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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

No. 19.   1887.
      Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.



Götzendienst.
Roman von Alexander Baron v. Roberts.
(Fortsetzung.)
9. Verstaucht.

Man konnte nicht länger warten. Ein energisches Ultimatum des Küchenchefs, durch Friedrich’s diplomatische Form gedämpft, stellte das Fiasko eines verpfuschten Soupers in sichere Aussicht. Man brach eben auf, und die Herren durchkreuzten nach ihren Damen suchend die Salons; da kam ein Brief an.

Frau Belzig fiel es wie ein Alp vom Herzen. Sie war ganz glücklich. Gottlob, der Graf war wirklich auf dem Glatteis verunglückt! Gottlob, nichts Anderes! Hatte denn ihres Gatten Hinweis auf den Budapester Skandalfall sie so alarmirt?

Allgemein war der Ausdruck des Bedauerns; man umdrängte die Belzigs und die verlassene Braut. Aber das Bedauern ward zu einer Verwunderung über Frau Belzig’s freudestrahlende Miene, die sie nicht zu bemeistern vermochte. Gottlob, so hielt sie noch einmal diese Grafenkrone! – Hatte sie sich doch zuletzt der Angst nicht mehr zu erwehren vermocht, daß das kostbare Ding ihr dennoch entschlüpfen könnte.

„Nur eine leichte Verstauchung!“ sprach sie, ihre räthselhafte Glücksmiene erläuternd. Der Graf hätte immer noch kommen wollen, aber es wäre ihm nicht möglich gewesen, ein Schuhwerk anzulegen. Man beglückwünschte sie, daß es nichts Schlimmmeres war, und dachte mit Schrecken an den eigenen Nachhauseweg.

Auch Lolo fühlte sich wie erleichtert, als wenn auch sie vorhin eine schwere Ahnung bedrückt. Der Budapester Skandal lag wie ein gespenstischer Schatten über dem Fest. Der Hauptmann prüfte das Schreiben mit gerunzelten Brauen, als wäre es irgend eine schwierige taktische Aufgabe. War denn das nicht glaubwürdig?

„Ich weiß nicht,“ murmelte er vor sich hin, als Perkisch ihm das Papier aus der Hand nahm, „ich weiß nicht, eine Verstauchung … ich würde mich doch hierher haben tragen lassen, ehe ich ihnen Allen das Fest verdorben hätte!“

Perkisch war am wenigsten beruhigt. Er traute durchaus nicht, stand in einer Fensternische und studirte den Brief. Mehr ein Wisch, in einem Restaurant mit schlechter Feder hingekritzelt, nicht einmal von des Grafen Hand, ein unleserlicher, aber sehr pompöser Namenszug darunter. „Ein unerhörtes

Der kleine Doktor.0 Nach dem Oelgemälde von L. v. Gelder.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_305.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)