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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Dieser ungezwungene Verkehr habe aber gar kein Bedenken; denn die Schwärmerei der Mädchen sei durchaus unschuldiger Art, und außerdem gingen sie nicht darin auf, sondern gleichzeitig sei ihr Sinn dem Praktischen zugewendet. In der That, ein so unbefangenes und wahrheitsgemäßes Urtheil würde man vergeblich in den Schriften von Tissot, von Paul Saint-Victor und andern Autoren suchen, die über Deutschland geschrieben haben und zu dem deutschen Gretchenideal meistens böswillige Glossen zu machen lieben.

Die Schmeichler. (Mit Illustration S. 449.) In den Sitten und der Lebensweise der Spanier außerhalb der großen Städte und zumal im südlichen Theile ihres Landes hat sich seit drei Jahrhunderten wenig verändert. Eine Venta, das ist eine Trinkwirthschaft an der Landstraße, wie sie unsere Illustration nach dem Vinea’schen Bilde zeigt, ist heute noch von so primitiver Art, wie sie zur Zeit Philipp’s II. war: nicht viel besser als ein Keller über der Erde, in den die heiße Sonne keinen Zugang finden soll und in den nur durch die Thür oder ein kleines Fenster das Tageslicht gebrochen hineinfällt. Giebt’s keinen rohen Tisch, so ersetzt ein Weinfaß mit seinem Boden denselben; ein paar Schemel, ein Gestell für die mit Binsen umflochtenen langhalsigen Bauchflaschen, in die aus dem Bockbeutel der Landwein gefüllt wird, sei es rother herber, oder weißer süßer; ein großer Cantaro, ein maurisch überlieferter Wasserkrug in einer Ecke: das ist beinahe Alles, was sich da vorfindet. Hier halten die Gäste ja auch nur kurze Rast, um ein Glas zur Stärkung und Kühlung zu nehmen. Die drei Capitanos unseres Bildes haben sich denn auch nicht besonnen, als sie ihr Ritt an der Venta des alten Pietro vorüberführte, ihre Rosse vor dem niedrigen Steinhause anzubinden und dann in die Schänke zu treten. Von früher her, ehe sie mit in den sicilischen Krieg gezogen, war ihnen diese Venta wohlbekannt, hatten sie manchen Tropfen da durch die durstige Kehle gejagt.

Damals war Pietro’s Tochter noch ein junges, wildes Ding gewesen. Jetzt treffen sie dieselbe, und zwar allein, als eine verheirathete Frau wieder. Der Alte ist todt; der Mann, der sie geheirathet hat, ist auf dem Felde. Aber sie hat eine Art, den Wein zu kredenzen und mit den Leuten zu plaudern, die den drei Rittern das Wiedersehen mit ihr noch anregender macht. Der Eine namentlich hat sein Gefallen an ihr und sagt ihr in seiner Weise, in Vertraulichkeit von früher her, die angenehmsten Dinge, die er ihr sagen kann: was sie für ein sauberes Weibchen geworden, wie ihr noch immer mucha sel, viel Salz, in den schwarzen Augen sitze (eine viel gebrauchte galante, andalusische Phrase), und wie sie früher manchem jungen Kerl den Kopf verdreht habe. Dem und dem – ja, ja, sie denkt daran und lächelt bei der Erinnerung und verjüngt sich gleichsam darin in natürlicher Koketterie. Und die beiden anderen Zecher hören den Neckereien ihres Kameraden mit Vergnügen zu, beobachten mit der Theilnahme erfahrener Männer die Wirkung der Schmeichelreden auf die Wirthin und geben auch ihr Salz dazu. Inzwischen wird mit höherem Behagen eine Flasche nach der anderen geleert, und jedem Theil thut’s wohl, was er damit einnimmt. Welch einen freundlichen Blick werden die Drei von dem Weibe erhalten, wenn sie nach der heiteren Stunde in der Venta wieder auf ihre Rosse steigen! Oft kommt ja solche Gesellschaft nicht dahin und hört die Wirthin aus solchem Munde nicht so viel Schmeichelhaftes. Das hat ihr einen absonderlich guten Tag bereitet!

