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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Die liebevollste Ueberredung klang aus ihrer weichen Stimme, aber der Graf schüttelte hoffnungslos den Kopf „Zu spät!“ murmelte er düster.

„Nein, Erich, nicht zu spät,“ erwiederte voll Energie die muthige Frau, „Du hast ganz gewiß noch eine Möglichkeit der Rettung. Sind denn Deine Verpflichtungen so groß, daß sie auch durch den Verkauf von Hochberg nicht gedeckt würden? Doch nicht? Siehst Du wohl? Nun, und dann ist noch unsere Einrichtung da, meine Brillanten und der werthvolle Schmuck, den Du mir im Laufe der Jahre schenktest. Das Alles zusammengelegt muß ja reichen!“

Graf Erich sah voll Ergriffenheit in ihr zuversichtliches Gesicht, das von Liebe und Großmuth leuchtete.

„O wunderthätiges Frauenherz!“ sagte er, indem er ihre Hand an die Lippen zog. „Und wie wenig habe ich das um Dich verdient, mein gutes Weib!“

Sie schlang lebhaft die Arme um ihn und rief: „Sage das nicht, liebster Erich, ich fühle es ja in dieser Stunde, wie unzertrennlich wir verbunden sind. Du hast Dich ja wohl in der letzten Zeit anderen Interessen zugewandt, und ich will nicht sagen, daß es mich nicht manchmal heimlich schmerzte, so von Dir vernachlässigt zu werden. Aber die Liebe zu Dir wurde dadurch nicht in meinem Herzen erschüttert und Alles, was wir jetzt leiden werden, scheint mir geringfügig in dem Gedanken, daß Du mir erhalten bleibst – und nicht aufgehört hast, mich zu lieben!“

„Claire, Claire,“ rief der Graf verzweiflungsvoll. „Du marterst mich! Ich verdiene Deine Liebe und Aufopferung nicht; ich habe als vollständiger Egoist gehandelt, nur an mich selbst gedacht und Euch dadurch ins Verderben gerissen!“

„Ja, als Egoisten habe ich Dich immer gekannt,“ lächelte die Gräfin mit Thränen in den Augen, „damals, als ich die Blattern hatte, und Du Tag und Nacht nicht von mir wichest und immer nur voll Angst warst, ob mich die paar kleinen Narben im Gesicht nicht entstellen würden – oder damals, in Eckartshausen, als die Pferde mit meinem Wagen durchgingen und nach dem Schloßgraben rannten, wie Du da aus dem Fenster des ersten Stockwerks heruntersprangst und Dich ihnen in den Weg warfst, daß Du beinahe beide Beine gebrochen hättest und heute noch ein wenig hinkst – o, ein ganz klein wenig,“ fügte sie liebkosend hinzu, „man sieht es kaum und Du bist heute immer noch ein rüstiger schöner Mann – etwas eitel zwar, aber auch das steht Dir gut! Und die tausend Gelegenheiten, wo Du Deinen Freunden hilfreich warst, den Armen wohlthatest – nein, mein Erich, Du sollst Dein warmes, liebes Herz nicht lästern, ohne daß ich Einsprache thue.“

„Was hilft dies Alles,“ versetzte finster der Graf. „Ich habe daneben schwer, unverzeihlich gefehlt … und das Schlimmste weißt Du noch nicht … meine Ehre ist nicht mehr fleckenlos! Felsing hat einen Wechsel von mir in Händen, der mich in unrettbarer Weise kompromittirt. Ich ließ mich verleiten – in der Meinung, daß Niemand dadurch geschädigt werde – Gott, ich kann Dir nicht erklären, wie es kam – es war …“

„Ich brauche keine Erklärung,“ entgegnete die Gräfin, „möglich, daß Du übereilt gehandelt hast. Diese Geschäftsangelegenheiten sind Dir fremd, und Dein Hauptunrecht war, Dich als Kavalier überhaupt mit solchen Dingen zu befassen, aber Eines weiß ich gewiß und verbürge mich mit meinem Leben dafür: etwas Unehrenhaftes begehen hast Du nie gewollt!“

Die Augen des Grafen leuchteten und er rief, seine Frau fest an sich drückend, mit dem ersten Aufathmen eines gepreßten Herzens:

„Gott segne Dich für dieses Wort, meine geliebte Claire, Du weißt nicht, was Du mir damit wiedergiebst! Es ist fürchterlich, sich selbst … zu verachten! Ich habe namenlos gelitten in dem Gedanken, daß nicht einmal in Euren Augen mein Andenken rein sein wird! Und wenn jetzt das Aergste kommt, wenn ich doch dem Schicksal und Felsing’s unbarmherziger Härte weichen muß – dann wirst Du wenigstens mich nicht verdammen, wenn alle Anderen meinen Namen in den Schmutz ziehen …“

„Das werden sie nicht,“ entgegnete die Gräfin sich erhebend, sehr blaß, aber die festeste Entschlossenheit in den Augen.

