Seite:Die Gartenlaube (1887) 415.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

dies ein Schritt, welcher keineswegs, wie man glauben möchte, im ausschließlichen Interesse der Aerzte unternommen worden ist. Im Gegentheil, die Aerzte nehmen durch diese Anregung die Interessen der Allgemeinheit in Schutz, und sie erfüllen dabei eine ihrer Berufspflichten; denn sie müssen den Staat bei seinen sanitätspolizeilichen Gesetzen und deren Durchführung unterstützen und ihn auf Schädigungen des Publikums in seiner Wohlfahrt und Gesundheit aufmerksam machen.

Hoffen wir, daß es diesen Bestrebungen gelingen wird, das Richtige im Interesse des leidenden Publikums herbeizuführen.




Blätter und Blüthen.

Der erste ostafrikanische Vertrag. Dr. Karl Peters, von dem die Zeitungen vor Kurzem meldeten, daß er wieder in Sansibar eingetroffen sei, hat unter dem Titel „Deutsch-National“ (Berlin, Walther u. Apolant) eine Sammlung der Aufsätze herausgegeben, in denen er seine Fahrten und Reisen geschildert hat. Als der erste Pionier der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika hat er den Engländern die Kunst abgelernt, Reiche zu gründen in fernen Zonen. Aus seiner neuen Schrift entnehmen wir, in welcher Weise der Vertrag abgeschlossen wurde, der den Grundstein legte zum Besitze des Deutschen Reichs in jenen Gegenden, auf welche schon seit Jahrzehnten die Engländer ihr Augenmerk gerichtet hatten, in der Hoffnung, sich dort festzusetzen.

Es war eine kleine Expedition, an ihrer Spitze Peters, Dr. Jühlke und Graf Joachim Pfeil, welche im Herbste des Jahres 1884 sich von der Küste aus nach der Gebirgslandschaft Nguru begaben. Den König von Nguru, Mafungu Biniani, beschied man an die Haltestelle der Spedition: doch Seine Majestät zögerte und sandte zuerst ihren Premierminister, der sich sehr zaghaft geberdete und nicht einmal den Kognak trinken wollte, den man ihm anbot. Man versprach indeß dem Sultan selbst, wenn er kommen würde, schöne Geschenke, und die schwarze Excellenz begab sich zu ihm zurück, ihn zum Besuch bei den weißen Fremdlingen zu bestimmen. Graf Pfeil ließ die Kriegsmacht der Expedition aufmarschiren, die Waffen in der Hand; drei deutsche Reichsfahnen wurden herbeigeholt und aufgehißt. Dr. Peters konnte die Ankunft des Fürsten kaum erwarten und suchte seine Ungeduld durch eine Lektüre zu beschwichtigen, wie sie wohl in jenen Breitegraden zu den Seltenheiten gehören mag: er las nämlich die Lessing’sche Kritik über Voltaire’s „Semiramis“. Endlich erschien Mafungu mit großem Gefolge; Dr. Peters ging ihm entgegen, schüttelte ihm kräftig die Hand und nöthigte ihn, sich auf einen Schemel zu setzen zwischen den Führern der Expedition. Einige Tassen süßen Kakaos stellten alsbald ein freundliches Verhältniß zwischen Peters und dem jungen Fürsten her. Nach einer halben Stunde wagte der Erstere, ihm Freundschaft anzubieten; dieser ging noch einen Schritt weiter und bot dem Fremden Blutsbrüderschaft an. Nach kurzer Berathung mit den Genossen ging Peters auf diesen Vorschlag ein. Sein Oberarm wurde entblößt, wie der des Sultans; jeder von ihnen trat, seine Mannschaft hinter sich, auf einen freien Platz. Es ward ein tiefer Ritz in beide Oberarme geschnitten, und nun sogen sie gegenseitig von jenem rothen Naß, welches nach Mephistopheles ein ganz besonderer Saft ist. Dann schüttelten sie sich die Hände und es begannen die diplomatischen Verhandlungen, welche nach einer Stunde mit Abfassung und Unterzeichnung des ersten Vertrages endeten, der dem Deutschen Reich einen Besitztitel in jenen Gegenden verlieh. Dann folgten feierliche Scenen. Zuerst führte Mafungu feinem „Binder“ feine Frauen vor, mit der Bitte, eine davon auszuwählen; dann schenkte er ihm eine Ziege; darauf erfolgte die Besitzergreifung des Landes in pomphaftester Form mit Fahnen und Gewehrsalven vor Hunderten von Schwarzen. Endlich trat jene besonders ergreifende Ceremonie ein, durch welche der Freundschaftsbund zwischen Mafungu und Dr. Peters dauernd besiegelt wurde. Dieser eröffnete das mitgebrachte Bündel mit den Husarenjacken, und es wurde dem Sultan mitgetheilt, daß ein derartiges Geschenk nur den besten Freunden gemacht würde. Unter lautloser Stille wurde ihm alsdann eine Ziethen-Husarenjacke angezogen. Mafungu gewann augenscheinlich ungemein an Selbstgefühl und an Achtung bei seinem treuen Volke. Dann nahm Peters noch ein Bad mit ihm im nahen Flusse, wobei die Freundschaft noch intimer wurde. Der Abend endete mit einem Festessen, welches die Europäer dem Sultan und seinem Hofstaat gaben, und wozu dieser das Ziegenfleisch, jene den Grog lieferten.

