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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Entlehnungen. Glücklich ist diese Wahl außerdem nicht: denn daß die beiden jungen Dirnen auf dem Bilde nicht gerade an den Ruhm Frankreichs denken, das zu erkennen bedarf es keines tiefen Verständnisses für den Gesichtsausdruck der Sterblichen.

Vorbereitungen zur neunzigsten Geburtstagsfeier des Kaisers in der Kaserne.
Originalzeichnung von E. Hosang.

Vorbereitungen zur neunzigsten Geburtstagsfeier des Kaisers in der Kaserne. Für den Soldaten ist des Kaisers Geburtstag wohl der höchste Festtag des Jahres; kein anderer gewährt ihm solche Freiheit; denn die Kasernenthore stehen bis zum Morgen offen und Niemand braucht um Urlaub einzukommen. In vielen, besonders neuen Kasernen, welche geeignete große Räumlichkeiten haben, finden die Festlichkeiten des Abends statt in den ausgeräumten großen Schlafsälen. Und diese Räume würdig auszustatten, wetteifert das Talent verschiedener Künstler, welche fast jede Kompagnie aufzuweisen hat. Der eine Freiwillige, ein Bautechniker, malt auf Leinwand ein Bild des Kaisers in Lebensgröße, freilich keine künstlerische Leistung, die mit den Portraits eines Franz Lenbach wetteifern kann; aber sie wird viel bewundert von den Kameraden und ist ein Ausfluß echter Begeisterung für den greisen Monarchen. Der Anstreicher und der Blechlackirer, welche der Kompagnie angehören, haben ein riesiges Transparent kunstvoll angefertigt: welche magische Wirkung werden die Inschrift, das Eiserne Krenz und der Lorbeerkranz ausüben, wenn am Abend dahinter gestellte Lichter diese patriotischen Insignien beleuchten! Andere schmücken die Kasernenstube mit Guirlanden, und das Herz der wackeren Soldaten schlägt stolzer bei dem Gedanken, daß sie zur Feier des geliebten Kaisers das Beste gethan, was in ihren Kräften steht.

Eine französische Lebensbeschreibung Kaiser Wilhelm’s von Eduard Simon ist vor Kurzem in deutscher Uebersetzung erschienen (Jena, Costenoble); es ist erfreulich, daß diese Lebensbeschreibung, obschon von einer französischen Feder herrührend, mit gutem Gewissen auch dem deutschen Volke zugeeignet werden konnte: wir besitzen sogar in Deutschland nur wenige eingehende und zusammenhängende Darstellungen von Kaiser Wilhelm’s Leben. Daß der Verfasser nicht im Stile der Déroulède und der jetzigen französischen Revanchepartei geschrieben, daß er sich streng an die Thatsachen gehalten, jede Empfindlichkeit verleugnet hat, kann seinem Werke zum Ruhme nachgesagt werden; ohne Frage hat ihm eine gewisse Sympathie die Feder geführt, und auch was er über den Kronprinzen, über Bismarck und Moltke sagt, beweist rückhaltlose Anerkennung der Bedeutung dieser hervorragenden Persönlichkeiten.

Gleichwohl ist es natürlich, daß Simon als Franzose die Sachen unter einem andern Gesichtswinkel sieht, als ein deutscher Autor sie sehen würde, und daß vor Allem seiner Darstellung jene Wärme und Begeisterung fehlt, welche, ohne aufdringlich zu sein, doch wie mit geheimem Pulsschlag ein derartiges Werk durchdringen müßte. Der Geschichtschreiber braucht sich nicht in einen begeisterten Dichter zu verwandeln und Hymnen zu singen, wo er Thatsachen zu berichten hat; aber er wird, wenn er seinem Helden nicht bloß Sympathien, sondern Begeisterung entgegenbringt, doch Töne anschlagen, welche im Herzen unseres Volkes ein freudiges Echo finden. Das kann man von einem Franzosen selbstverständlich nicht erwarten: man wird es schon anerkennen müssen, wenn er sich von jeder Feindseligkeit und Gehässigkeit fern hält und sich geschichtlicher Wahrhaftigkeit befleißigt. In der Regel sind die Besiegten schlechte Geschichtschreiber, wo es die Thaten ihrer Sieger gilt.

Trotz aller Verdienste des Simon’schen Werkes ist dasselbe doch nicht als das Kunstwerk eines hervorragenden Biographen zu betrachten, das in harmonischer Vollendung auf der Grundlage beglaubigter Thatsachen aufgebaut ist; noch weniger kann ein Franzose ein Volksbuch schaffen, das für den Hausschatz eines jeden Deutschen sich eignen würde.

Goldene Worte des deutschen Kaisers Wilhelm I. Unter diesem Titel hat Adolf Kohut ein Gedenkbuch für das deutsche Volk herausgegeben mit dem Portrait des Kaisers. Es sind keine geflügelten Worte, welche durch pikante Wendungen sich einzuschmeicheln suchen: sie alle athmen den Ernst der Gesinnung, die Größe des Wollens, einen eben so milden und würdigen wie energischen Geist. So denkt ein Monarch, dessen Gedanken sich jeden Augenblick in Thaten verwandeln können und oft verwandelt haben. Die Sammlung wird Allen willkommen sein.


Kleiner Briefkasten.

B. R. in Wien. Die Originalzeichnung „Goaßlfahren“ S. 129 der „Gartenlaube“ ist nicht von Karl Marr; der Name wurde irrthümlich angegeben.

J. V. in Wien. 1) Ja! 2) Nein!

M. N. in Breslau und H. V. in Schwarzenberg. Nicht geeignet.


Inhalt: Zum neunzigsten Geburtstag Kaiser Wilhelm’s. Illustration. S. 181. – Zum 22. März 1887. Gedicht von C. Hecker. S. 182. – Herzenskrisen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 182. – Ein Ehrentag im Leben des Kaisers Wilhelm. Von Rudolf v. Gottschall. S. 187. Mit Illustration. S. 184 und 185. – Kaiser Wilhelm im neunzigsten Lebensjahre 1887. Portrait. S. 189. – Ein verhängnißvolles Blatt. Erzählung aus den bayerischen Bergen von Anton Freiherrn v. Perfall (Schluß). S. 189. – Kornblumen zum 22. März 1887. Von Fr. v. Hohenhausen. Mit Illustration. S. 193. – Aus Kaiser Wilhelm’s Privatleben. S. 194. – Blätter und Blüthen: Die Wiege des Kaisers. Mit Illustration. S. 195. – König Wilhelm 1861. S. 195. Mit Portrait S. 188. – Berlin am Geburtstage des Kaisers. S. 195. – Tiroler im Elsaß. S. 195. – Vorbereitungen zur neunzigsten Geburtstagsfeier des Kaisers in der Kaserne. Mit Illustration S. 196. – Eine französische Lebensbeschreibung Kaiser Wilhelm’s. S. 196. – Goldene Worte des deutschen Kaisers Wilhelm I. S. 196. – Kleiner Briefkasten. S. 196.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das erste Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen Reichspostamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf., 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.

Die Verlagshandlung.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
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