„Wie wolltest Du es hindern?“

„Indem ich selbst zu Felsing gehe – sofort – und ihn zwinge, mir den Wechsel herauszugeben“ rief sie glühend. „Das ist der einzige Weg und er führt sicher zum Ziel. Ich werde siegen, verlaß Dich darauf, in einer Stunde hast Du das Papier! O, den Gedanken hat mir Gott eingegeben –“

Sie erhob sich eilig, aber der Graf faßte ihren Arm. „Das geht nicht,“ sagte er nach einem Augenblick inneren Kampfes, „das kann ich nicht dulden, Claire.“

Was geht in diesem Augenblicke nicht?“ rief sie mit einer großartigen Ueberlegenheit. „Verlieren wir keine Minute weiter – ich gehe, das ist beschlossene Sache, Du bringst mich nicht davon ab. Hast Du das Unglücksgeld für den Wechsel noch?“

„Ja, hier, unberührt, aber es reicht nicht, um ihn einzulösen.“

„Wie viel fehlt?“

„Dreißigtausend Thaler!“

„Nun, der Justizrath brachte mir vierzigtausend und Eugen kann noch einen Tag warten. Mag der Elende Alles nehmen! Aber das Papier, das Deine Ehre bedroht und Dein Leben, das bringe ich Dir zurück –“

„Ich will es selbst holen“ rief Graf Erich.

„Und mit einem einzigen Zorneswort Alles verderben?“ erwiederte sie. „Mein Erich, das geschieht nicht. Du hast Dich eben noch des Unrechts gegen mich angeklagt. Ich fordere jetzt meine Genugthuung: eine Stunde lang laß meinen Willen über dem Deinen gelten; dann will ich wieder mein Lebenlang Deine nachgiebige, folgsame Frau sein.“

Sie küßte ihn zärtlich und wiederholt, um jede Entgegnung zu verhindern, wandte sich dann rasch, klingelte dem Diener und befahl anzuspannen.

„Und nun,“ sagte sie zu ihrem Gemahl, nachdem der Diener sich wieder entfernt hatte, „nun versprich mir noch, mich hier ruhig zu erwarten, nichts zu unternehmen, mich nicht aufzusuchen, dies Zimmer vor einer Stunde nicht zu verlassen! Willst Du mir Dein Wort darauf geben?“

„Ja!“ erwiederte der Graf.

„Gut,“ erwiederte sie und wandte sich zum Gehen. Aber an der Schwelle kehrte sie nochmals um, faltete bittend die Hände und sah ihren Gatten mit einem unbeschreiblichen Blicke an.

„Ach, Erich, verzeihe, aber ich muß noch eine Sicherheit mit mir nehmen.“ Sie trat rasch an den Schreibtisch und holte aus der Schublade die Waffe heraus; ein Zittern ging dabei durch ihre Glieder und ihre Augen füllten sich aufs Neue mit Thränen.

Er wandte das Haupt ab und ein qualvoller Seufzer entrang sich seiner Brust.

„Ich schließe sie drinnen ein,“ hörte er noch ihre leise, liebevolle Stimme sagen, „bis ich zurück bin. Es ist besser so, liebster Mann!“

(Fortsetzung folgt.)




Das Feuerschiff „Adlergrund“.

(Mit Illustration S. 517.)

Drohen die offen am Tage liegenden Felsenriffe und Klippen schon häufig dem Schiffer Gefahr, so muß er sich doch bei Weitem noch mehr vor denjenigen Erhebungen des Meeresbodens hüten, welche nicht völlig die Oberfläche erreichen, sondern noch in der Höhe von einigen Metern Wasser über sich haben.

Solch ein unsichtbares Riff befindet sich etwa sieben Meilen südlich von der Insel Bornholm in der Ostsee. Stubbenkammer auf Rügen ist eben so weit davon entfernt. Den Seefahrern ist es unter dem Namen „Adlergrund“ eine gar unliebsame Bekanntschaft.

Die Versuche, diesem Riff, welches beiläufig eine Längsausdehnung von einer deutschen Meile in west-östlicher Richtung besitzt, durch Sprengung zu beseitigen, sind nicht vollständig gelungen. Deshalb sah sich die Marineverwaltung des Deutschen Reiches, in dessen Seebezirk sich jene Untiefe befindet, veranlaßt, als warnendes Seezeichen hier das Feuerschiff „Adlergrund“ vor Anker zu legen. Wie alle Fahrzeuge dieser Art, welche man auch sonst noch häufig, aber meistens in größerer Nähe des Landes, zum Signaldienst verwendet, macht sich dasselbe durch seinen feuerrothen Anstrich bei Tage weithin bemerklich; seinen Mast krönt der „Topkorb“, ein zwiebelförmiges Korbgeflecht von schwarzer Farbe. Des Abends aber wird an dem Maste der Leuchtapparat emporgezogen, eine gewaltige Laterne, aus welcher acht Lampen mit Doppelbrennern einen hellen Lichtschein in die Nacht hinaussenden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_530.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)