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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

machen. Etwas Rechtes hatte der Legationsrath nicht vorzubringen, dazu war die Sache von zu großer Einfachheit: mit Geld sogleich und ohne Geld niemals erledigt. Malköhne nahm zu Detailfragen seine Zuflucht, begierig auf eine Gelegenheit, sich vorläufig für befriedigt zu erklären und um das Erscheinen Edith’s zu bitten. Er notirte sich mit überaus wichtiger Miene alle Aussagen Glowerstone’s, die nicht die geringste Bedeutung hatten, und dankte seinem Schöpfer für den Zufall, daß, ehe er noch eine vorläufig abschließende Redensart ausgesonnen hatte, ein neuer Besuch sich melden ließ.

„Ludwig von Perser,“ sagte Glowerstone nachdenklich, als er die Meldung empfangen hatte, und Malköhne war in hohem Grade überrascht, daß sein neugeworbener Sekretär, von dem er geglaubt, daß er um dieselbe Zeit gerade in Wiesbaden eintreffen werde, sich zuerst hier einfand.

„Das ist ein alter Freund von mir,“ erklärte Sir Albert, wie sich Glowerstone gern nennen ließ; „wir haben uns wohl schon fünfundzwanzig Jahre nicht gesehen und ich habe gewisse Verpflichtungen gegen ihn. Ich würde ihn trotzdem fortschicken, Herr Legationsrath, wenn Sie eine Unterbrechung unseres Geschäftes nicht wünschen.“

„Im Gegentheil,“ beeiferte sich Malköhne zu versichern, „er ist auch mir sehr willkommen, und während Sie sich mit ihm unterhalten, kann ich überlegen, was ich hier notirt habe. Am besten wäre es zu diesem Zwecke, wenn ich mich mit Fräulein Edith besprechen könnte.“

„Um zu überlegen?“ rief Glowerstone, dem diese Logik nicht einleuchten wollte, „und meine Tochter versteht gar nichts von solchen Dingen. Indessen, wie es Ihnen genehm ist, ich will Alles, was dem Ministerium gefällig ist. Wünscht es, sich mit Edith zu unterhalten, so sei’s.“

Er ließ Perser eintreten und gab Befehl, Edith zu rufen. Seine Begrüßung des Jugendfreundes war ganz, wie es anständig und herkömmlich ist. Glowerstone wurde niemals warm, wo er nicht unmittelbar einen Vortheil für sich gewahrte. Perser war ebenfalls nicht gerade von Rührung überströmend, und nachdem er Malköhne die Hand gedrückt und sich in dem einzigen gepolsterten Lehnstuhl niedergelassen hatte, sagte er:

„Ich bin in Geschäften hier, Glowerstone! ich hätte nicht die Zeit, eine Scene des Wiedersehens aufzuführen. Ja, Herr Legationsrath, ich habe den Weg direkt über Mainz genommen und will erst von hier aus meinen Dienst in Wiesbaden antreten. Das Geschäft hier ist wichtig, aber kurz. Ich habe den Wagen unten.“

„Sie kommen also nicht aus Paris, lieber Baron, sondern aus der Hauptstadt?“ fragte Glowerstone.

Perser bejahte und mußte sich in demselben Augenblicke aus seinem bequemen Polstersitze wieder erheben, weil Edith eintrat. Sie lächelte beim Wiedersehen Perser’s freundlicher als früher bei der ersten Begrüßung Malköhne’s, gerade weil der Baron sich nur mit ihrer Erinnerung an das Haus der Gräfin, nicht mit einer persönlichen Regung ihres Gemüthes verknüpfte. Perser verschwieg nicht, daß er Eile habe, das Geschäft, das ihn hierher geführt, zu Ende zu bringen. Sich streng an den Auftrag der Geheimräthin haltend, wollte er ihr Vorhaben, in die Gegend zu kommen, erst ankündigen, nachdem er Gewißheit erlangt haben würde, daß in der That ein verkäufliches Gut vorhanden wäre. So machte er denn kein Hehl daraus, daß er mit Glowerstone über einen wichtigen Gegenstand zu verhandeln wünschte. Sir Albert brauchte nur von etwas Neuem zu hören, das wichtig genannt wurde, und sogleich stiegen goldene Berge vor ihm auf, wie viele auch schon spurlos wieder eingesunken waren. Gleichwohl drückte er stets eine philosophische Resignation aus, als ob ihm Nichts mehr auf Erden wünschenswerth wäre.

„Ach, meine Herren“ sagte er, „man sollte in dieser Welt Nichts beachten, was zum alltäg!ichen Treiben, zu sogenannten Geschäften gehört. Wie wenig braucht der Mensch, um glücklich zu sein! Müßiggang mit Würde, so übersehe ich mir die Weisheit der Alten. Indessen kann ich Ihnen in meiner philosophischen Bedürfnißlosigkeit keine andere Gastfreundschaft bieten, meine Herren, als auf Ihre Wünsche einzugehen. Sie wünschen Edith zu sprechen, Herr Legationsrath, hier ist sie; Sie wünschen mich zu sprechen, Herr Baron, kommen Sie mit mir!“

Er nahm den Arm Perser’s und geleitete ihn in seine sogenannte Studirstube, einen unmittelbar an die Küche grenzenden Raum, der mehr ein Erker als eine Stube war.

