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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

etwas aus der Mode gekommen. Man entäußerte sich mit Leichtigkeit dessen, was man mit Leichtigkeit gewonnen. Nach der Krisis von 1873 kehrte man reuig zum Sparen zurück. Seither behauptet das „Sparkassabüchel“ seine Herrschaft und wird sie wohl nicht wieder einbüßen. Der Zeichner, zu dessen Arbeit wir diese Zeilen schreiben, liefert mit seinem Stifte einen Beitrag zur Rehabilitirung Wiens in den Augen aller sparsamen Leute. Er zeigt, wie lebhaft es auf der Sparkasse zugeht, und er hat recht gethan, in den Vordergrund einige weibliche Figuren zu stellen.

Im Heim des Wiener Geschäftsmannes kommt es nicht selten vor, daß die Gattin, die Mutter hinter dem Rücken des Hausvaters ein „Sparkassabüchel“ erwirbt und Gulden auf Gulden zurücklegt, um einmal bei besonderen Unfällen eine Zuflucht zu haben oder um dem studirenden Sohne oder der heirathsfähigen Tochter heimlich beispringen zu können.

Unsere Illustration stellt eine Scene dar, die gewiß an dem letzten Tage eines Monates oder um die Zeit der Wohnungsmiethe herum – „Zins“ nennt sie der Wiener – spielt; denn in solchen Momenten ist die Sparkasse am besuchtesten. Wohl giebt es in Wien verschiedene Anstalten für die Sparer; seit Kurzem erschließt die „Postsparkasse“ sich sogar den Besitzern der kleinsten Beträge, aber unter „Sparkasse“ schlechtweg versteht man in Wien nach wie vor die „Erste österreichische Sparkasse“, aus deren Räumen unser Zeichner sich denn auch seinen Vorwurf geholt hat. Dieses Institut ist über hundert Jahre alt. Es wird unentgeltlich verwaltet – an der Spitze standen Männer wie Karl Giskra, Anton von Schmerling etc. als „Kuratoren“ – und der Gewinn wird, nach Abzug eines Reservefonds, jährlich zu wohlthätigen Zwecken vertheilt. Das Volk bleibt der „Ersten österreichischen Sparkasse“ treu, deren Entwickelung mit der Geschichte Wiens untrennbar verbunden ist. Es ist kein Zufall, daß der Zeichner diesem Institut und nicht einem anderen seinen Besuch gemacht hat.

Russische Suppen. In einem Schriftchen: „Die Suppe, ein Stückchen Kulturgeschichte“, giebt Eduard Maria Schranka auch eine Schilderung der russischen Suppen, die nicht ohne Interesse ist. Da giebt es zunächst Fischsuppen, den Rassol, aus dem delikaten Sterlet bereitet mit gesalzenen Gurken und langgeschnittenen Wurzeln, worin aus Mehl und Kaviar gemachte Klöße schwimmen. Auch die Ucha ist eine russische Fischsuppe, zu welcher das Fleisch der Fische ganz fein verrieben wird. Bei den 1791 von Potemkin in St. Petersburg gegebenen Bällen erschien stets eine Fischsuppe im Werth von 1000 Rubeln in einem 300 Pfund schweren Silbergefäß. Einstmals lud sich die große Katharina bei Potemkin plötzlich zum Abend auf eine Sterletsuppe ein. Nun war aber gerade zur Zeit kein Sterlet aufzutreiben und nur aus besonderer Gefälligkeit überließ ein Kaufmann dem Minister einige Fische, wofür er sich ein Gemälde der Madonna von Andreas del Sarto ausbedungen, das der Fürst und Liebling der Katharina kurz zuvor für 10000 Rubel erstanden. Das war allerdings die theuerste russische Fischsuppe und wohl die theuerste Suppe überhaupt, von welcher die Anekdotensammler berichten.

Die berühmte russische Nationalsuppe, die so weit gekocht und gegessen wird, als es Russen in der Welt giebt, ist die Kohlsuppe, der „Schtschi“. Täglich findet sie sich in der Schüssel der Armen sowie neben den feinsten Ragouts und Pasteten auf den Tafeln der Reichen. Weder eine politische noch eine moralische Revolution war bis jetzt im Stande, den Schtschi von der russischen Tafel zu verdrängen. Die Zubereitung ist eine sehr verschiedene: es giebt zunächst so viele Arten des Schtschi, wie es Kohlvarietäten giebt. Das Hauptrecept ist: gehackter weißer Kohl, sechs bis acht Köpfe, ein halbes Pfund Mehl, Graupen, ein viertel Pfund Butter, eine Hand voll Salz und zwei Pfund Schaffleisch. Dazu ein paar Kannen Kwaß, des bierähnlichen russischen Getränkes. Wird statt Butter Oel genommen, so entsteht der Posdnoi-Schtschi, der Fasten-Schtschi; außerdem giebt’s noch eine große Menge Abarten: dazu gehört auch der kleinrussische Borschtsch. Dem Schtschi als Wintersuppe steht die berühmte russische Botwinje, die Sommersuppe, gegenüber. Sie enthält dieselben Ingredienzien wie dieser, nur kalt. In Rußland herrscht überhaupt die Eigenthümlichkeit, daß jedem warmen Gericht oder Getränk ein kaltes Gegenstück entspricht. So ist das Gegenstück des kalten „Kwaß“, der unserem Bier entspricht, der heiße Sbiten. Ueberhaupt haben die Russen für jede Jahreszeit eigene Suppen, ja eine eigene Speisekarte.

