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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

hatte, daß für frankirte Eilbestellungen aufs Land schon seit Jahren ein fester Satz von 80 Pfg. besteht und die Zahlung geringerer Beträge (durch Aufkleben von Freimarken) als überhaupt nicht geschehen betrachtet wird. Hätte mein Bruder statt 50 Pfg. 80 aufgeklebt, so wäre die gänzlich kostenfreie Bestellung erfolgt, auch für den Fall, daß die Postkasse einen doppelt so hohen Botenlohn hätte bezahlen müssen.“

„Ja, ja, meine Herren,“ ergriff jetzt ein hypochondrischer alter Junggesell, der Herr Rentier und frühere Buchhändler Meier, das Wort, „man sollte wirklich kaum glauben, welche Unkenntniß in Betreff der postalischen Einrichtungen nicht etwa bloß beim großen Publikum, sondern selbst in der Geschäftswelt herrscht. Kurz ehe ich im vorigen Jahre mein Geschäft aufgab, ging von außerhalb von einem unbekannten Kunden eine Bestellung auf ein kleines, aber werthvolles Buch bei mir ein. Ich beauftrage meinen Gehilfen, das Buch einzupacken und gegen Nachnahme, aber versichert, abzusenden. Als ich später den Posteinlieferungsschein verlange, bekomme ich einen solchen der nur über den Nachnahme-, nicht aber auch über den Werthbetrag lautet, und dabei stellt es sich denn heraus, daß mein Gehilfe, sonst ein sehr tüchtiger junger Mann, irrthümlicher Weise geglaubt hat, die Nachnahme sei so gut wie eine Werthangabe und müsse die Post auch im Verlustfalle in Höhe der Nachnahme Ersatz leisten. Solche Unkenntniß bei einem Geschäftsmann sollte wirklich nicht vorkommen.

Auch zu Nutz und Frommen der Herrschaften, die etwa eine Badereise beabsichtigen sollten, will ich noch rasch einen Beitrag liefern. Wie die Herren vielleicht wissen, halte und lese ich nur die sonst wenig verbreitete . . . Zeitung. Im vorigen Sommer wurde ich krank. Kaum bin ich wieder auf den Beinen, so schickt mich auch schon Dr. K. Hals über Kopf nach Kissingen. Dort angekommen fällt mir ein, daß ich vergessen hatte, mir meine Zeitung nachsenden zu lassen. Ich schreibe sofort an das hiesige Postamt, bekomme aber – unser früherer so gefälliger Postmeister war, wie Sie wissen, kurz zuvor versetzt – mittels portopflichtiger Dienstsache (10 Pfg. Porto) die amtliche Benachrichtigung, dem Antrage auf Ueberweisung einer Zeitung sei die verordnungsmäßige Gebühr in Höhe von 50 Pfg. beizufügen. Was blieb mir Anderes übrig, als schleunigst per Postanweisung 50 Pfg. Gebühr hierher zu schicken, worauf ich denn endlich nach einigen Tagen, und nachdem ich acht Tage lang meine gewohnte Lektüre hatte entbehren müssen, meine Zeitung erhielt.

In diesem Jahre glaubte ich natürlich Bescheid zu wissen und nahm mir vor, recht vorsichtig zu sein. Ich wollte nach Karlsbad gehen, vorher aber meiner Schwester in Dresden einen kurzen Besuch machen. Bevor ich also von hier abreise, schreibe ich an das Postamt, trage meine Bitte vor und lege eine 50-Pfennigmarke als Gebühr in den Brief. Was meinen Sie aber wohl, was ich auf dem Postamte in Karlsbad, wohin ich mich nach Ankunft gleich begab, vorfinde? Wahrhaftig wieder ein unfrankirtes Schreiben von unserem Postmeister – kostete aber 20 Pfennig – worin mir mitgetheilt wird, daß die Gebühr für Ueberweisung einer Zeitung nach Oesterreich 1 Mark betrage und ich daher gefälligst noch 50 Pfennig nachsenden möge. Na, der Aerger! Und was mich noch am meisten verdroß, war der Umstand, daß ich bis dahin geglaubt hatte, in Folge meiner langjährigen Praxis in Postsachen völlig Bescheid zu wissen. Was, Sie lachen, meine Herren? Ich glaube, Sie sind im Unrecht, wie ich Ihnen sofort beweisen werde. Wer von den verehrten Herren weiß denn etwa, daß z. B. ein Geldbrief mit der Aufschrift ‚An Frau X Y für Fräulein N. N. in Z.‘ als unbestellbar behandelt werden muß, weil die Postordnung für solche Fälle ganz bestimmte, alle anderen ausschließende Bezeichnungen vorschreibt, nämlich: ,An A zu erfragen bei B oder abzugeben bei B, im Hause des B, wohnhaft bei B, logirt bei B, per Adresse des B‘? Oder wer weiß, daß es den Postanstalten durchaus verboten ist, Briefe, die ihnen, wie es öfters vorkommt, unter Umschlag von andern Orten mit dem Ersuchen um Abstempelung und Weitersendung nach dritten Orten zugesandt werden, diesem offenbar auf Täuschung des Empfängers berechneten Ansinnen gemäß zu behandeln? Oder wem von den Herren ist bekannt, daß es seit Kurzem gestattet ist, Briefe mit Nachnahme postlagernd unter Buchstaben oder Ziffern zu versenden, oder, daß bei Briefen nach Ländern mit heißem Klima ein Verschluß mittels Siegellack verboten ist?

