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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa.“

V. Längs der vorher ungekannten Nordostküste. a. Von Vulkan-Insel bis Berlinhafen.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Unsere bisherigen Reisen mit dem Dampfer „Samoa“ erstreckten sich von der Milne- bis zur Astrolabe-Bai, auf einen Küstenstrich von nahezu 600 Seemeilen. Es blieb daher innerhalb unseres deutschen Gebietes nur noch die Strecke von Kap Croissille bis zur Humboldt-Bai übrig, gegen 350 Meilen so gut als unbekannter Küste, der am meisten unbekannte Theil von Neu-Guinea überhaupt. Die besten Karten verzeichneten ausgedehnte Strecken nur punktirt und ungefähr 16 Namen; das war Alles!

Anfang Mai (1885) verließen wir Mioko-hafen mit gespannten Erwartungen. Jedenfalls sollte und mußte der Versuch, jene Küste besser kennen zu lernen, gewagt werden, um der kleinen „Samoa“, ihrer Mission entsprechend, neben gewaltigen Kriegsschiffen einen bescheidenen Platz unter den Erforschern Neu-Guineas zu sichern. Wir hatten zwar keine Kanonen und im Ganzen nur 18 Mann an Bord; aber wir kannten die Eingeborenen bereits zur Genüge, um uns ihretwegen keine Sorge zu machen.

Einen westlichen Kurs steuernd, sichteten wir in der Frühe des dritten Tages bereits die Vulkan-Insel mit dem mächtigen gegen 5000 Fuß hohen Pik, dessen in Wolken gehülltes Haupt noch nicht den thätigen Vulkan erkennen lies. Nach und nach tauchten gleich kleinen Inselchen die Baumwipfel der Küste auf, aber noch ehe dieselbe deutlicher hervortrat, wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine andere Erscheinung abgelenkt. Dies war ein der Brandung ähnlicher weißer Streif, hinter welchem das bisher tiefblaue Meer plötzlich und wie abgeschnitten grün gefärbt aussah, ganz so wie dies bei einem ausgedehnten Riff der Fall ist. Hier schien also Vorsicht nöthig! Wir dampften daher eine Zeitlang beobachtend längs diesem bedenklichen grünen Wasser dahin; aber zahlreiche Treibholzstämme, darunter ganze Bäume mit Blättern und Wurzeln, belehrten uns bald, daß die so auffallende Färbung nicht von Riffen, sondern nur von der Auswässerung von Flüssen herrühren konnte. Sorgfältig lothend wurde daher langsam in dieses grüne Wasser hineingedampft, welches, wie erwartet, sehr geringen Salzgehalt zeigte. Gegen Abend gingen wir nahe der Küste, da wo die Karten Venus-Kap verzeichnen, zu Anker. Aber ein wirkliches Kap war nicht zu finden, und schon hier überzeugten wir uns von der Unzulänglichkeit und Unrichtigkeit der Karte; wir befanden uns eben an einer unerforschten Küste; denn die Fahrten des kühnen Holländers Willem Schouten (sprich Schauten) längs derselben lassen sich leider nicht mehr mit Sicherheit nachweisen. Wir wissen nur, daß er am 7. Juli 1616 mit seinem Schiffe „de Eendracht“ (Eintracht) nahe dem „groote vuurbaarg“ (großen Feuerberg) ankerte. Als sich am Abend die Wolken zertheilten und die Spitze des Kraters in rothen Feuerstreifen züngelte, da konnte man sich im Geiste 250 Jahre zurückversetzt fühlen. Ja! ja! Jedenfalls war es damals bedeutend schwieriger, Entdeckungsfahrten zu machen, als heutigen Tages, und wohl Keiner verstand die Thaten des alten Seehelden besser zu würdigen und zu bewundern als wir an dieser Stelle. Das unterirdische Feuer brannte noch, vielleicht nicht so intensiv wie damals, und die Eingeborenen waren jedenfalls auch noch, unbehelligt von fremdem Einfluß, in Ursprünglichkeit und Originalität dieselben geblieben.

Mann von Venus Huk im Canu.

Solche Menschen oder vielmehr solchen Aufputz hatte ich bisher nicht in Neu-Guinea gesehen. Wie die beigegebene Abbildung (Mann von Venus Huk) zeigt, war zunächst die eigentümliche Art und Weise, das Haar in einem cylindrischen Körbchen aus feinem Flechtwerk zu tragen, am auffallendsten; eben so der lange, mit Behang von Schweinezähnen und anderen Sächelchen verzierte Kinnbart mancher Männer. Sie trugen fast alle filetgestrickte, mit Scheiben von Cymbiummuscheln behangene Beutel, wie sie auch weiter westlich vorkommen (vergl. Abbildung: Mann von Guap), um den Hals, in welchen sie ihre Kleinigkeiten: Betelnüsse, Tabak, Muschelschalen als Messer, Knochen als Brechwerkzeuge etc. verwahrten, und waren mit sehr kunstvoll verzierten Lendengürteln aus Tapu bekleidet. Als ganz neu fand ich hier zuerst statt des Bogens einen Wurfstock aus Bambu zum Werfen der Speere: eine Methode, die bisher nirgends in Neu-Guinea beobachtet wurde und eigentlich für Australien charakteristisch ist. Die Enden der aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestehenden Canus waren zum Theil mit kunstvollem Schnitzwerk versehen; es stellte meist ein Krokodil, zuweilen in Verbindung mit einem Menschengesicht dar, oder wie auf der nebenstehenden Skizze den Schwanz des Sauriers in den Kopf eines Nashornvogels (Buceros) ausgehend. Am Maste des großen Canus, die etwa

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_460.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2023)