Aus der Schule des Lebens betitelt sich ein neues Buch von Emma Laddey, welches wir den ernster denkenden Frauen und Mädchen warm empfehlen. Eigene Lebensresultate und Ueberzeugungen wirken hier in der anmuthig fesselnden Darstellungsweise, und die unabweisbaren Aufgaben der Frau im modernen Leben sind mit den alten, tiefbegründeten Gesetzen einer edlen Weiblichkeit in vollkommenen Einklang gebracht. Es ist die wahre Emancipation, die hier durch vier charakteristische Lebensläufe gepredigt wird: die Emancipation von Denkträgheit, Engherzigkeit und Egoismus, die Gewöhnung an aufopferndes Handeln und muthvolles Entsagen. Die erste Novelle: „Bezwungen“ interessirt sehr durch die eigenartige Auffassung des vielumstrittenen Problems von künstlerischem Frauenberuf; die letzle: „Erstorben“ malt mit ergreifenden Farben das schwerste Schicksal im Frauenleben, die Untreue des geliebten Mannes. Auch „Jugendliebe“ wirkt sehr anziehend, frisch dem Leben heraus geschrieben, mit einer Fülle vortrefflich gezeichneter Situationen. Wir wünschen diesem neuen Werk der beliebten Verfasserin die weiteste Verbreitung.

Skat-Aufgabe Nr. 9.
Von K. Buhle.

Wenn sowohl in Mittelhand wie in Hinterhand auf folgende Karte:

(tr. 8.) (p. Z.) (p. 8.) (p. 7.) (c. B.) (c. 8.) (c. 7.) (car. D.) (car. 9.) (car. 7.)

ein Null ouvert bei richtigem Gegenspiel dergestalt verloren geht, daß der Spieler nicht nur auf (car. D.) sondern auch auf (tr. 8.) jedesmal den 5. Stich nehmen muß, mag nun der Gegner zur Rechten oder der Gegner zur Linken die Vorhand haben: wie müssen da die übrigen Karten vertheilt sein? Und wie ist in den 4 Fällen der Gang des Spiels?

Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 8 auf S. 416:

Die Mittelhand wird Grand mit 94 Augen gewinnen, wenn die übrigen Karten so vertheilt sind: Skat: e7, r7.

Vorhand: eZ, gK, gO, g8, g7, rK, rO, r9, r8, sZ.
Hinterhand: eW, rW, eK, eO, e9, e8, gZ, rZ, sK, sO.

denn es folgt:

1) g7, gD, gZ (+21);
2) sD, sO, sZ (+24).
3) eD, e8, eZ (+21)!
4) rD, rZ, r8 (+21).
5) s9, sK, rK (−8).

und Hinterhand kann spielen, was sie will, der Spieler muß bei richtigem Spiel mindestens noch 7 Augen bekommen. Dasselbe Resultat ergiebt sich nur mit Umstellung der Stiche, wenn die Vorhand im ersten Stich anstatt g7 irgend ein anderes Blatt ihrer Karte anspielt.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

J. B. in B. Wenn Sie durchaus Neigung fühlen, sich der darstellenden Kunst zu widmen, so ist ein Alter von 19 Jahren durchaus kein Hinderniß. Es haben schon viel ältere Novizen später große Erfolge errungen. Wir glauben, daß Einzelunterricht bei guten Lehrern und Lehrerinnen förderlicher ist als ein Kursus auf Theaterschulen; doch läßt sich dies im Allgemeinen schwer entscheiden; es kommt eben auf die Lehrer und die Anstalten an. Warum die Tochter des berühmten Devrient keine höhere Stufe der Kunst erreicht hat, ist uns unbekannt. In der Regel wirken für den Erfolg auf der Bühne sehr verschiedene Faktoren zusammen und auch das Glück spielt dabei seine Rolle wie in allen menschlichen Dingen.