Gewiß, dieser kühne Handstreich des kleinen Eroberertrupps macht einen tragikomischen Eindruck. Wer aber die Geschichte der Eroberungen in andern Welttheilen, die ersten Anfänge einer oft zu großer Bedeutung heranwachsenden Kolonialpolitik studirt, der wird überall auf ähnliche Vorgänge stoßen. Und man darf über diesen bunten und lustigen Scenen nicht den Heldenmuth der kühnen Schar vergessen, die, allen Gefahren trotzend und unermüdlich mit Beschwerden kämpfend, ins unbekannte Innere des fernen Welttheils eindrang. Schon jetzt hat das Kolonialgebiet der ostafrikanischen Gesellschaft, deren unerschrockene Pioniere Dr. Peters und die Seinen waren, eine Ausdehnung gewonnen, welche derselben für die Zukunft ein glänzendes Horoskop stellt.

Nach der Ruderfahrt. (Mit Illustration S. 401.) Der Rudersport, dessen eigentliche Heimath England ist, hat bekanntlich auch in Deutschland und Frankreich Liebhaber gefunden und in den letzten Jahren einen großartigen Aufschwung genommen, von welchem zahlreiche Regatta- und Rudervereine Zeugniß ablegen. Auch der Führer des Bootes auf unserem Bilde ist an seiner Kleidung leicht als solcher zu erkennen, der das Rudern sportsmäßig betreibt. Er hat auf seiner jüngsten Ausfahrt sein Schwesterchen mitgenommen und sieht nun, zurückgekehrt, zu, wie diese ihren Lieblingen, den Schwänen, die gewohnten Bissen verabreicht und über die Zutraulichkeit der Thiere sich freut. Ein reizendes Idyll mehr auf den an poetischen Eindrücken so reichen Fahrten des Ruderers.

**

Eine Londoner Missionsanstalt. Wir sprechen hier nicht von einer theologischen Missions- und Bekehrungsanstalt, sondern von einer Bildungsanstalt für die arbeitende Bevölkerung im Osten Londons, welche von ihrem Begründer den Namen Toynbee-Hall erhalten. Toynbee und seine jüngeren Universitätsgenossen glaubten durch einen regen Verkehr mit den untern Volksklassen bildend und fördernd auf sie einwirken zu können: ein Institut sollte solcher Einwirkung einen festen dauernden Halt geben. So wurde 1884 ein Gebäude unter jenem Namen errichtet, das die Einrichtung der Universitätskolleges hat und bescheidene Wohn- und Schlafzimmer für 17 junge Leute von Oxford und Cambridge, Räume für gemeinsame Mahlzeiten, für Klassenunterricht und Vorlesungen, für gesellschaftliche Zwecke enthält. Die meist jungen Leute haben fast nur Abends Zeit für ihr Wirken bei den Arbeitern, doch diese befinden sich ja in gleicher Lage. Gewöhnlicher Klassenunterricht, Vorlesungen, Besprechung eines anerkannten Werkes in Lesegesellschaften wechseln mit einander ab. Toynbee-Hall fördert aber nicht minder das physische wie das geistige Wohl der Arbeiter; es sind von dort aus Musterwohnungen für dieselben errichtet worden; auch für gesunde Erholung und Unterhaltung ist Sorge getragen.

Die Idee eines anregenden, lebendigen Verkehrs zwischen den Gebildeten und den Arbeitern ist gewiß überaus fruchtbar und es ist zu hoffen, daß auch in anderen großen Städten ähnliche Institute wie Toynbee-Hall ins Leben gerufen werden.

