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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Es genügt vollkommen, nur einmal gesehen zu haben, wie die Ausübung der allgemeinen Massage geschieht. Gelegenheit aber zum Sehen hat doch Jeder, da man sich hierzu nur einmal von einem Masseur oder einer Masseuse in einem römischen Bade etc. massiren zu lassen braucht.

Gewöhnlich wollen Personen, die irgendwie ihren Beruf verfehlt zu haben glauben, durch die Erlernung der Massage einen leichten und einträglichen Erwerbszweig erringen; sie hoffen dabei, auf bequeme Art zum Prakticiren, eigentlich Kurpfuschen, zu gelangen. Kommen Einem doch hin und wieder Zeitungsnotizen zu Gesicht über Personen niederen Standes, welche durch die Ausübung der Massage bei hochgestellten Persönlichkeiten Eingang fanden. Durch solche Nachrichten verleitet, geben nun Viele für die Erlernung der Massage ihre letzten mühsam erworbenen Ersparnisse aus und warten dann auf Praxis. Auf diese Art haben wir in Berlin schon einige hundert Masseure und Masseusen. Hierbei ist noch zu bemerken, daß in den letzten Jahren in dem Maße, wie die Zahl der ihre Dienste anbietenden Masseure und Masseusen zunimmt, die Zahl der Kranken, welche die Dienste Jener beanspruchen, sich vermindert; denn die Massage als Heilmittel für Kranke wird immer mehr und mehr in ihrem wahren Werthe und ihrer richtigen Beschaffenheit von Aerzten erkannt, wodurch dann selbstverständlich ihre Ausübung durch Nichtärzte mehr und mehr als unstatthaft verworfen wird.

Es würde mich freuen, Herr Redakteur, wenn diese meine Zeilen vielleicht dazu dienen würden, irgend Jemand vor Enttäuschungen zu bewahren. Nur zu oft kommen zu mir ‚ausgelernte Masseusen‘, Arbeit suchend, welche nach zwei bis drei Jahren noch nicht den für das Lehrgeld ausgegebenen Betrag durch Ausübung der Massage wieder erworben haben.

Dr. Zabludowski.“


Blätter und Blüthen.

Richard Böhm. Nach dem Tode dieses tüchtigen Afrikareisenden sind seine Briefe aus Ostafrika unter dem Titel „Von Sansibar zum Tanganyika“ von Hermann Schalow (Leipzig, F. A. Brockhaus) herausgegeben worden, der diesen Briefen eine dankenswerthe biographische Skizze vorausgeschickt.

Richard Böhm war am 1. Oktober 1854 in Berlin geboren, ein Sohn des bekannten Arztes, Geheimen Medicinalrathes Böhm, dessen plötzlicher, durch eine Blutvergiftung herbeigeführter Tod in Berlin die weitestgehende Theilnahme wachgerufen. Im Jahre 1874 verließ Richard Böhm mit dem Zeugniß der Reife nach einem glänzenden Examen das Wilhelmsgymnasium. Schon von der frühesten Jugend an hatte er sich zur Thierwelt hingezogen gefühlt, namentlich zu den höher organisirten Thieren, die er in ihrem ganzen Leben und Treiben beobachtete: er liebte es, in Wald, Feld und Bruch in den märkischen Heiden umherzuschweifen, und war glücklich, wenn er irgend eine neue Entdeckung in Bezug auf das Leben der Thierwelt machen konnte. Auch war er leidenschaftlicher Jäger und konnte dieser Passion auf den ausgedehnten Gütern seines Onkels, des Grafen Plessen auf Ivenack, welche viele wildreiche Gefilde enthielten, in vollem Maße fröhnen.

Zuerst studirte er an der Akademie zu Lausanne, dann in Jena, wo er ein begeisterter Jünger Häckel’s wurde, dessen Lehren er mit einer Fülle von Scharfsinn gegen die Gegner des Darwinismus zu vertheidigen suchte.

Während seiner Studienzeit arbeitete Böhm sehr fleißig; an dem studentischen Leben und Treiben fand er keinen Gefallen. In Berlin setzte er seine Studien fort, besonders auf dem Gebiete der Zoologie und vergleichenden Anatomie. Im Jahre 1877 promovirte er in Jena und beschäftigte sich auf Häckel’s Anregung vorzugsweise mit den Medusen, jenen niedern gallertartigen Meerthieren, wozu er auch in Helgoland Studien machte. In Berlin bereitete er sich für die afrikanischen Reisen vor, die er schon früher geplant hatte, indem er die Erforschung der afrikanischen Thierwelt zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Seine Erholung bestand in Zeichnung und Aquarellmalerei, wofür er eine hervorragende Befähigung besaß; noch sind Mappen und Bände voll unzähliger Skizzen und Entwürfe von ihm vorhanden. Ein Vortrag, den er 1880 im Stettiner ornithologischen Verein hielt, enthält köstliche Schilderungen der Eigenthümlichkeit der so oft mit Unrecht geschmähten Mark Brandenburg.

