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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Gedanken jedoch sah sie, ohne zu sehen, nur gespannt, aus dem Munde des theueren Mannes etwas zu vernehmen, was geeignet gewesen wäre, sie von ihrer stummen Qual zu erlösen.

Er entfaltete, was er in der Hand trug, und es zeigten sich allerliebste Arbeiten aus dem Atelier der Goldschmiedekunst, mit Edelsteinen besetzte Nippessachen für den Tisch, die Etagère und die Plattform über dem Kamin.

„Ich habe einen schrecklichen Verrath begangen,“ sagte er lächelnd, und das Lächeln hinderte nicht, daß Brigitta erschrak und ein Geständniß erwarten zu können glaubte. Allein es war anders gemeint. Er war bei einer Dame ihrer Bekanntschaft vor einigen Tagen zu einem kleinen Diner gewesen, und die Dame hatte ihm einige pikante Stellen aus einem Briefe Brigitta’s vorgelesen. Der Legationsrath hatte es diplomatisch anzufangen gewußt, den ganzen Inhalt des Briefes kennen zu lernen, und daraus ersehen, daß Brigitta bei Carmisoli Umschau gehalten. Im Briefe war genau beschrieben, was sie entzückt hatte und was ihr viel zu theuer gewesen, um es anzuschaffen. Das Beschriebene lag nun vor Brigitta, und weil sie in ihrer gedankenvollen Zerstreutheit noch immer nicht recht verstand, was damit beabsichtigt war, beugte er unter scherzenden Worten ein Knie und legte ihr das Mitgebrachte zu Füßen.

Er nahm keinen Anstoß daran, daß sich ihre Züge nicht erhellen wollten, daß ihr Lächeln und ihr Dank fast den Anstrich von Geistesabwesenheit hatten. Beide waren lange schon auf dem Punkte, Alles ohne Scheu von einander anzunehmen, und welcher Strom lachender Worte hätte ihm zu andern Zeiten sein Geschenk vergolten! Er achtete nicht der kühlen Aufnahme; er war unverkennbar von seinen eigenen Angelegenheiten ganz erfüllt.

„Denken Sie, Brigitta,“ sprach er, sich nicht wieder setzend, sondern im Zimmer umher gehend; „ich muß den Gang gestern zu Carmisoli wie ein Schicksal betrachten; aber es steckt eine lange Geschichte dahinter und ich bin so ungeduldig, daß ich mir allen Effekt verderbe und die Pointe gleich an den Anfang stelle.“ Er ließ sich jetzt neben ihr auf dem Sofa nieder und ergriff ihre Hand.

„Wissen Sie, theure Brigitta,“ sprach er sichtbar mit einiger Beklommenheit; „wissen Sie, was dieser Kram eigentlich bedeuten soll?“

Er nahm die Sachen vom Boden auf, stellte sie in einer gewissen Ordnung auf den Tisch und fügte hinzu:

„Das Spielzeug soll Sie an mich erinnern in meiner Abwesenheit, ich verreise.“

Die Geheimräthin erblaßte. In den fünf Jahren ihrer Bekanntschaft hatten sie sich niemals so weit getrennt, daß sie an verschiedenen Orten gelebt hätten. Wenn er im Sommer Urlaub nahm, dann reisten sie zwar getrennt, aber nur, um sich in Tirol oder in einem Seebad des Nordens gleich wieder zusammenzufinden. Selbst ihre regelmäßigen Zusammenkünfte, wenn sie in der Stadt waren, erfolgten fast täglich und nur die passenden Stunden wurden nach Umständen gewechselt. Der Ruf der Geheimräthin hatte unter dieser langen treuen Verbindung nicht gelitten, zunächst, weil mit großer Geschicklichkeit allgemein der Glaube erweckt worden war, sie sei eine ältere Verwandte Siegfried’s, eine Art Tante, sodann, weil, wo diese Annahme nicht ausreichen wollte, die Welt für die Ausdauers, die konsequente Treue eines Verhältnisses, das sich jahrelang hinzieht, ohne durch einen Zwischenfall von sich reden zu machen, immer nachsichtig und tolerant ist.

Zum ersten Male stand der Geheimräthin eine Trennung bevor. Sie zwang sich aber zur Gelassenheit in ihrer ersten Gegenrede:

„Das steht gewiß in Zusammenhang mit Ihrem neuen Abgott, Albert Glowerstone.“

Er lachte und behauptete, der Abgott sei eine der langweiligsten Kreaturen auf dieser Erde.