Hundemarkt in Apolda. (Mit Illustration S. 405.) Am zweiten Montage nach den Pfingstfeiertagen entwickelt sich in der besonders durch ihre Wollenwaarenindustrie bekannten thüringischen Stadt Apolda ein höchst originelles Leben und Treiben. Es findet der alljährliche öffentliche Hundemarkt statt, und in allen Tonarten verkündet die reichhaltige Musterkarte unserer lieben Hausfreunde ihre verschiedenen Ansichten über diese moderne Einrichtung. Dieselbe besteht seit 1863 und hat sich von Jahr zu Jahr gehoben. Die Zahl der zugeführten Hunde – Jagd- und Luxus-, Hirten- und Metzgerhunde – beträgt jetzt alljährlich zwischen drei- und vierhundert, und es werden Verkäufe bis zu dreihundert Mark für das Exemplar abgeschlossen. Für gute Rassemerkmale, besondere Leistungen auf dem Gebiete der Unterhaltungskunst etc. gelangen Preise zur Vertheilung, und Fortuna hat bei einer Verlosung zu allerlei launigen Ueberraschungen Gelegenheit, an welchen es übrigens am Markttage auch sonst nicht fehlt.

**

Königin Viktoria im Ornat. (Mit Illustration S. 409.) Einem Deutschen, Guido Schmitt, ist es gelungen, ein Bildniß der Königin Viktoria zu malen, dem die englische Kritik die größte Aehnlichkeit und eine eben so würdige wie graziöse Stellung nachrühmt. Das Bild stellt die Königin dar, die vor ihrem Throne steht im königlichen Schmucke. Der Reif der Krone funkelt von Juwelen und es steigen abwechselnd von ihm vier Kreuze und vier fleurs de lys (Wappenlilien) auf. Von dem Kranze gehen zwei sich schneidende Bogen aus, welche mit großen Perlen besetzt sind und die auf ihrer Höhe eine goldene Kugel mit Diamantkreuzchen tragen. Aehnlich ist dies bei dem goldenen Scepter der Fall, welcher 33 Zoll lang und spiralförmig ist. Der Knauf desselben ist mit Rubinen, Smaragden und Diamanten verziert; die Spitze endet in einer sechsblätterigen fleurs de lys; hierauf ruht ein kostbarer Amethyst und auf diesem erhebt sich das Brillantkreuz mit einem Smaragd in der Mitte. Krone und Scepter werden gewöhnlich im Tower von London im Reichsschatz aufbewahrt.

Die Königin ist mit mehreren Orden geschmückt. Der erste ist der Hosenbandorden, ohne dessen tiefblaues, mit Diamantagraffe auf der Schulter befestigtes Band sie sich niemals zeigt. Diese Ordensdekoration besteht in einem achtstrahligen silbernen Sterne, dessen Mitte das St. Georgskreuz bildet, von einem blau emaillirten Ring umgeben, auf welchem das Motto zu lesen ist: Honi Soit Qui Mal y pense. (Entehrt sei, wer schlecht davon denkt.) Dann trägt die Königin den von ihr selbst im Jahre 1878 gestifteten kaiserlichen Orden der Krone von Indien. Er besteht in der Namenschiffre V. R. I. in Diamanten, Perlen, Türkisen, umrahmt von einem perlenbesetzten Goldreif und von einem emaillirten, mit Juwelen geschmückten kaiserlichen Krönchen. Der dritte Orden der Königin ist der Albertorden, der gleich dem spanischen Isabellenorden nur für Prinzessinnen bestimmt ist. Er besteht aus einer Onyx-Kamee mit den Profilen der Königin und des Prinzgemahls in ovalem, mit siebzig Diamanten besetztem Rahmen.

Die Königin trägt eine Robe von schwerer schwarzer Seide, das Unterkleid von Halbbrokat auf weißer Seide, von dem sich der Hermelin zart abhebt. Der Schleier ist von Point d’Argentine.

Das Motiv zum Hintergrunde des Bildes ist dem Buckinghampalast (der Residenz der Königin) in London entnommen. Lorbeerkranz und Palmzweige versinnbildlichen die Huldigung der Nationen, der Lichtstrahl, der sich über die Herrscherin ergießt, den Segen, welchen der Himmel ihr spendet.

Das Bild, welches die Königin am 11. Mai in Augenschein nahm, befindet sich jetzt in der Jubiläumsausstellung im Krystallpalast. Die beste Reproduktion desselben ist das sogenannte Promenadenportrait, welches in London bei Marx u. Komp. (Heidelberg bei Carl Burow) zu haben ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_415.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2023)