Anfangs beabsichtigte Böhm, mit dem Major von Mechow nach Westafrika zu gehen; später aber entschloß er sich, einem Rufe der Deutschen afrikanischen Gesellschaft zu folgen und sich zur Gründung von Stationen nach Ostafrika zu begeben. Er lernte vor der Abreise noch mit großem Eifer Arabisch und die Suahelisprache. Seine Lehrerin in der letzteren war Frau Ruete, die bekannte Prinzessin Salima von Sansibar, die damals in Berlin lebte.

Im April 1880 verließ Böhm mit seinen Begleitern Berlin, um eine Reise anzutreten, auf der ihn größere Unglücksfälle heimsuchten, als sie die meisten Afrikareisenden erlebten. In Sansibar angekommen, traf er die nöthigen Vorbereitungen für den Marsch in das Innere. Während die Karavanen organisirt wurden, machte Böhm Ausflüge, um die Insel Sansibar sowie einige Theile des gegenüberliegenden Küstenstrichs kennen zu lernen: er entwarf von diesem Gebiet die reizendsten Schilderungen. Am 27. Juli erfolgte der Aufbruch von Bagamojo zur Abreise in das Innere. Nach einer anstrengenden Wanderung von zwei und einem halben Monat traf man in Tabora ein; das weiter nach dem Tanganyikasee hin gelegene Kakama wurde dann zur Station gewählt und diente ein Jahr hindurch den Reisenden als Aufenthaltsort. Von hier aus besuchte Böhm vorzugsweise den Ugellafluß zur Erforschung des dortigen Thierlebens. Sein Begleiter, der Ingenieur Reichard, hatte ihm eine Jagdhütte, Weidmannsheil, errichtet und ein Kanoe gezimmert. Hier bearbeitete Böhm seine Sammlungen und schrieb seine Briefe, hier war seine eigentliche Station. Einer Einladung der Sultanin von Ugunda, Discha, folgend, siedelten die Genossen nach des Landes Hauptort, Igonda, über. Böhm unternahm, während Reichard die Uebersiedelung leitete, eine Reise nach dem Tanganyikasee und erreichte Karema, wo sich die belgischen Reisenden niedergelassen, auf einem bisher noch ganz unbekannten Wege. Böhm hatte ein heftiges Fieber durchzumachen; die Rückreise ging über unebene Wege, oft durch strudelndes, bis zum Gürtel reichendes Wasser.

In Igonda entwarfen die Reisenden Pläne für den weiteren Vormarsch ins Innere; Böhm widmete sich inzwischen den gewohnten Studien in Weidmannsheil. Da brach plötzlich ein furchtbares Unglück über ihn herein: von einigen seiner Leute war das Gras in der Nähe des Lagers angezündet worden. Die Flamme griff plötzlich um sich, die Hütten fingen an zu brennen und in kurzer Zeit war Weidmannsheil ein schwarzer, rauchender Schutthaufen. Böhm hatte Alles verloren, was er besaß, mit Ausnahme des Wenigen, was er gerade auf dem Leibe hatte. Verbrannt waren nicht nur seine gesammte Ausrüstung, nicht nur alles Material zum Sammeln, Präpariren und Konserviren, sondern auch alle seine schriftlichen Aufzeichnungen, seine in Europa gemachten faunistischen Zusammenstellungen, seine Excerpte, Notizen, Abbildungen, alle seine Tagebücher, seine zoologischen Journale und Sammlungen, botanischen Notizen, über 90 Blatt große Aquarelle und die vor Kurzem zu Ende geführten Arbeiten. Eben so waren der Expedition die ganze Munition für die Gewehre, das Archiv, die Kopirbücher durch den Brand geraubt worden.

Es bedurfte längerer Zeit, ehe die Expedition den Weg ins Innere antrat. Denn wiederum war Böhm verhindert, den Tanganyikasee zu überschreiten, da er bei der Erstürmung des Wawendeortes Katakwa eine schwere Wunde erhalten. Am Lufuko, im Lande der wilden Warungu, vereinigte er sich dann jenseit des Sees mit dem vorausgegangenen Reichard. Seitdem fehlten lange Zeit alle Nachrichten. Erst im Mai 1885 kam ein Brief von Reichard an, der berichtet, daß Böhm am 27. März 1884 am Fieber nach zehntägigem schweren Krankenlager, während der Belagerung von Katapaena, drei Tagereisen südlich von dem Upämbesee, den die Reisenden zuerst entdeckt, gestorben sei.