Sonntagsjäger (Illustration S. 737) sind von jeher ein beliebter Gegenstand der Spottlust gewesen. Liefert doch jeder, der nach Dingen strebt, denen er seinem ganzen Wesen nach nicht gewachsen ist, mit seiner Person jenen Kontrast, der das Wesen des Komischen ausmacht. Wenn aber das Herrchen, das die ganze Woche über im Komptoir sitzt und in seinen Mußestunden im sorgfältigsten Stutzerkostüm durch die Straßen wandelt, am Sonntag plötzlich mit gewichtigen Stiefelungethümen und im Lodenrock oder im Leinenkittel des Waidmanns erscheint, wenn es mit der offenbaren Absicht ausgeht, seinen goldenen Zwicker nicht nach den Schönen der Stadtpromenaden, sondern nach Hasen und Rebhühnern zu richten – wer kann sich da eines leisen Lächelns erwehren? Aber auch draußen in den Jagdgründen ist man nicht unempfindlich für komische Kontraste: das beweist die Scene, die der Schöpfer unseres Bildes mit dem Pinsel festgehalten hat. Da sitzt der kühne Jäger, an dem Alles stilgemäß ist – selbst der Eberzahn, den er als Uhranhängsel trägt – in der Bauernstube, und das energische Zupfen des Schnurrbärtchens wie der träumerisch starre Blick der Augen verräth uns, daß er seinen Beruf ernst nimmt und eben ein „kolossal imponirendes“ Jagdabenteuer – erzählt hat. Die Bauerndirne, die ihm gegenüber steht, hat ihm, dumm-gutmüthig, wie sie zu sein scheint, wohl staunend zugehört, während über das echte scharfgeschnittene Alpenjägergesicht seines Nachbars ein recht höhnisches Lächeln zuckt. Oder lacht er über den Schelm, der im Hintergrund der Stube einstweilen seine Bosheiten verübt? Armer Sonntagsjäger! Während er im Hochgefühl seiner Waidmannskunst schwelgt, während er die ganze Wichtigkeit seines sonntäglichen Berufes voll empfindet, spielt man ihm einen so häßlichen Schabernack und steckt eine Katze in seine Jagdtasche. Vielleicht zeigt uns der Künstler auch noch einmal das Gesicht, das der Nimrod macht, wenn er die seltene Jagdbeute entdeckt.

Schach.
Von W. Steinmann in Parchim.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 708.
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. D g 7 – h 7 ! S b 6 – c 4 : 1. … K d 6 – c 6
2. D h 7 – d 7 K d 6 – c 5 2. T c 4 – c 6 beliebig.
3. L f 6 – d 4 matt. 3. D setzt matt.

Varianten. a) 1. … K d 5, 2. D f 5 : †, K c 4 :, 3. d 3 matt. – b) 1. … L c 5 (a 5, c 3, d 2 :), 2. D c 7 †, K d 5 (c 6), 3. T c 5 (:) matt. – c) 1. … f 4, 2. L e 7 †, K zieht, 3. D e 4 matt. – d) 1. … S c 7 †, 2. D c 7 : † nebst 3. D setzt matt. – Es scheitert: 1. D b 7 an K e 6 ! oder 1. D f 7 an f 4 oder 1. d 3 ! an K d 5 ! – Ein Meisterstückchen! Der Zugzwang ist in feinsinnigster Weise angelegt.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

H. R. in Salzburg. Wir haben über „Don Juan’s“ Entstehen in Prag und die ersten „Don Juan“-Aufführungen berichtet. Sehr eingehend hat dies Alles Rudolf v. Freisauff in seiner Schrift: „Mozart’s Don Juan 1787–1887“ (Salzburg, Kerber) dargestellt: eine Schrift, die zur 100jährigen Jubelfeier der Oper „Don Juan“ von der „Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg“ herausgegeben wurde. Sie enthält 9 Kunstbeilagen, meistens Portraits von deutschen und französischen Künstlern, die bei „Don Juan“-Aufführungen mitwirkten, und eine, was die großen Theater betrifft, erschöpfende Bühnenstatistik des „Don Juan“.

