die alten Felsenriesen schlagen einen Purpurmantel um ihre Schultern und erglänzen sodann in blitzendem Lichte, als beständen sie aus geglättetem Stahle. Licht und Schatten weben auf den schwarzen Felsenmassen und in den mit goldgelbem Sande erfüllten Schluchten das wunderbare, unbeschreiblich herrliche Farbengewand der Wüste; Tausende und Abertausende von Wasserperlen glänzen und flimmern dazwischen, und der Strom rauscht seine gewaltige, ewig gleiche und ewig verschiedene Weise dazu. Solch Schauspiel, solche Melodie füllt jedes Menschenherz mit Befriedigung und mit Entzücken. Wahrhaft andächtig verbringt man den Morgen auf seiner großartigen Schaustätte; denn erst in den Vormittagsstunden erhebt sich der regelmäßig nach Süden strömende Segelwind. Mit ihm beginnt wiederum Arbeit und Gefahr, Mühe und Kampf, Wagniß und Sorge: und so schwindet ein Tag nach dem andern, so bleibt Stromschnelle nach Stromschnelle hinter dem Schiffer.

Die Reise zu Berg ist gefahrvoll und zeitraubend, die Fahrt zu Thal ein Wagestück ohne Gleichen; denn sie ist ein tolldreistes Jagen durch Fluth und Schnelle, Strudel und Wirbel, Wasserstürze und Felsenengen, ein muthwilliges Spiel mit dem eigenen Leben.

Thalfahrten durch das Gebiet aller Stromschnellen werden nur von solchen Booten unternommen, welche im Sudan gezimmert wurden und für das untere Stromthal bestimmt sind. Etwa zehn von hundert zerschellen auf der Reise; daß nicht verhältnißmäßig eben so viele Matrosen verunglücken als Schiffe, erklärt sich einzig und allein durch die unübertreffliche Schwimmfertigkeit der nubischen Schiffer, welche nicht einmal dann immer ertrinken, wenn sie von den Wogen gegen einen Felsen geschleudert wurden, für gewöhnlich aber wie Enten mit den Wellen treiben und schließlich doch wiederum das feste Land gewinnen.

Ich will versuchen, einige Bilder solcher Thalfahrt so treu als möglich wiederzugeben.

(Schluß folgt.) 




Beschränkung der Ansteckungsgefahr in Kurorten.

Die diesjährige Reisesaison hat wieder an vielen Orten einen Uebelstand hervortreten lassen, welcher dringend Abhilfe erfordert. Einige Beispiele mögen sprechen. Eine Familie reiste mit ihrem einzigen Sohne in ein Bad. Bald nach der Ankunft erkrankt das Kind an Diphtherie und stirbt. Nachträglich bringt der Vater in Erfahrung, daß in dem von ihm gemietheten Logis kürzlich ein Kind an Diphtherie erkrankt gewesen sei; er hätte gern die größte Entschädigung gezahlt, falls ihm diese Mittheilung früher geworden wäre. – In einem andern Bade-Orte brachte eine Mutter ihr Kind in das gemeinschaftliche Kinderbad. Ein darin befindliches anderes Kind beginnt plötzlich zu husten und leidet, wie sich zeigt, an sehr starkem Keuchhusten. Das Gegentheil zeigt ein weiterer Fall. Eine Familie, deren Kinder leichtes Scharlachfieber überstanden hatten, reisten vier Wochen nach dem Beginn der Krankheit in eine Sommerfrische. Ihr Haus bildete den Herd für eine Scharlachepidemie, welche sämmtliche Fremden zum großen Nachtheile der Einwohner aus dem Städtchen vertrieb.

Jeder unserer Leser wird ähnliche Beispiele anzuführen wissen; sie charakterisiren das von jedem Arzte zu bestätigende Faktum, daß bei Ausbruch ansteckender Krankheiten in fremden Familien mit peinlicher Sorge darüber gewacht wird, daß ja keines von den nicht erkrankten Kindern z. B. zu früh die Schule besuche, während andererseits bei einem ähnlichen Fall in der eigenen Familie die Eltern über diese lästige Maßregel der Schulenthaltung Gesunder, welche aber den Ansteckungsstoff mit sich führen können, lieber schneller hinwegzukommen suchen.

