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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Fassung erschien, sowie in der muthigen Initiative, mit welcher die Werke jüngerer talentvoller Poeten von ihm an das Licht der Prosceniumslampen gefördert wurden. Loën hatte als Kritiker und jahrelanger Mitarbeiter der „Blätter für litterarische Unterhaltung“, noch mehr in einer Reihe von Aufsätzen in der „Leipziger Zeitung“, in denen er besonders Portraits der hervorragenden Schriftsteller der Gegenwart entwarf, kritischen Scharfsinn und Feingefühl in der Auffassung dichterischer Eigenart bewiesen, so daß er nicht wie viele andere Intendanten und Direktoren auf die Empfehlungen der Theateragenten und die Reklame, die sich an erfolgreiche Aufführung von Stücken an anderen Bühnen anknüpft, angewiesen war, sondern die neuen Dichtungen selbständig prüfen und Werthvolles seiner Bühne aneignen konnte. So ging er oft den andern Theatern voran mit der Vorführung von Dramen, die zum Theil die Runde über die andern Bühnen machten, zum Theil in Weimar einen Achtungserfolg davon trugen, der die Wahl seitens des Intendanten rechtfertigte.

In allen jenen Gesellschaften, die in Weimar ihren Sitz haben, der Shakespeare-Gesellschaft, der Schiller-Stiftung, der neubegründeten Goethe-Gesellschaft, hatte Loën eine einflußreiche Stellung im Vorstand; er war gleichsam der Großsiegelbewahrer der klassischen Heiligthümer, die in der Musenstadt Weimar für die Jünger und Forscher in den nachstrebenden Geschlechtern aufbewahrt werden.

Loën war nicht bloß ein Intendant, welcher eine den Hoftheatern feindselige Stimmung mit diesen zu versöhnen vermochte: er war auch ein edler, liebenswürdiger Mensch, im Sinne des Goethe’schen Ausspruchs: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ War er doch auch durch einen seiner Vorfahren, der ganz wie der Enkel sich schriftstellerisch thätig gezeigt, mit dem Altmeister von Weimar, dem Hohenpriester einer menschenfreundlichen Gesinnung, verwandt. †     

Sonntagsreiter. (Zu der Illustration S. 353.) Das Motiv ist aus dem Großen Garten in Dresden, diesem „Dorado“ aller dortigen Sonntagsreiter, entnommen. Die „Helden“ des Bildes sind wohlsituirte Kaufleute, und ihre zwei Gäule mit den klangvollen Namen „Kleopatra“ und „Almansor“, beide für gewöhnlich „lammfromm“, sind heute durch ein vorbeifahrendes Gefährt höchst bedenklich aus der Ruhe gebracht. Uebrigens eine Situation, wie man sie nicht nur in Dresden beobachten kann: störrische Gäule und schlechte Reiter giebt es auch an anderen Orten, und belustigte Zuschauer, denen die Schadenfreude eben so aus dem Gesichte lacht wie den beiden Dienern auf dem Rücksitz des vorübereilenden Wagens, fehlen gleichfalls nirgends. **     

„Von ihm!“ (Mit Illustration S. 357.) Sie befinden sich auf Sommerfrische – er, sie, es: der behäbige Papa, die noch behäbigere Mama, und es –? „Es“ ist etwas Siebzehnjähriges, Schlankes, Reizendes und Verlobtes. Woher ich weiß, daß sie sich auf Sommerfrische befinden? Ich weiß es nicht, aber ich nehme es als sicher an; denn die Vegetation deutet auf Hochsommer, auf jene Zeit, wo Leute in guten Verhältnissen schlechterdings es zu Hause nicht mehr aushalten. Auch daß der Kaffeetisch im Freien servirt ist, scheint mir dafür zu sprechen; und „Es“ pflückt Blumen. Ich behaupte, sie würde das im eigenen Garten nicht thun, obschon es sich nur um wilde Blumen handelt. Junge Mädchen pflücken Blumen nur auf Spaziergängen im Freien, vorzugsweise aber in der Sommerfrische. Wie dem auch sei: „Es“ ist verlobt, und der Verlobte weilt in der Ferne. Das ist hart, aber nicht tödlich. Es liegt sogar ein gewisser Reiz darin, die holde Pein des Fernseins durchzukosten, und die Nothwendigkeit des Ausfliegens in Sommerfrischen pflegt diesen Reiz der Brautzeit noch zu erhöhen. Ich bin überzeugt, „Es“ trägt etwas von dem Hochgefühl der Büßer mit sich herum, welche freiwillig sich quälen; sie leidet – leidet um ihn! Inzwischen sorgt die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit unserer Postverbindung dafür, daß ihr dann und wann eine „Birne für den Durst“ in Gestalt eines Briefes von dem Fernen wird. Ohne das wäre es natürlich nicht zum Aushalten. Ah, welche Wunder wirkt solch ein Brief! Längst ist der Kaffee servirt, und das Töchterchen pflückt Blumen: sie ist heut nicht herauf zu bekommen.