K. C. in Berlin. Wer sich mit der Geschichte und den Zuständen des deutschen Buchhandels in Leipzig bekannt machen will, dem empfehlen wir den gediegenen Vortrag von Dr. Oskar von Hase „Die Entwickelung des Buchgewerbes in Leipzig“ (Leipzig, Hedeler). Die Schrift ist überaus reich an zuverlässigen thatsächlichen Angaben, übersichtlich und geschmackvoll in der Gruppirung und Darstellung.

Ne. in Berlin. Sie theilen uns mit Bezug auf das von uns besprochene Chamisso-Denkmal mit, daß der Kaiser eine Beihilfe von 1000 Mark dazu bewilligt und daß auch der Entwurf eines Bronzereliefs für das Postament von Julius Moser vorliegt, welcher bei ausreichender finanzieller Unterstützung ausgeführt werden soll; die Enthüllung des Denkmals ist für den 4. August 1888 in Aussicht genommen.

Radfahrer-Verein in C. „Wolf’s Radfahrer Karte von Deutschland. Sektion I. Königreich Sachsen,“ die soeben erschienen und in jeder Buchhandlung zu haben ist, dürfte Ihren Zwecken entsprechen. Sie giebt außer den Kunststraßen auch die Kommunikationswege an, auf denen man bei Schadhaftwerden der Maschine oder anderen kleinen Unfällen, die jedem Radfahrer begegnen können, am schnellsten die nächste Hilfe bringende Ortschaft erreichen kann. Die Steigungen der Wege sind leider nicht bezeichnet; wünschenswerth wäre es, daß dieselben in die nächste Auflage der Karte eingetragen werden, da die Kenntniß derselben für den Radfahrer von großer Wichtigkeit ist.

Professor R. in Stuttgart. Anknüpfend an unsere Notiz, daß schon im Jahre 1530[WS 1] ein in Nizza erbautes Kriegsschiff mit einem Bleipanzer versehen worden sei, weisen Sie darauf hin, daß es schon im Alterthum gepanzerte Schiffe gegeben habe. Julius Cäsar in seiner Schrift über den Bürgerkrieg erwähnte, daß Pompejus dem L. Domitius und den Massiliern eine Flotte von 16 Schiffen geschickt, in quibus paucae erant aeratae (unter denen einige mit Erz beschlagen waren). Es ist freilich aus dieser Stelle nicht zu entnehmen, ob diese Panzerung auf die ganzen Schiffe ausgedehnt oder nur an den Vordertheil derselben gegen den Stoß der feindlichen Schiffsschnäbel angebracht war.

Stud. jur. in Leipzig. Wenden Sie sich an den unter dem betr. Bilde angegebenen Kunstverlag.

K. L. in Breslau. Zwei vornehme und vermögende Russinnen haben in Paris Ladendiebstähle in den großen Läden des Louvre begangen. Die eine, ein Fräulein von Fomine, ist auch zu Gefängniß verurtheilt worden. Es liegt hier offenbar jene bekannte Manie zu Grunde, von der Sie sprechen und für welche Sie mehrere Beispiele anführen: doch die Pariser Gerichte haben in diesem Fall keine Geisteskrankheit anerkennen wollen.

H. M. in Köln. Lesen Sie „Die Berufswahl im Staatsdienst“ von A. Dreger (Verlag von C. A. Koch [J. Sengbusch] in Leipzig).

H. R. in Kiel. Ihre Mittheilung, daß die Schleswig-Holsteiner jetzt daran denken, dem Dichter des „Schleswig Holstein meerumschlungen“, Mathäus Friedrich Chemnitz, in seinem Geburtsorte Barmstedt ein Denkmal zu setzen, ist recht erfreulich: denn es muß unvergessen bleiben, wie volksthümlich das Lied seinerzeit gewesen und wie mächtig dasselbe auf Erregung nationaler Begeisterung hingewirkt.


Inhalt: Die Geheimräthin. Novelle von Hieronymus Lorm. S. 725. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm. Land und Leute zwischen den Stromschnellen des Nil. S. 730. – Yburg. S. 732. Mit Illustrationen S. 728, 729 und 732. – Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 733. – Erinnerungen an die erste Aufführung des „Don Juan“. Von Rich. Robert. S. 738. – Blätter und Blüthen: Bernhard v. Langenbeck †. S. 739. Mit Portrait S. 725. – Ein Museum der Steuerbehörde. S. 739. – Die Kunst und die Artillerie. S. 739. – Auf der Sparkasse in Wien. S. 739. Mit Illustration S. 733. – Russische Suppen. S. 740. – Sonntagsjäger. S. 740. Mit Illustration S. 737. – Schach. S. 740. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 708. S. 740 – Kleiner Briefkasten. S. 740.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1830
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