Seite:Die Gartenlaube (1887) 337.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 21.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


Götzendienst.

Roman von Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)


12. Zwölfhundertfünfundneunzig.

Eff und Melitta waren die vier Stock hoch zu der Wohnung des Oberstlieutenants hinangestiegen. Sie machten Verlobungsbesuche; doch in aller Stille geschah es und nur die nächsten Freunde wurden damit bedacht. Eine dumpfe Stimmung brütete über dem Belzig’schen Hause, und auch das junge Glück der beiden Verlobten mußte vorsichtig den Athem anhalten, daß es nicht zu laut wurde. Aber es entschädigte sich auf den Gängen und Ausfahrten.

Was war denn geschehen? Lolo war noch rechtzeitig aus einer unheildrohenden Verbindung erlöst worden, und ihre Briefe aus Erfurt, wo sie von Eff’s Verwandten gefeiert und verhätschelt wurde, waren voll naiver, kindlicher Freude über die Erlösung. Nein, sie hätte „ihn“ nie lieben können – und wenn Mamas Kummer nicht wäre, und wenn nicht solche Entlobung einen so häßlichen Schatten würfe, so könnte sie aufjubeln – sie hätte sich nie so frei gefühlt – sie würde überhaupt wohl nie einen Mann lieben! setzte sie wie ein altkluger Backfisch hinzu.

Uebrigens war der Schatten dieser Entlobung schon im Erblassen. Das Unselige, das Mühüller angekündigt, war nicht eingetroffen. Die beiden Mädchen hatten überhaupt davon nichts erfahren. Frau Belzig beharrte auf ihrem Hohn, der Jenem einfach nicht die Kourage zutraute, sich totzuschießen. „Und wenn! – Es ist das Beste, was er thun kann!“ Jedenfalls war der dreitägige Verlobte Lolo’s gänzlich verschwunden. Die Belzigs begannen aufzuathmen – gottlob! der Skandal war noch nicht das Aeußerste; man war noch einmal mit einem freilich sehr tüchtigen blauen Auge davon gekommen. Was bedeutete das aber der unzerreißbaren Firma, die unter einem Goldregen stand! Auch Eff war zuletzt geneigt, Mühüller’s und seiner Schwiegermutter Meinung betreffs der Kourage des Grafen beizustimmen. Und wenn er daran dachte, wie er in jener Nacht gesorgt und gelaufen, um den Schuß aufzuhalten während Jener vielleicht ganz friedlich in irgend einer Ecke eines Kafés seinen Rausch ausschlummerte!

O, es war also kein Grund, auch außerhalb des Hauses den Athem anzuhalten. Langsam, ganz langsam waren die Beiden die Treppe hinangestiegen; mit jedem der höheren Flurfenster wurde die Aussicht über die weite Flucht der Gärten, die sich mit blendendem Glanz in ihrem von der Mittagssonne beschienenen Schneeschmuck ausbreiteten, immer verlockender. Und sie standen in dem freudigen Scheine, Eines ans Andere gelehnt, selige Minuten lang; dann stiegen sie höher; es gab an den Thüren so viel Schilder und Visitenkarten, die Melitta’s Muthwille studiren mußte, und sie hatte solche Freude an dem lauten Hall ihres silbernen Lachens in dem kahlen Treppenhause.

Endlich waren sie oben. Auf dem ungleichen und blasigen Anstrich des einen Thürflügels prangte eine ungeheuerliche Porcellanplatte mit dem pompösen Namen „Freiherr Trutz von Gamlingen zu Trachenberg“. Die Geschichte des Schildes bildete eine Art Ergänzung zu dem, was das

Das Haydn-Denkmal in Wien.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_337.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2023)