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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 31.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Der lange Holländer.

Novelle von Rudolph Lindau.
(Fortsetzung.)


Es ist ein Unglück geschehen!" rief Edith aus, sobald sie Morrisson erblickte.

„Ich hoffe, nein,“ sagte Morrisson, ein wenig zögernd.

„Ach, sprechen Sie schnell!" bat Edith.

Morrisson erzählte nun kurz, was zwischen ihm und Büchner vorgefallen war, wobei er betonte, daß es seine Absicht sei, diesen nach seiner Wiederherstellung von Neuem zu beschäftigen. Büchner, so setzte er hinzu, habe das Komptoir zur gewöhnlichen Stunde, gegen fünf Uhr verlassen und dabei gesagt, er werde am nächsten Tage wieder kommen, um die Bücher seinem Nachfolger zu übergeben.

„Gott sei mir gnädig!“ murmelte Edith. Sie war todtenblaß, aber sie wurde nicht ohnmächtig. „Sind Sie in einem Wagen gekommen?“ fragte sie.

„Er steht vor der Thür,“ antwortete Herr Morrisson.

„Ach bitte, dann fahren Sie gleich nach der Polizei. Es müssen sofort Nachforschungen angestellt werden.“

„Es war meine erste Sorge, dies zu veranlassen, sobald Ihr Diener bei mir erschien. In diesem Augenblick sind bereits alle verfügbaren Polizeikräfte aufgeboten, um nach Herrn Büchner zu suchen, auch meine eignen Leute sind sämmtlich unterwegs.“

„Ich danke Ihnen,“ sagte Edith flüchtig. Sie trat an das Fenster. Es regnete in Strömen.

Sie kam wieder zurück, die gefalteten Hände auf der Brust, ein Bild des Jammers. „Was kann ich thun?" fragte sie.

„Sie können augenblicklich nichts thun als warten," erwiederte Morrisson milde. „Beruhigen Sie sich, meine liebe gnädige Frau; es ist noch kein Grund vorhanden, Schlimmes zu befürchten. Herr Büchner kann sich einfach im Klub verspätet haben.“

„Er geht nie in den Klub.“ Sie klingelte und sagte dem Diener, der schnell eintrat: „Eilen Sie zu Herrn Prati, suchen Sie ihn zu finden, wo er auch sein möge. Ich müßte ihn sofort sprechen!“

Dann ging sie in fieberhafter Aufregung im Zimmer auf und ab. Morrisson folgte ihren Bewegungen mit theilnehmenden Blicken.

„Ich will auf das Polizei-Amt fahren,“ sagte er endlich. „Sobald dort Nachricht eintrifft, bringe ich sie Ihnen.“

„Vielen Dank, vielen Dank! Bitte, thun Sie das.“

Gleich darauf vernahm sie das Geräusch des davonrollenden Wagens, aber nach wenigen Minuten schon kehrte derselbe zurück.

Sie öffnete das Fenster und sah Herrn Morrisson aus dem Wagen springen und durch den kleinen Garten dem Hause zueilen. Noch ehe er die Thür erreicht hatte, trat sie ihm schon entgegen. Er führte sie in das Haus zurück und rief ihr zu:


Friedr. Th. Vischer.
Nach der Büste von Prof. A. Donndorf in Stuttgart.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_501.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2023)