„Kann ich Ihnen mit einem Glas Aepfelwein aufwarten?“ sagte Sir Albert, der mit der Armseligkeit seiner Lage gewissermaßen Parade machte, weil ihm dadurch das Heroische seiner Resignation erst recht zur Geltung zu kommen schien. Beide hatten Platz genommen, und Glowerstone war innerlich entzückt, einen Mann allein sprechen zu können, der eben aus der Hauptstadt gekommen; denn der Vater Edith’s hatte nicht überhört, daß sie sich in Bezug auf den Legationsrath mit einer bei ihrer sonstigen kühlen Gelassenheit auffallenden Wärme geäußert hatte, und er hätte daran sogleich sanguinische Hoffnungen geknüpft, wäre nicht zu fürchten gewesen, daß dieser Siegfried Malköhne, dem er in der Hauptstadt nirgends begegnet war, ein mittelloser kleiner Beamter wäre. Darüber mußte Perser nach der Meinung Sir Albert’s genügend Aufschluß geben können. Allein der Baron zerstörte diese Erwartung.

„Ich bin erst vor einer Woche aus Paris gekommen, kenne die neuen Verhältnisse der Stadt noch gar nicht und am wenigsten die einzelner Personen, die ich nicht schon früher gekannt habe. Dieser Herr Malköhne hat mich auf Empfehlung der verwittweten Geheimräthin Forstjung für ein diplomatisches Geschäft gewonnen; weiter weiß ich nichts von ihm.“

„Das wäre fatal,“ brummte Glowerstone kaum vernehmbar in sich hinein, „wenn der jetzt immer größern Eindruck auf Edith machte, und es wäre eine hoffnungslose Sache.“

„Die Geheimräthin Forstjung,“ fuhr Perser fort, „könnte Ihnen genügend Auskunft geben, und dieser Frau wegen bin ich hier.“

Er berichtete nun über das Vorhaben Brigitta’s, sich in der Gegend anzukaufen, wenn irgend etwas für sie Brauchbares ganz in der Rähe von Glowerstone’s Besitzung ausgeboten würde. Sir Albert sprang auf und würde, wenn er nicht seine philosophische Würde beachtet hätte, Perser umarmt haben. Da war ja plötzlich ein Käufer für Alles und eine Frau konnte man schon gehörig herumkriegen. Er setzte den Sachverhalt aus einander, schwur, daß er Abscheu davor habe, durch diesen Legationsrath unmittelbar mit der Regierung verkehren zu müssen, rühmte das Haus des Pächters, die Lage, die Gegend, den Ertrag und würde noch lange nicht aufgehört haben, wenn Perser, der genug wußte und sich um weiter Nichts zu kümmern brauchte, nicht erklärt hätte, daß er den Wagen nicht länger warten lassen wolle.

„Sie werden Alles der Geheimräthin selbst sagen,“ sprach er eilig! „nicht wahr, sie kann sich ganz an Sie wenden? Jetzt fahre ich nach Wiesbaden, um ihr sogleich zu telegraphiren; sie wird übermorgen schon hier sein.“

„Sie haben einen Wagen,“ bemerkte Glowerstone, der niemals eine Gelegenheit versäumte, kostenfrei nach der Stadt zu fahren; „ich muß Sie begleiten, ich habe Ihnen noch viel zu sagen. Und dann, wir vergessen ja das Wichtigste, wir sind ja alte Freunde und haben noch gar nicht von alten Zeiten gesprochen. Glauben Sie mir, das ist nöthiger als die sogenannten Geschäfte, die ich verachte.“

Er hatte während dieser Rede die Thür geöffnet und der Köchin durch einen Wink angedeutet, was er haben wollte. Sie brachte ihm den Winterrock, Hut und Stock, und ohne in seinem Eifer zu bedenken, daß er sich früher noch von seinem andern Gaste hätte verabschieden müssen, folgte er Perser zum Wagen. Dem Baron war es lieb, noch in Erfahrung bringen zu können, welches Absteigequartier er der Geheimräthin telegraphisch anweisen sollte! denn offenbar lag ihr viel daran, in nächster Nähe des zu besichtigenden Gutes sich aufzuhalten.

„Wir haben gegenüber ein Hôtel,“ erklärte Glowerstone, während sie dahinfuhren, „ein prächtiges Etablissement. Im Sommer ist es zu klein für die andrängenden Fremden. Weine und table d’hôte sollen vorzüglich sein. Sie wissen, ich verachte solche Dinge. Jetzt ist es überflüssig groß. Meine Kousine Isabel, Sie wissen ja, die jetzige Gräfin Surville, die so wenig philosophisch ist, daß sie sich mit meiner Erkerstube nicht begnügen wollte, bewohnt das Hôtel. Sie reist freilich mit drei Personen, einer Gesellschafterin, einer Kammerfrau, die der Reisemarschall ist, und einer Zofe. Welche Thorheit, sich das Leben so schwer zu belasten, wenn man es so leicht nehmen kann!“

Perser achtete nicht sehr auf die Rede seines Gefährten. Dem Baron waren quälende Gedanken aufgestiegen. Wußte Brigitta nicht, daß Malköhne sich bei Glowerstone einfinden würde? Das war nicht anzunehmen. Weßhalb hatte sie dann nicht ihren Auftrag lieber diesem Freunde gegeben, der ihr

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