Doch, bitte um Entschuldigung, der Athem geht mir aus; wenn Sie noch mehr hören wollen, muß ich nothwendig zuvor erst mal die Kehle anfeuchten. Also – wie mein Freund, der Doktor Schneidewind, alle seine Reden zu beginnen pflegt, also, da keiner der Herren mich unterbrochen hat, darf ich annehmen, daß die von mir hier vorgetragenen Bestimmangen und Einrichtungen Ihnen noch unbekannt waren. Vielleicht ist dies auch bezüglich des Folgenden der Fall!

Bei einem wenn auch nur vorübergehenden Wechsel des Wohnorts ist recht sehr zu empfehlen, die Nachsendung der inzwischen eingehenden Briefe etc. beim Postamte besonders zu beantragen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß den auf einen unbestimmten Zeitraum (‚bis auf Weiteres‘) gestellten Anträgen nach Ablauf von vier Wochen postseitig eine entsprechende Folge nur dann gegeben wird, sofern rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung stattfindet. Häufig kommt es vor, daß lithographirte Einladungsschreiben zu Abendessen, Hochzeiten, Jagden etc. als Drucksachen mit 3-Pfennigmarke zur Post geliefert werden, obgleich das Datum, zu welchem eingeladen wird, handschriftlich ausgefüllt ist. Aus letzterem Grunde werden solche Sendungen zur Drucksachentaxe nicht befördert, sondern dem Absender zurückgegeben. Aus ähnlichem Grunde verfehlen auch alljährlich unzählige Neujahrs- und andere Glückwunschkarten ihren Zweck, indem der Absender der Sendung außer Ort, Datum und Namen – was gestattet ist – noch vorschriftswidrig irgend ein anderes Wort hinzugefügt hat. Die aus gestempelten Briefumschlägen, Postanweisungsformularen, Postkarten und Streifbändern ausgeschnittenen Frankostempel können zur Frankirung von Postsendungen irgend welcher Art nicht verwendet werden, dagegen ist es gestattet, verdorbene gestempelte Briefumschläge gegen gleichwerthige Freimarken und eben solche Postanweisungsformulare gegen neue beim Schalter umzutauschen.

Seit Kurzem wird bei Taxirung der Telegramme der Name der Bestimmungsanstalt, wenn in der amtlichen Schreibweise bezeichnet, stets als nur ein Wort gezählt.

Halle Saale, Freiburg Breisgau, Burg Bz. Magdeburg, Königsberg Ostpreußen werden jedes als ein Wort taxirt, wogegen Halle a./d. Saale, Freiburg in Baden (oder: im Breisgau), Burg bei Magdeburg, Königsberg in Preußen jedes als drei Worte gelten. Wer also nach Orten, die eine zusätzliche Bezeichnung haben, telegraphiren lassen will, wird wohlthun, betreffs der amtlichen Schreibweise beim Annahmebeamten sich zu erkundigen.

Wer sich vor Schaden schützen will, beachte auch besonders die Bestimmung der Postordnung, wonach die Zurückgabe bereits eingelieferter, aber noch nicht abgesandter gewöhnlicher Briefe und Packete an den erfolgt, der ein von derselben Hand geschriebenes Doppel des Briefumschlages oder der Begleitadresse abgiebt. Meine Hauswirthin hat neulich aus dieser Veranlassung großen Aerger und – natürlich – noch Spott obendrein erlebt. Sie schickt Abends ihr Mädchen mit einer für eine alte Erbtante bestimmten schönen, gemästeten und gleich zum Braten fertig gemachten Gans zur Post. Das geschwätzige Frauenzimmer trifft an der Straßenecke eine Freundin und vertieft sich in ein Gespräch. Unterdessen entwendet ein Dieb die auf dem Packete steckende Begleitadresse. Als das Mädchen dies später entdeckt, läßt sie sich von meiner Wirthin, der sie erzählt, der Wind habe die Adresse entführt, nochmals eine Adresse schreiben und liefert dann das Packet richtig ab. Erst nach vierzehn Tagen, als die liebe Tante gar nichts von sich hören läßt und Nachforschungen angestellt werden, ergiebt sich dann, daß ein Unbekannter kurz nach dem Mädchen am Schalter erschienen ist und – sich durch die Adresse von gleicher Hand ausweisend – im angeblichen Auftrage der Absenderin den leckeren Martinsvogel zurückverlangt und natürlich auch erhalten hat.

Nun, meine Herren, damit für heute genug, ich könnte Sie leicht in dieser Art noch länger unterhalten, aber wozu? Morgen haben Sie’s ja doch wieder vergessen. Manches von dem, was hier heute Abend besprochen ist, sowie noch vieles andere postalisch Interessante finden Sie in den ‚Post- und Telegraphennachrichten‘, die an jedem Postschalter für 15 Pfennig zu haben sind. Wer aber hat für solche Sachen Geld übrig? Wäre auch Verschwendung; dafür trinkt man ja doch lieber ein Glas Bier. Nun, nichts für ungut, meine Herren, wünsche guten Abend!“

  Eisleben. W. P. 


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