„Gleich, Mama!“ Das ist wenigstens das fünfte Mal, daß sie den Ruf zum Kaffee mit „Gleich, Mama!“ beantwortet hat. Soeben aber ist der Reichspostbote dagewesen, und Mama hat den Zauber in Händen, der allem Zaudern ein Ende macht; „Von ihm!“ O Himmel, man hält sich hier mit Blumen auf, und da oben wartet ein Brief von ihm! Welch eine Sünde wäre es, noch einen Augenblick länger zu glauben, daß man oben nicht dringend nöthig ist! – Leider ist zu befürchten, daß, falls der für das junge Mädchen bestimmte Kaffee bisher etwa noch nicht kalt geworden sein sollte, er nunmehr diesem Schicksal sicherlich nicht entgehen wird.

Ein altes Komplimentirbuch. In artigen Komplimentirbüchlein gültige Regeln für gesellschaftliches und sociales Leben in Kurs zu bringen, ist nicht nur unsere Zeit so löblich beflissen; schon frühere Jahrhunderte haben danach getrachtet, in wohl durchdachten Paragraphen Recepte für Gewinnung des feineren Lebensschliffes und galanter Politur zu gewinnen. Ja man hat sogar das savoir vivre schon früh als eine Art Wissenschaft erkennen gelernt und demgemäß mit akademischer Gründlichkeit erörtert. Sehr interessant ist in dieser Hinsicht ein heute längst verschollenes, im Jahre 1730 in zweiter Auflage erschienenes Büchlein, das den Titel führt; „Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft, der Privat-Personen, welche die allgemeinen Regeln, die bey der Mode, den Titulaturen, dem Range, den Complimens, den Geberden, und bey Höfen überhaupt, als auch bey den geistl. Handlungen, in der Conversation, bey der Correspondenz, bey Visiten, Assembleen, Spielen, Umgang mit Dames, Gastereyen, Divertissemens, Ausmeublirung der Zimmer, Kleidung, Equipage, u. s. w. enthält. Einige Fehler entdeckt und verbessert, und sie hin und wieder mit einigen moralischen und historischen Anmerkungen begleitet, abgefaßt von Julio Bernhard von Rohr.“[WS 1] Ein Hauptabschnitt handelt natürlich „von dem Umgang mit Frauenzimmer“. „Die Conversation mit dem Frauenzimmer muß allezeit mit Tugend und Sittsamkeit vergesellschaftet werden.“


Allerlei Kurzweil.
Schach.
Von John Field in London.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 336.
Weiß: Schwarz:
1. D a 1 – e 1 K e 5 – d 4 :
2. L e 4 – g 2 L h 2 – g 1 ! A)
3. D e 1 – g 3 : ! L g 1 – e 3 (oder beliebig)
4. D g 3 – g 7 : (resp. c 2 – c 3) matt.

A) 2. … beliebig anders, 3. c 2 – c 3 +, K d 4 – d 3, 4. L g 2 – e 4 matt. – Auf 1. … L g 1 folgt 2. D g 3 : + und falls K : T so 3. L g 2 (h 1) etc. Auf 1. … S e 6 geschieht 2. L d 3 aufged. +, K : T, 3. L c 4 ! nebst 4. c 2 – c 3 matt. Dies ist zugleich die Drohvariante. Das Problem bekundet in Anlage und Durchführung die Hand des Meisters.


Auflösung der „Räthselhaften Inschrift“ auf S. 352:

A Glaesle gut’n Wein,
A Trum von a Wurst,
Ist gut für den Hunger
Und stillt a den Durst!