„Ich.muß gestehen,“ plauderte er, „daß ich ihm vielleicht Unrecht thue. Denn selbst gesprochen habe ich ihn gar nicht, ihn immer nur aus der Ferne beobachtet, weil ich drauf bedacht war, daß er mich nicht in meiner wahren Eigenschaft kennen lerne. Es gehört dies zu der politischen Intrigue, die mich so sehr beschäftigt.“

Mit anscheinendem Gleichmuth fragte Brigitta, weil sie jetzt den richtigen Moment dazu gekommen glaubte:

„War dieser Mann vom Rheine mit dem englischen Namen ganz allein in der Hauptstadt, ohne irgend eine Begleitung seiner Angehörigen?“

Eine Sekunde lang blitzte das Auge Siegfried’s in einem auf Brigitta gerichteten Blicke der Befremdung.

„Ich weiß nur, daß er während seines Aufenthaltes hier ganz allein gewohnt hat, wie ein Junggeselle,“ war die ruhige Antwort. Nach einer kurzen Pause setzte Siegfried seine Mittheilungen fort:

„Sie haben errathen, Brigitta, daß der Fall mit Glowerstone großen Eindruck auf mich gemacht hat. Ich habe Ihnen niemals etwas Thatsächliches verschwiegen, das in mein Leben eingriff. Aber durch bloße Kombinationen fürchtete ich, Sie zu langweilen. Nun hat sich aber endlich etwas Faktisches ergeben; es veranlaßt sogar meine Abreise und so wuß ich Ihrer Langeweile Trotz bieten und Sie müssen Alles hören.“

(Fortsetzung folgt.)




Vom Nordpol bis zum Aequator.

Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Edmund Alfred Brehm.
Land und Leute zwischen den Stromschnellen des Nil.
(Fortsetzung.)


Während des niederen Wasserstandes treibt der nach und nach entstandene Buschwald neue Zweige; während der Nilschwelle überfluthen die Wogen Insel und Wald. Höher und höher schwillt der Strom; heftiger und stärker drängen die Wogen: die Weiden beugen sich ihnen, klammern sich aber um so fester zwischen den Felsen an. Monatelang begräbt sie der Schwall bis auf einzelene Zweige, welche noch über die sprudelnde und zischende Fläche des Wasserspiegels emporragen; ihre Wurzeln aber haften fest, und mit neuem Lebensmuthe sprossen die Gesträuche, sobald die Hochfluth wiederum sich verlaufen hat. An solchen Stellen der grausigen Wildniß bemerkt man auch thierisches Leben, wie man es an anderen Stellen des Nilthales beobachtet. Im Weidichte hat ein und das andere Paar der lebhaften und schreilustigen Nilgans sich angesiedelt, auf dem Felsen daneben eine zierliche Bachstelze Wohnung genommen; von den Uferwänden hernieder klingt der Gesang der Blaumerle oder des Trauersteinschmätzers; um die blühenden Mimosen macht sich der erste Tropenvogel, welchem man begegnet, ein prächtiger Honigsauger, zu schaffen; dann und wann stößt man auch wohl auf ein Volk kleiner zierlicher Felshühnchen. Alle die genannten und noch einige andere mehr bilden die spärliche thierische Bevölkerung des Felsenthales, und nur während der Zugzeit gesellen sich ihr oft sehr zahlreich auftretende Vogelheere, welche dem Strome, ihrer Heerstraße nach dem Innern Afrikas, folgen und dabei hier oder dort im Thale ausruhen von der Reise. Sie aber eilen so schnell als möglich von dannen, weil das Felsenthal nicht im Stande sein würde, sie auch nur für einige Tage zu ernähren: begreift man doch oft kaum, wie jene ihr tägliches Brot finden.

Und dennoch sind sie nicht die einzigen Siedler in dieser Wasserwüste. Es giebt auch Menschen, welche letztere ihre Heimath nennen. In meilenweiten Abständen stößt man auf eine dürftige Strohhütte, in welcher ein Nubier mit seiner Familie sein armseliges Leben verbringt. Eine kleine, mit fruchtbarem Schlamme ausgefüllte Bucht zwischen den Felsenwänden des Ufers, vielleicht sogar nur ein an letztere angeklebtes Schlammbeet, bilden das kärgliche Besitzthum, welches er bewirthschaftet. Im ersteren Falle ist er ein Reicher, verglichen mit dem Armen, welcher nur über ein derartiges Beet verfügen kann. Mit Lebensgefahr schwimmt letzterer zu den vom Gebirge aus unerreichbaren Uferstellen, an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_746.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)