Das Reisen hat in den letzten Jahren einen Umfang erlangt wie nie zuvor. Zur Erleichterung der Fortbewegung (Rundreisebilletts etc.) tritt das Gefühl der Nothwendigkeit für die meisten Kreise hinzu. Die Zeiten, in denen ein Plauderstündchen auf den Steinsitzen vor der Thür die Geschäftssorgen vergessen ließ, sind selbst in den kleinen Städten vorüber; das hastige Leben der Jetztzeit erfordert aber dafür, wenn irgend möglich, ein Ausruhen von der Arbeit für einige Zeit. Mit diesem Vielreisen wird aber ein größerer Transport von ansteckenden Krankheitskeimen vorzüglich zur Zeit der Reisesaison nothwendig herbeigeführt: eine Thatsache, welcher bisher viel zu wenig Rechnung getragen worden ist.

In Sommerfrischen und Bädern sind lokalgesetzliche Bestimmungen erforderlich und leicht herbeizuführen, daß Fremde, in deren Familien Diphtherie und Scharlach geherrscht haben, nicht vor acht Wochen nach Beginn der Erkrankung solche Orte auf längere Zeit besuchen; bei Masern genügt eine kürzere Zeit von drei Wochen. Ausgebrochene ansteckende Krankheiten sind aber anders zu bekämpfen als bisher.

Die Familien sind nicht, wie leider häufig geschieht, schleunigst des Landes zu verweisen oder in einer Art Armenhause unterzubringen, sondern es müssen in den Kurorten einige Zimmer vorhanden sein, welche, wegen der später nothwendigen Desinfektion, mit dem einfachsten Meublement eingerichtet, einen billigen Aufenthalt für solche Erkrankte bieten. Das vorher innegehabte Logis soll während dieser Saison nicht wieder vermiethet werden und gebührt dem Besitzer eine Entschädigung durch die Gemeinde. Diese geringen Ausgaben können auf gleiche Weise durch die Badetaxe bestritten werden, wie Koncerte und die Verschönerung der Wege. In Thüringen, wo durch das Zusammenwirken der Mehrzahl der Bäder schon viel Ersprießliches zum Wohle der Besucher geschaffen wurde, stand dieser wichtige Gegenstand auf der Tagesordnung des im Oktober stattgefundenen Bäderverbandstages und in derselben gelangten nachfolgende Paragraphen zur Annahme:

„1) An Scharlachfieber leidende Kranke sind, so lange die Gefahr der Ansteckungsfähigkeit nach Ausspruch des Arztes besteht, zu isoliren und jedenfalls aus Kur- und Logirhäusern in eine Wohnung, wo Isolirung stattfinden kann, zu überführen; überhaupt ist möglichst Sorge dafür zu tragen, daß das Scharlachfieber nicht auf andere Gäste übertragen werden kann.

2) Keuchhustenkranke Kinder dürfen, so lange das Stadium der Ansteckung bei ihnen besteht, nur in bestimmten, bekannt zu machenden Stunden die Kuranstalten besuchen und sind, um eine Uebertragung der Krankheit auf andere Kinder möglichst zu vermeiden, auch von dem Besuche der gemeinschaftlichen Mittagstafel, der Koncerte und Vergnügungen und gemeinschaftlichen Promenaden fern zu halten. Die einzelnen Bäder haben in geeigneter Form für die Bekanntmachung dieses Beschlusses Sorge zu tragen.“

Dieser Beginn einer Reform auf dem Gebiete des Badewesens ist freudig zu begrüßen. Erst allmählich kann mehr erzielt werden. Die Maßregeln sind überall leicht einzuführen, und schon durch sie wird sicher die ausgebrochene ansteckende Krankheit leichter beschränkt. Zur Verhinderung der Einschleppung muß aber noch auf strengere Weise durch das Mitwirken der Fremden und ihrer Hausärzte vorgegangen werden. Manche Eltern brauchten dann mit weniger Schmerz an eine vergangene Reise zurückzudenken.

Einen Hauptübelstand in der Sommerfrische bilden immer noch die Kinderbettstellen. Gerade durch sie ist eine Ansteckung leicht möglich, und ist es zu verwundern, daß in unserer so praktischen Zeit noch keine Reisebettstellen für Kinder geschaffen wurden. Familien mit Kindern suchen während ihrer Ferien fast immer nur einen Ort auf, nach welchem gewöhnlich eigene Betten mitgenommen werden. An Kinderbettstellen herrscht aber dort fast immer Mangel. Der geringe Kostenbetrag einer solchen Reisebettstelle, welche beim Transport nur aus einem Bündel eiserner Stäbe bestehen dürfte, die, durch Schrauben verbunden, schnell ein Bett bilden, wird durch den Ausfall der Bettpreise in der Sommerfrische schnell gedeckt. Dr. Taube–Leipzig.     



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