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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


den französischen „Schuften“ und „Spitzbuben“. „Recht gern,“ ruft er aus, „würde ich einem Husarenkorporal ein Trinkgeld geben, wenn dem Mainzischen Gesandten Albini, dem Hausnarren, fünfzig Stockprügel aufgemessen würden, und das Gleiche wollte ich geben, wenn auch die französischen Minister ihr Theil bekämen.“ Im Uebrigen handelt die Konversation vom Frieden von Campo Formio, daß Thugut immer von Affenstreichen Bonaparte’s gesprochen und „der Esel Metternich“ ins nämliche Horn geblasen habe etc.

In der zweiten Unterredung unterhält sich Lehrbach in eben so ungezwungener Weise über den Kaiser von Rußland, über Albini, der es immer mit den Franzosen halte, über Barbaczy, der noch einen Brief nach Rastatt schickte, statt die Gesandten sofort herausjagen zu lassen, und schließlich wird der Hoffnung Raum gegeben, daß trotzdem die Husaren noch ankommen würden, ehe Herr Bonnier und Genossen abgefahren wären. „Der Kongreß,“ spottet der Sekretär, „hat angefangen mit Bonaparte und hört auf mit Barbaczy! Hi, hi, hi!“

Auch in der dritten Nacht giebt es nur nichtssagende Schimpfereien über den und jenen General und Beamten zu hören.

Am 3. Mai aber ist die Situation ganz verändert. Lehrbach hat inzwischen die verhängnisvolle Nachricht erhalten. Er ist außer sich darüber. Leider spricht er in seinem Ingrimm so unverständlich, daß der Horcher an der Wand nicht genau nachschreiben kann, deßhalb erhalten wir nur verworrene Kunde von einem Briefe des Erzherzogs, der, wie es scheint, mißverstanden wurde und vielleicht den Anlaß zur blutigen Ermordung gab. Nur eine kurze Probe von dem Kauderwälsch!

Hoppe. „Warum sind die Franzosen, die Hasen, auch bei Nacht abgereist!“

Lehrbach. „Vielleicht waren die 24 Stunden bei der Nacht aus; ich wäre durchaus nicht ohne Eskorte gereist, und wenn die Zeit bei der Nacht aus war, so ist es vom Officier gefehlt. Der Barbabzy ist ein Esel. Ich habe heut’ einen Durst, den ich nicht löschen kann (trinkt ein Glas Wein nach dem andern), so hat mich das Ding angegriffen; wenn man einmal einen fröhlichen Tag hat, so wird er einem sogleich wieder verbittert.“

Hoppe.C’est une mauvaise affaire, sie bringt unserer Nation Schande.“

(Sie suchten Alles hervor, um sie zu beschönigen.)

Hoppe. „Sie haben vielleicht Pistolen gezeigt, und dann haben die Husaren Recht gehabt – allein sie konnten nichts finden.“

Lehrbach. „Daran ist der Albini, der verfluchte Kerl, schuld. Hätte der Spitzbube seine Schuldigkeit gethan, und wäre er fortgegangen, wie man es ihm geheißen hat, so wäre der Kongreß weggewesen.“

Lehrbach fährt fort. „Sie waren alle Drei Bösewichte, Königsmörder! Die Vorsehung, hol’ mich der Teufel! straft alle die Kerle. Daß die preußischen Gesandten noch da waren! Jakobi wollte fortgehen, mais Goertz s’est conduit comme une vieille femme (aber Görtz hat sich wie ein altes Weib benommen), Haugwitz ist ein Spitzbube! Wie der Officier mir das dicke Packet brachte und ich den Brief las, so hat er mich angestarret, denn ich war comme stupéfait, ich habe nur gelesen, daß die französischen Minister todtgestochen wären, es wieder zugemacht und dem dummen Seilern zugeschickt.“

In solchem Tone geht es fort. Der Mund des Zornigen strömt über von Vorwürfen und Klagen über alle Betheiligten, über die „verfluchten Szekler“ – „es bleibt nichts Anderes übrig, als sie todtschießen zu lassen!“ – wie über den „dummen Kerl“ Barbaczy, der seinen Bericht mit den tollen Worten anfängt: „Nun ist Alles vollendet!“ Das Ergebniß der Unterredung faßt der Spion folgendermaßen zusammen: „Aus dieser Geschichte geht hervor, daß man den französischen Ministern eine Tracht Prügel zugedacht hatte und die damit betrauten Husaren ihre Weisung überschritten haben. Es ist nicht zu beschreiben, welche Unruhe die zwei Herren quälte, mehr als eine Viertelstunde haben sie nach Gründen, welche den Mord entschuldigen könnten umhergesucht, aber nichts gefunden, man kann nicht alle Dummheiten anführen die sie zu diesem Behuf aufs Tapet brachten.“

