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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

mit Zwiebelmuster gezeichnet – eine originelle Erscheinung, welche Scharen wohlgefällig lächelnder Besucher herbeizog. Auch die Besucher selbst trugen dazu bei, dieses bunte Bild noch bunter zu gestalten; mitten unter den Damen in pelzverbrämten Mänteln schritt auch die Altenburgerin in ihrer bekannten Tracht, blieb hier und dort stehen und prüfte mit sachverständigen Blicken namentlich die Erzeugnisse der Molkereiwirthschaft.

Am ersten Tage dominirte jedoch das zweierlei Tuch. Zwei Bataillone der in Leipzig garnisonirenden Regimenter waren auf der Ausstellung erschienen, allerdings nicht als müßige Zuschauer, sondern als fleißige Esser. Die Fortschritte unserer Zeit in der Volksernährung sollten ja zum ersten Male auf einer Ausstellung dem Publikum vorgeführt werden, da waren auch Massenspeisungen am Platze, und die Soldaten eröffneten in dieser Beziehung den Reigen. Wie das blitzte und strahlte in dem großen unteren Saal, wo an langen Tischreihen die Kompagnien in Reih und Glied – saßen! Die Menage wurde regelrecht gefaßt und die Speisung ging in musterhafter Ordnung von Statten. Die Zeiten sind schwer, Kriegswolken verhängen den Himmel, und so freute man sich, daß die Massenspeisung in den letzten Jahren so große Fortschritte gemacht hat, daß die Dampf-Feldküchen solche Vollendung erreicht haben! Sie werden gewiß auch im Ernstfall ihre Pflicht thun.

Hummer en Belle-vue auf Sockel. (Max Strigel.)   Filet de boeuf à la jardinière. (Hugo Richter.)

Nach den Soldaten kamen an anderen Tagen die Armen und die Schulkinder an die Reihe. Die Maschinen rasselten, die Kessel brodelten, die unteren Säle boten den Anblick einer Riesenküche, welche namentlich die Sachverständigen fesselte. Um wichtige Fragen des Volkswohls handelte es sich dabei, Fragen, die sich in dem engen Ranm eines allgemeinen Berichtes nicht erörtern lassen. Hier mußte man prüfen und studiren, und wir werden nicht verfehlen, das Ergebniß unserer Studien in einer Reihe selbständiger Artikel den Lesern der „Gartenlaube“ mitzutheilen. Auch die Hausfrau mit ihren Bedürfnissen wird dabei nicht leer ausgehen, denn wie kurz auch diese Ausstellung dauerte, ihre Wirkung ist keineswegs zu unterschätzen, und Vieles, was sie bot, verdient zum Gemeingut weitester Kreise zu werden.




Ein verhängnißvolles Blatt.

Erzählung aus den bayerischen Bergen von Anton Freiherrn v. Perfall.
(Fortsetzung.)


Als der erste Schimmer emporstieg im Ost, war Anna schon unterwegs. Zuerst wollte sie doch noch im Kobel bei den Arbeitern vorfragen. Da war noch Alles still. Sie klopfte, Mathias öffnete. Er mußte schon auf gewesen sein, so schnell ging es.

„War der Rupert hier, gestern Abend, heut Nacht?“ fragte sie hoffnungslos.

„I hab’n net g’seh’n, bin erst spat hoamkumma von M.“ Seine Stimme war unsicher, und im Dämmerlicht sah sein sonst so frisches Gesicht todtenbleich aus.

„Hast d’ Schüss’ g’hört gestern Abend?“ fragte sie dringend weiter.

Mathias zögerte sichtlich einen Augenblick mit der Antwort.

„Wo?“ fragte er dann.

„Bei der grauen Wand umanand!“ erwiederte sie, gespannt seine Züge beobachtend.

„Na, die hab’ i net g’hört, werd’ wahrscheinli no drunten g’wes’n sei, wia’s g’fall’n san, und was is damit?“ fragte er das Mädchen.

„Dem Rupert hab’ns golt’n! Er wollt sich’r kumma, gestern Abend, und is net kumma – er liegt wo, Mathias, erschossen – i fühl’s!“

Sie brach fast zusammen bei diesem schrecklichen Gedanken.

„Aber, wo denkst denn hi, Anna? Er wird si halt versa’mt hab’n, sei do net so narrisch!“

Er wollte sie aufrichten, doch sie sprang selbst auf und eilte bergab über den Schlag.

„I muaß zum Förster, wenn er da a net is – dann – is er todt!“ rief sie ihm zu.

Sie flog nur so den Berg hinab, in einer halben Stunde war sie vor dem Dorf angelangt. Da begegnete ihr Reiser, der eben ins Revier gehen wollte. Sie erzählte ihm Alles, ihre Befürchtung, die zwei Schüsse, das Ausbleiben Rupert’s, sie hoffte, von ihm vielleicht beruhigende Nachricht zu bekommen, doch der machte eine bedenkliche Miene. Wo sollte er sein? Er wußte, wie verliebt Rupert war – der wär’ sicher nach der Alm gekommen. Sein beschwichtigendes Zureden klang unwahr, er begleitete das aufgeregte Mädchen ins Forsthaus.

„Da ist ein Unglück g’scheh’n!“ polterte der Förster heraus, nachdem er Alles gehört – „am End’ is er mit dem Tiroler zusammen troffen, der ihm neulich auskommen ist. Die Kerl’ sind rachsüchtig, das wär’ net das erste Mal! Wo nur der ,Gams‘ blieben sein mag, daß der net heimkommt? Reiser, augenblicklich hinaus zu die Holzknecht und nachsuchen in der Gegend, wo die Schüss’ g’fallen sein soll’n, vielleicht is er no am Leben!“

Anna hörte überall nur die Bestätigung ihrer Ahnung; sie fühlte einen heftigen Schwindel, die Stärke ihrer Natur schien sie ganz verlassen zu haben.

Den Förster jammerte der Anblick der Verzweifelnden.

„Ich geh’ selber mit!“ sagte er, hing seine Büchse um, ergriff den Bergstock und drängte die Andern zur Thür hinaus.

Anna war immer um hundert Schritte voraus, die Beiden gingen ihr viel zu langsam, Reiser und der Förster erschöpften sich in Vermuthungen, was Rupert zugestoßen sein könne, wenn ein Unglück geschehen, so war gewiß der Tiroler vom vorigen Sonntag der Thäter. Dieser Verdacht wurde immer bestimmter in ihnen.

Endlich hatten sie den Schlag erreicht. Der Förster gab sofort Befehl, die Arbeit einzustellen und eine Suche nach Rupert zu veranstalten. David schien am meisten entsetzt über diese Nachricht, und er warf einen forschenden Blick auf Mathias, der Allen aus dem Wege ging und sich in der Hütte zu schaffen machte.

David war gestern spät in den Kobel gekommen, er hatte sich etwas „versess’n“ unten im Wirthshaus. Kaum hatte er sich niedergelegt, kam Mathias, dessen verstörtes, aufgeregtes Wesen ihm auffiel.

„Wo kommst denn Du her, so spat?“ fragte David, „hast ’n Rupert do d’ran kriagt – hast was?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_142.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)