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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


die hinlängliche Quantität Spargel vorhanden, mit genußvoller Ueberlegenheit bejahend. Nur als Felsing eines der zierlichen Bouquetts von Veilchen und Maiblumen vor den Kouverts aus dem geschliffenen Halter zog und sagte: „Sie hätten wohl größere Bouquetts vor die Damen stellen können, das sieht ja miserabel aus –“ da richtete sich der frühere fürstliche Kammerdiener zu seiner ganzen stattlichen Höhe empor, und der Ton klang etwas animirt, in dem er erwiederte: „Der Herr Konsul wollen mir die Bemerkung gestatten, daß diese lose zusammengebundenen Branchen von nur wenigen Blumen entschieden feiner sind als größere Bouquetts.“

Felsing zuckte etmas geringschätzig die Achseln, ließ aber den Gegenstand auf sich beruhen und wandte sich zum Gehen, nachdem er vorher nur noch die bereitstehenden Weine und das Büffett mit einem flüchtigen Blick gemustert hatte. In diesem Augenblick öffnete sich die Mittelthür, und ein schwammiges Gesicht mit rother Nase sah herein, das so wenig in diese Umgebung paßte, wie der abgeschabte Cylinderhut, welchen weiter unten seine Hände hin und her bewegten.

„Sie sind es, Treiber?“ fragte Felsing unangenehm überrascht. „Was wollen Sie? Ich habe jetzt keine Zeit zu Geschäften, das sehen Sie doch!“

„Erlauben der Herr Konsul nur zwei Worte,“ sagte der mittlerweile unter devoten Bücklingen Eingetretene und blinzelte dabei bedeutungsvoll mit den gekniffenen Augen, „ich war so frei, noch heute Abend zu kommen –“

„Nein, ich will jetzt nichts von Geschäften hören,“ unterbrach ihn Felsing unwirsch. „Kommen Sie morgen wieder, es wird dann auch noch Zeit sein.“

„Zeit ist immer,“ erwiederte Herr Treiber philosophisch, „Zeit ist morgen, Zeit ist heute, aber die rechte Zeit, das wissen der Herr Konsul selbst, ist nur manchmal.“

„Verschonen Sie mich mit Ihren allgemeinen Betrachtungen,“ rief dieser, rasch aus dem Sessel aufstehend, in den er sich geworfen. „Lieber will ich anhören, was Sie mir zu sagen haben, es wird kürzer sein. Kommen Sie herüber. Aber ohne Umschweife, denn meine Gäste können jeden Augenblick erscheinen.“

Herr Treiber warf im Abgehen einen verlangenden Blick nach den silberköpfigen Flaschen im Hintergrunde und wand sich dann in schlängelnder Bewegung dem Voranschreitenden nach, der die am Ende des Korridors befindliche Thür seines Arbeitszimmers öffnete. Seines wirklichen Arbeitszimmers, denn der gegenüberliegende, im Renaissancestil möblirte Raum mit dem prachtvoll geschnitzten Schreibtisch und der Merkurbüste darüber, mit den schweren Möbeln und eleganten Bücherschränken diente nur zum Empfang von Besuchen, das monumentale Tintenzeug von Bronze wurde niemals benützt, und die vielen Dokumente, welche die Fächer des Schreibtisches füllten, bestanden aus Rechenschaftsberichten und Gesellschaftsstatuten.

Die Zimmereinrichtung aber, in welcher der nach vorn so prunkend zur Schau gestellte Reichthum erworben war und welche ihr Besitzer unverändert aus dem alten schmutzigen Vorstadthaus in das neue übertragen hatte, sah ganz anders aus: an der Hauptwand ein äußerst vernutzter und abgeschabter Divan von ehemals schwarzem Leder mit einer seit Jahren hineingelegenen Vertiefung, davor ein tannener Tisch mit bedrucktem Wollteppich – daneben der massive eiserne Kassenschrank und an der zweiten Längenwand ein ungeheurer Schreibtisch mit vielen verschlossenen Thüren und Schubladen, welchen keines der eleganten Schreibutensilien zierte, wie jenen im vordern Zimmer, nur ein altes eisernes Tintenfaß, Siegellackstangen und Bindfaden, Papierscheere und Federn gewöhnlichster Sorte standen und lagen auf der weißgeriebenen Lederplatte. Man konnte glauben, im Nebenzimmer eines kleinen Kramladens zu stehen.

„Nun,“ sagte Felsing zu seinem Agenten, als dieser die Thür hinter sich geschlossen hatte, „was giebt es, daß Sie mir zu dieser Stunde ins Haus fallen? Reden Sie schnell!“

„Gott, werde ich doch reden so schnell wie möglich, um den Herrn Konsul nicht aufzuhalten,“ hob Treiber an, und auf eine ungeduldige Bewegung Felsing’s sprudelte er eiligst weiter: „Es ist ja nur zu sagen, daß ich die Herrschaft für Sie gekauft habe!“

Die Wirkung dieser Worte war eine ganz außerordentliche. Wie von einem Stoß getroffen fuhr Felsing herum, sein bis jetzt gleichgültiges Gesicht röthete sich lebhaft und die dunkeln Augen funkelten plötzlich auf. „Was sagen Sie? Sie meinen doch Eckartshausen? Und das erfahre ich erst jetzt?“