Böhm hatte ein Alter von noch nicht 30 Jahren erreicht; wie Wenige hatte er sich wissenschaftlich auf seine große Reise vorbereitet; er war ein junger Gelehrter, der sich schon einen Ruf in seinem Fach verschafft hatte. So haben wir ein Recht, diesem tapfern und edeln Märtyrer wissenschaftlicher Forschung ein ehrendes Angedenken zu weihen.

Die Lastträger in Konstantinopel. Es trägt zwar jeder Sterbliche sein Päckchen mit sich; aber in allen Ländern giebt es eine Menschenklasse, die zu den unfigürlichen Lastträgern der Erde gehört und Hab und Gut der andern auf ihrem Rücken zu schleppen verdammt ist. Diese Klasse ist in manchen Ländern sehr gering geschätzt – wir erinnern nur an die chinesischen Kuli. Anders ist’s in der Türkei. A. E. Lux theilt uns in seiner Schrift über die „Balkanhalbinsel“ (Freiburg, Herder) mit, daß die Lastträger in Konstantinopel, Hamals genannt, eine eigene Zunft bilden, deren Ehrenmitglied der Großvezier als Hamal des Reichs ist. Bei den jetzigen türkischen Zuständen hat der Großvezier allerdings eine Riesenlast zu tragen und verdient es in der That, ein Ehrenmitglied der Zunft zu sein. Die Zahl der Hamals in Konstantinopel beläuft sich aus 10 000; das würde schon die Einwohnerzahl einer ansehnlichen deutschen Stadt sein. Dies ist begreiflich bei dem Mangel an Lastwagen sowie bei dem Umstande, daß dieselben wegen der engen, oft auf- und absteigenden Gassen nur selten gebraucht werden. Der Transport der Waaren geschieht daher meist durch Menschenkraft.

Die Hamals sind durchweg wettergebräunte, athletische Männer; sie befördern die Lasten ausschließlich auf dem Rücken, auf welchem sie als Unterlage ein gutgepolstertes Kissen tragen. Den Oberleib stark nach vorn geneigt, tragen sie auf diese Weise auch Kisten von bedeutender Größe, Lasten von fast unglaublichem Gewicht (5 bis 6 Centner). Oft ragt die Last weit über den Kopf hervor; dann ist es für den Hamal unmöglich, nach vorn zu sehen, geschweige denn auszuweichen. Er ruft alsdann unter seiner Last nur das warnende varda! und Jedermann, der nicht unsanft mit den Kisten und Kasten in Berührung kommen will, beeilt sich, dem Rufe Folge zu leisten und bei Seite zu springen. Und nicht allein Fußgänger, auch Reiter und Wagen müssen dasselbe thun. Konstantinopel sich ohne Hamals zu denken, ist absolut unmöglich; ja, kommt man bei schlechtem Wetter an eine von Koth und Schmutz starrende Stelle, so ist es wieder der rettende Hamal, welcher Mann und Frau um ein geringes Entgelt darüber hinwegträgt. Er ist Lastträger und Kommissionär zugleich und, was die Hauptsache ist, vollkommen zuverlässig und ehrlich.

Treibjagd im Walde. (Mit Illustration auf S. 769.) Auf einer Waldtreibjagd bin ich auf einem Felsen angestellt, der wie eine Warte die Dickung überragt, welche eben getrieben werden soll. Es ist ein schöner Stand hier oben. Die Bergwellen, Schluchten und Wiesengründe – der Buchenwald, dessen vergilbte Blätter die Sonne so goldig überstrahlt – wie hat heute gerade die Natur all ihren Zauber ausgegossen über die Waldlandschaft zu meinen Füßen und in der Ferne über die Ebene mit dem blinkenden Strome, den Dörfern, der Stadt und dem dunklen Gemäuer des in bläulichem Duft fast verschwindenden Klosters – aber das Alles vermag die Blicke nur so lange zu fesseln, bis ein Hornsignal das Echo und das Geklapper und Geschrei der Treiber weckt. Die gespannte Flinte ist ein eigen Ding – sie macht Gedanken und Augen zu willigen Sklaven.

Dieser Stand hat noch seinen besonderen Reiz. Von hier aus kann man jedes hochwerdende Wild auf den kleinen Blößen und Wegen in der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 771. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_771.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)