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

An das „Kränzchen“ in M. Wenn Sie in dieser heiklen Frage unser Urtheil anrufen, so müssen wir Ihnen aufrichtig sagen, daß das Schreiben eines anonymen Briefes unter allen Umständen auch zu dem von Ihnen angeführten „guten Zweck“ eine verwerfliche Handlung ist. Abgesehen davon, daß der vermeintlich Ahnungslose, den man warnen will, meistens bereits hinlänglich unterrichtet ist, kann ein solches Zielen aus dem Hinterhalte niemals gebilligt werden. Was man nicht offen sagen oder mit seiner Namensnennung schreiben kann, das muß ungeschrieben bleiben. Anonyme Briefe haben schon großes Unheil angerichtet – es stände besser um die Gesellschaft, wenn das Schreiben eines solchen allgemein als niedrige Handlung verpönt wäre!

Buchhalter S. in L. Sie verlangen von uns, wir möchten Ihnen einen „interessanten, Abwechslung bietenden“ Apparat für Zimmergymnastik empfehlen. Die Freiübungen seien Ihnen zu „langweilig“. Vermuthlich wird die Langeweile bei Ihnen vornehmlich auf Turnfaulheit beruhen; denn die Freiübungen sind unserer Meinung nach sogar sehr interessant. Einen reiche Abwechslung bietenden Apparat wollen wir Ihnen trotzdem empfehlen. Es ist dies der Gummistrang, eine starke Gummischnur mit zwei Handgriffen versehen. Der Apparat ist so leicht, daß man ihn bequem in der Tasche tragen und auch auf Spaziergängen benutzen kann. Es giebt verschiedenartige Konstruktionen desselben; wir geben derjenigen den Vorzug, bei welcher der Gummistrang in einzelne Schnüre zerlegbar ist, so daß der Anfänger mit Zunahme der Kräfte den Strang verstärken kann. Der Gummistrang von E. Trachsler-Wettstein in Hallau entspricht diesen Anforderungen, und es lassen sich mit ihm Kraftübungen ausführen, welche denen mit Hanteln oder Eisenstäben schwersten Kalibers durchaus gleich sind.

E. V. in N. In den Klagen über strenge Behandlung der Elsässer steckt ein gutes Theil Uebertreibung. Noch kursiren in Straßburg zahllose französische Kupfermünzen und werden unbeanstandet genommen, außer von der Post und öffentlichen Kassen; noch sind die Mehrzahl der Ladenschilder französisch und in den Läden die Auszeichnungen nach Franken und Centimes notirt; noch wird in den Instituten „histoire française“ als besonderes Fach gelehrt, kurz, man begegnet auf Schritt und Tritt einer Duldung französischer Elemente, die auf einen aus Deutschland Kommenden fast befremdend wirkt. Auch mit den von Ihnen als „unpolitisch“ getadelten Ausweisungen ist es nicht so arg. Es leben in Straßburg genug Leute, die ehemals für Frankreich optirt haben und dann ruhig in der Stille zurückgekehrt sind, um in ihren altgewohnten Beziehungen weiter zu leben. So lange sie sich ruhig verhalten, werden sie geduldet; daß man sie aber ausweist, sobald sie auch noch auf solche Langmuth hin sündigen, ist doch nur natürlich!

H. P. in P. Ein Artikel über das betr. Thema erscheint demnächst.


Inhalt: Götzendienst. Roman von Alexander Baron v. Roberts (Fortsetzung). S. 353. – Allerlei Nahrung. Gastronomisch-wissenschaftliche Plaudereien. Von Karl Vogt. IV. Meerfrüchte und kein Ende. S. 359. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Stickapparat an Doppelsteppstich-Nähmaschinen. Von C. Falkenhorst. Mit Abbildung. S. 361. – Die Einsame. Erzählung von S. Kyn (Fortsetzung). S. 361. – Schießübungen unserer Soldaten. S. 366. Mit Illustration S. 365 und zwei Abbildungen S. 366. – Blätter und Blüthen: Ein deutscher Theaterintendant. S. 367. – Sonntagsreiter. S. 368. Mit Illustration S. 353. – „Von ihm!“ S. 368. Mit Illustration S. 357. – Ein altes Komplimentirbuch. S. 368. – Allerlei Kurzweil: Schach. S. 368. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 336. S. 368. – Auflösung der räthselhaften Inschrift auf S. 352. S. 368. – Kleiner Briefkasten. S. 368.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

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