„Der Herr Konsul ließen mich ja nicht früher zu Worte kommen,“ entgegnete Treiber in klagendem Ton. „Ich laufe und renne von der Bahn hierher, denn Treiber, sage ich mir, es wird dem Herrn Konsul viel daran liegen, heute Abend noch –“

„Genug, genug,“ wehrte dieser ab. „Sparen Sie Alles, was nicht zur Sache gehört.“ Die momentane Erregung war bereits vorüber, sein Gesicht sah wieder kalt und ruhig aus. Er trat einen Schritt näher und fragte leise. „Wie viel?“

Der Agent lächelte voll plötzlicher Vertraulichkeit seinen Auftraggeber an. „Billig, Herr Konsul, billig! Dreimalhunderttausend Thaler. Ein wahres Spottgeld.“

„Na, na!“ protestirte Felsing.

„Aber, Herr Konsul, es ist ja halb geschenkt,“ ereiferte sich der Agent mit gekränkter Miene. „Sie können ja das Geld in drei Jahren aus den prächtigen Waldungen herausschlagen lassen. Gaben der Herr Konsul mir nicht die Vollmacht, aufs Doppelte zu gehen? Und aufs Doppelte wäre die Herrschaft auch gekommen, wenn ein Anderer als der Treiber das Geschäft besorgt hätte.“

„Nun, es ist gut; hoffentlich weiß noch Niemand, daß Sie für mich gekauft haben?“

„Wie soll man’s wissen?“ entgegnete der bewegliche Mann kopfschüttelnd. „Gaben der Herr Konsul mir nicht Ordre, daß Sie wollten bleiben vorläufig im Hintergrund? Verschwiegenheit ist Ehrensache, Herr Konsul. Wie auf einen Fels können Sie sich auf den Treiber verlassen!“ Und die dicke Hand ruhte betheuernd auf der schmierigen Weste.

„Schon gut,“ sagte Felsing ungerührt. „Bringen Sie morgen alle Papiere und halten Sie ferner reinen Mund, vor Allem gegen den Grafen. Verstanden?“

„Seien Sie ganz ruhig, Herr Konsul, der Graf ließ mich schon rufen und wollte von mir wissen, wer der neue Besitzer von Eckartshausen sei? Herr Graf hab’ ich gesagt, wer hat die Herrschaft gekauft? Ich habe sie gekauft. Was ich weiter damit machen werde, weiß ich selbst noch nicht, kann ich Ihnen also auch nicht sagen. – Der Herr Graf machte ein bitterböses Gesicht, da er aber sonst ein guter Herr ist, wurde er gleich wieder freundlich und meinte, der Verkauf zu diesem Preise mache ihn nun doch nicht ganz flott, ich sollte ihm weiteres Geld schaffen!“

Die Züge Felsing’s drückten das lebhafteste Interesse aus.

„Herr Konsul,“ fuhr der Redselige dadurch ermuntert fort, „Sie glauben nicht, was das für ein Mann ist! Es ist grausig, wie er mit dem Gelde umgeht! Wer das Geld kennt, was es ist, was es bedeutet“ – sein Ton nahm bei diesen Worten einen beinahe feierlichen Charakter an – „dem dreht sich das Herz im Leibe dabei herum! Und sein Herr Sohn bei den Husaren in Berlin, der treibt’s womöglich noch ärger! Ich sage Ihnen, Herr Konsul, wenn der Graf und sein Sohn so fortmachen mit Verschwenden, so müssen die Leute zu Grunde gehen, trotz ihres Reichthums. Kommt ja doch das Andere auch noch hinzu.“

„Das Andere? Was?“

„Ich bitte Sie, Herr Konsul, Sie kennen doch die Spekulationen des Grafen an der Börse! Nun hat er sich gar das Präsidium der Bau- und Bodengesellschaft und fünfhundert Stück Aktien der Gesellschaft pari aufschwatzen lassen. Heute stehen sie dreißig und –“

„Bleiben Sie bei der Sache, Treiber,“ unterbrach Felsing ungeduldig den Sprecher, „Sie sagten, der Graf sei noch nicht flott, er brauche weiteres Geld?“

„Ob er’s braucht, Herr Konsul!“ erwiederte grinsend der Agent, während seine fleischigen Hände wieder zärtlich den Cylinderhut streichelten. „Hat mir schon Auftrag gegeben, es ihm zu schaffen – um jeden Preis! Ueberlege mir’s eben, hätte das Pöstchen zur Hand, und gegen ein Ehrenwechselchen dächte ich –“

„Ihre schmutzigen Geldgeschäfte gehen mich nichts an,“ fiel ihm Felsing hochmüthig ins Wort, indem er sich von seinem Sitze erhob, während Treiber mit einem zwischen Grimm und Devotion wechselnden Gesichtsausdruck zu Boden blickte und dabei immer krampfhafter seinen Hut glättete – „aber behalten Sie mir den Grafen im Auge! Er hat noch die Herrschaft Hochberg –“

„O, Hochberg will er unter keinen Umständen veräußern,“ erwiederte Treiber.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_410.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)