B. in K. Die St. Canzian-Grotte, die sich längs dem unterirdischen Lauf der Reka hinzieht und deren ausführliche Schilderung die „Gartenlaube“ S. 468, Jahrg. 1886 gebracht hat, ist nunmehr auch Touristen zugänglich gemacht worden. Der neue Weg ist am 1. Mai eröffnet worden. Die Illumination der unterirdischen Gänge und Dome machte auf die Festtheilnehmer einen überwältigenden Eindruck. Die berühmte Adelsberger Grotte wird im Laufe dieses Sommers für Touristen elektrisch beleuchtet.

Petersburg 100. Die „Weinblüthe“ gehört gegenwärtig zu den bevorzugtesten Parfums. Die Blüthe des Weinstockes duftet äußerst lieblich und ziemlich stark. Ihr Duft vermag an windstillen warmen Abenden ein an ein Weinspalier anstoßendes Zimmer zu parfumiren.

August F. in H. Die Erderschütterung, welche durch das Erdbeben an der Riviera vom 23. Februar d. J. verursacht wurde, pflanzte sich sehr weit fort. Man konnte sie bis nach Köln und Wilhelmshaven verfolgen; sie war dort allerdings so schwach, daß nur durch die feinsten Beobachtungsapparate ihr Vorhandensein bestätigt werden konnte. Köln ist in gerader Linie etwa 300 Kilometer von Wilhelmshaven entfernt; die Erschütterungswelle brauchte, um die Entfernung zurückzulegen, die Zeit von 3,4 Minuten.

A. D. in Elberfeld. Lesen Sie die Artikel „Die Elektricität im Dienst der Heilkunde“, „Gartenlaube“ 1886; S. 432 und 508.


Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau. S. 437. – Ueber chronische Katarrhe der Athmungswege. Von Dr. M. A. Fritsche, Specialarzt in Berlin. Der chronische Rachenkatarrh und sein Einfluß auf die Stimme. S. 442. – Blühende Dornen. Gedicht von Karl Schäfer. S. 443. – Das erste Jahr im neuen Haushalt. Eine Geschichte in Briefen. Von R. Artaria. VII. 1. S. 444. – Kleine Bilder aus der Gegenwart. Mit Illustration. S. 445. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 446. – Blätter und Blüthen: E. Marlitt †. S. 450. – Eine neue Schwarzwaldbahn. S. 450. – Eisenbahnreisen der Kinder. S. 451. – Zeitungen in Südafrika. S. 451. – Die Hundstage. S. 451. Mit Illustration S. 437. – Ursprung der Polka. S. 451. – Die wachsende Bedeutung des Pumpernickels. S. 451. – Schuldverschreibung. S. 451. Mit Illustration S. 440 und 441. – Ein Franzose über die deutschen Frauen. S. 451. – Die Schmeichler. S. 452. Mit Illustration S. 449. – Aus der Schule des Lebens. S. 452. – Skat-Aufgabe Nr. 9. Von K. Buhle. S. 452. – Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 8 auf S. 416. S. 452. – Kleiner Briefkasten. S. 452.


Soeben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:

Sankt Michael. Roman in zwei Bänden von E. Werner.
Elegant broschirt Mk. 7.50. Elegant gebunden Mk. 8.50.

Ein Held der Feder. Gartenlaubenblüthen.
Roman von E. Werner.
Dritte Auflage.
Eleg. brosch. Mk. 5.–. Eleg. geb. Mk. 6.–.
Von E. Werner.
Dritte Auflage.
Inhalt: „Verdächtig.“ – „Hermann“.
Eleg. brosch. Mk. 4.–. Eleg. geb. Mk. 5.–.
In Folge vielfach an uns gerichteter Wünsche haben wir uns entschlossen, diesen Roman, welcher bisher mit der Novelle „Hermann“ unter dem Titel „Gartenlaubenblüthen vereinigt war, nunmehr separat erscheinen zu lassen. In dieser neugestalteten Auflage der „Gartenlaubenblüthen“ bringen wir zum ersten Mal in Buchform die Novelle „Verdächtig“ zusammen mit der auch in den beiden ersten Auflagen enthaltenen Novelle „Hermann“.
Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_452.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)