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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Nachdem wir auch am anderen Ufer der Donau mit Erfolg gejagt hatten, schieden wir endlich am fünften Tage nach unserer Ankunft in Czerowitz von unserem aufopferungsvollen Wirthe, dem Grundherrn, und schwammen donauabwärts weiter, nach Kovil, dem Endziele unserer Fahrt.

In der Nähe dieses großen Dorfes liegen rings von Feldern umgebene Waldungen, in denen die Eiche zwar vorherrscht, deren Unterwuchs aber ein so dichter ist, daß, trotz der vielen Ortschaften ringsum, Wolf und Wildkatze in ihnen ein zwar vielfach bedrohtes, jedoch kaum gefährdetes Dasein führen können. Kein Wunder daher, daß auch Raubvögel aller Art, insbesondere See-, Kaiser-, Schrei- und Zwergadler, Schlangenbussarde, Milane, Habichte, Uhus und andere Eulen, sie zu Horstplätzen gewählt haben, und daß sie ebenso allerlei Kleingeflügel in Menge beherbergen. Ihnen zogen, im Voraus reicher Beute sicher, unser hoher Jagdherr und sein erlauchter Schwager zu, während Eugen von Homeyer und ich unser Jagdglück in einem oberhalb des Dorfes gelegenen, durch das gegenwärtig herrschende Hochwasser in einen weiten See verwandelten Sumpfe versuchten.

In diesem Sumpfe herrscht, obwohl kaum mehr als der geringste Theil seiner gefiederten Bewohnerschaft eingetroffen sein kann, der Zug der Vögel vielmehr noch in vollem Gange ist, überraschend reiches und vielgestaltiges Leben. In fast ununterbrochener Folge ziehen starke Flüge der Trauerseeschwalben den Fluthen des Stromes entgegen, manchmal zu dicht gedrängten Schwärmen sich sammelnd, manchmal wiederum beinahe über die ganze Breite der überschwemmenden Donau sich vertheilend; offenbar noch nach Horstplätzen suchend, wandern Hunderte von Sichlern oder dunklen Ibissen, im Flug die übliche Keilform bildend, stromauf und stromab, der nahen Theiß zustrebend oder von ihr herkommend; mit dem Fischfange sich beschäftigend, schreiten auf allen ihnen zugänglichen Stellen der weiten Wasserfläche Purpur-, Fisch- und Rallenreiher hin und wieder; lange Rohrstängel zum Horste tragend, befliegen Rohrweihen die altgewohnten Straßen; wiederum gepaarte Enten, deren Weibchen durch die Hochfluth ihrer Eier beraubt wurden, stehen beim Erscheinen unserer kleinen, flachen Boote polternd vom Wasser auf, wogegen Steißfüße und Taucherhühnchen in seiner Tiefe Zuflucht suchen: kurz, kein einziger Theil der weiten Fläche ist unbevölkert, unbelebt. Ein Förster, der des unter Wasser stehenden Waldes und der in diesem verlaufenden Wege kundig ist, erwartet uns in einem inselgleich das überschwemmte Land überragenden Hause und wird uns zum Führer in einer Waldwildniß, welche die früher besuchten aus dem Grunde weit hinter sich zurückläßt, weil das Hochwasser zu stets vorhandenen Hindernissen neue gehäuft hat. An viele sonst wohl in beträchtlicher Höhe über dem Boden sich reckende Zweige streifend, oft vor wegesperrenden Aesten uns bückend, versuchen wir, auf den breiteren Wasserstraßen zwischen halb oder gänzlich niedergestürzten Bäumen, schwimmenden Klötzen und Treibhölzern uns einen Pfad zu bahnen und in das Innere des Waldes vorzudringen. Ein Bild aus dem Vogelleben verdrängt hier das andere; jedes erscheint aber ungewöhnlich, weil es die obwaltenden Verhältnisse wesentlich verändert haben. Um zu einem Seeadlerhorste zu gelangen, müssen wir eine weite Strecke durchwaten, um einen Kolkrabenhorst zu besuchen, weite Umwege machen. Regelrechtes Jagen ist unter solchen Umständen nicht möglich, unsere Jagd jedoch trotzdem ergiebig und lohnend. Mir selbst bereitete dieser Ausflug die Freude, einen der hervorragendsten gefiederten Baukünstler Europas, die Beutelmeise, an ihrem Reste arbeiten zu sehen, sie überhaupt zum ersten Male in ihrem Thun und Treiben zu beobachten.

Der folgende Tag vereinigt die ganze Jagdgesellschaft in einem der erwähnten Feldgehölze. Ein ungarischer Förster hat ein großartiges Wolfstreiben veranstaltet, jedoch so wenig geschickt eingerichtet, daß Freund Isegrimm ungesehen und unbemerkt davon schleichen kann. Die aussichtslose Jagd wird daher bald abgebrochen und die wenige uns noch übrige Zeit einer lohnenderen Beobachtung der Vogelwelt des Waldes gewidmet.

Noch im Laufe des Nachmittags verlassen wir Kovil, erreichen gegen Sonnenuntergang Peterwardein, fahren in den ersten Nachtstunden an der Fruschkagora vorüber, verlassen am anderen Tage nur noch einmal das Schiff, um in dem Rohrsumpfe Hullo zu jagen und Beobachtungen zu machen, bekommen hier auch den bisher vergeblich gesuchten Edelreiher zu Gesicht, müssen jedoch der ablaufenden Zeit Rechnung tragen und weiter eilen, um den nach Wien abgehenden Schnellzug nicht zu versäumen. Dankbar der letztvergangenen Tage gedenkend und gleichwohl den eiligen Flug ihrer Stunden beklagend, fahren wir an allen den Auwaldungen, welche uns so Vieles geboten, vorüber, und mit dem heißen Wunsche, wiederzukehren und auf längere Zeit ihm uns zu widmen, nehmen wir für diesmal Abschied von dem reichen und eigenartigen Lande.




Akihito, Prinz von Komatzu, und seine Gemahlin Prinzessin Arima im Hôtel Kaiserhof zu Berlin.
Originalzeichnung von A. v[.] Rößler.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_172.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2023)