Im fünften Protokoll ist hauptsächlich von der Aufnahme der Rastatter Nachricht am Münchener Hofe die Rede, im sechsten das nochmals von den Rastatter Vorgängen selbst handelt, findet sich ein bedeutsames Wort, das wieder auf jenes Mißverständniß anzuspielen scheint. Lehrbach sagt: „Es ist erstaunlich, daß der Herzog (Erzherzog) nicht mehr Vorsicht gebraucht hat; so geht’s, wenn die großen Herren Befehle unterschreiben ohne sie zu lesen; die Sache war doch wichtig genug.“

Was soll damit gesagt sein?

Wir kennen den Entwurf einer Antwort, welche Erzherzog Karl auf Vorstellungen und Beschwerden des Mainzischen Ministers Albini gab und am 25. April dem Obersten Barbaczy überschickte: darin heißt es, er könne auf solche Vorstellungen nicht mehr Rücksicht nehmen, „da die von französischer Seite eröffneten Feindseligkeiten in vollem Gange sind und hierdurch der Zustand der Dinge zwischen Frankreich und Deutschland wieder auf dem Fuße hergestellt ist, wie er vor den Friedensunterhandlungen war.“

Daß eine solche Erklärung, wie Sybel annimmt, durch einen übereifrigen Officier irrthümlich als eine Weisung, gegen Alles, was französischen Namen trug, nach Kriegsbrauch einzuschreiten gedeutet wurde, daß also in diesem Mißverständniß der Ursprung des Ereignisses zu suchen wäre, ist nicht unwahrscheinlich. Auf eine andere Fährte könnte eine ebenfalls von Lehrbach gemachte Aeußerung leiten: „Jesus, Jesus, keine Eskorte zu geben, das ist ein angelegter Spitzbubenstreich, die Leute haben Geld bekommen!“ Darauf bemerkt der Sekretär: „Der Burkard war gewiß auch dabei, sie werden ihm einige tausend Louisd’or gegeben haben!“

Von wem sollte aber solche Bestechung ausgehen? Mit dieser Frage sind wir wieder im Bereich der Muthmaßungen angelangt, womit gerade bei Erklärung der Rastatter Episode zum Ueberdruß operirt wurde.

Begnügen wir uns also, bis vielleicht doch eine glückliche Hand die verschollenen Untersuchungsakten aus einem österreichischen Archiv zu Tage fördert, mit dem, was heute als sicheres Ergebniß der Forschung bezeichnet werden kann.

Das Ereigniß ist als eine militärische Angelegenheit aufzufassen. Das österreichische Kommando erließ Befehl, die Gesandten anzuhalten und ihre Papiere wegzunehmen. Dabei wurde für die Sicherung der Gesandten nicht genugsam Sorge getragen, und so konnte – vermuthlich in Folge eines mißverstandenen Befehls – die blutige Katastrophe erfolgen.

Daß noch geheime Triebfedern wirksam waren, unterliegt keinem Zweifel; sonst wäre nicht zu erklären, wie ein Mann, der am besten in das Ergebniß der Untersuchung eingeweiht war, ein Mann, der keiner Lüge fähig, Erzherzog Karl, noch zwanzig Jahre später, da er die Geschichte des Feldzugs von 1799 schrieb, vom Rastatter Gesandtenmord hätte sagen können: „Mir ist die Sache ein Räthsel! Vielleicht ist späteren Geschlechtern die Lösung vorbehalten!“




Ein sangbar Lied.

Du Frühlingsmorgen, du Sternenpracht,
Du Rosenknospe, du Maiennacht,
0 Meine süße, köstliche Liebe!

Du Mondesglanz und du Sonnenstrahl,
Dein denk’ ich des Tages wohl tausendmal,
0 Meine süße, köstliche Liebe!

Mein Morgengebet und mein Abendgesang,
Mein Waldesrausches, mein Kirchengang,
0 Meine süße, köstliche Liebe!

Wärst Du mir genommen, wär’ Nacht um mich;
Du bist mein Leben, drum lieb’ ich dich,
0 Meine süße, köstliche Liebe!

Du wirst mein letzter Gedanke sein,
Und steht auf dem Grab einst mein Leichenstein,
0 So wünscht’ ich, daß man drauf schriebe:

Sie war sein Lenz, seine Sternennacht,
Seine Rosenknospe und Maienpracht,
0 Seine einzige, köstliche Liebe!

Alfred Friedmann. 



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