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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

von Mathias erzählte er, wie der sich abkümmere und ordentlich mager werde, alles aus Eifersucht.

„Was kann da i dafür,“ sagte Anna, „wenn’s Alle vernarrt in mi san, i schaff’s ja koan, i kann’s a koan verbiet’n! Er wird si scho wieder tröst’n; aus unglücklicha Liab stirbt ma net heraus in die Berg’, g’rad’ nur in der Stadt bei die Herrisch’n!“

„Na, na, red’ net so!“ erwiederte David, „wann jetz Dei Rupert plötzli sterb’n thät, was thät’s D’ denn nacher?“

„Dumm’s G’schwätz, wie kommst denn da d’rauf, der Rupert!“

„Na – und wenn halt do – man sagt ja bloß!“

„Dann wüßt i freili net, was thuan, und steinunglückli wär i g’wiß,“ sagte sie, „aber sterb’n, wie sollt i denn sterb’n! Mei Muatter is a net g’storb’n und hat d’n Vater g’wiß gern g’habt; aber was red i denn über so a dumm’s Zeug! Des kann nur Dir einfall’n in Deina Bosheit.“

Dann kam wieder die lange Feierstunde, und Anna saß, wenn das Vieh gut versorgt, mit dem Strickzeug auf der Bank vor der Hütte. Da sah sie wohl oft scharf nach den Berglehnen hinüber, ob sie nicht irgendwo seine Gestalt entdeckte, aber kein lebendes Wesen war zu sehen, nur Geier zogen ihre Kreise in der blauen Luft hoch über den Wänden.

Am dritten Tag – es war Mittwoch, in der Frühe, und Anna war eben mit dem Buttermachen beschäftigt – stürzte David athemlos herein.

„Habt Ihr’s scho g’hört vom Rupert?“

Anna war todtenblaß geworden.

„Ja, was denn? Wie kannst mi denn so derschrecka?“

„An Wilderer hat’r g’fangt, an Tiroler! Er hat’n scho eing’liefert unten beim Förster. Der zwoat is ihm auskomma, na, er wird selber net lang aus sei – ja, a Teufelskerl, der Rupert!“

„Gott sei Dank. daß er endli oan d’rwischt hat, jetz wird die Stichelei do amal aufhör’n, denk i! – Is am End g’fährli zugang’n? Hast nix erfahr’n? – Und i bin so ruhig g’wes’n gestern Abend, derweil er vielleicht in der größt’n G’fahr war!“

„Hab’ weit’r nix g’hört! Aber wenn i recht siech, kummt er scho auffi –“ er lief einige Schritte nach vorne – „ja wohl, er is scho, i kenn’s am ‚Gams‘! Jetz wirst glei all’s hör’n!“

Es war wirklich Rupert, von Weitem schon winkte er ihr entgegen.

Die Katoomba-Kohlenmine in Neu-Südwales.


Es hielt sie nicht länger, sie lief direkt auf ihn zu, daß die Zöpfe flogen, und fiel ihm um den Hals.

„Is d’r endli ’nausganga, Gott sei Dank! No und der Förster, der wird g’schaut hab’n! Ja – wie is denn zuganga? erzähl’ – erzähl’ do –“

Sie ließ ihn gar nicht zu Worte kommen vor Eifer.

David näherte sich, er wollte die Geschichte auch hören.

„Da is net viel zu d’erzählen! I hab die Lump’n grad troff’n, wia’s an Gamsbock aufbroch’n hab’n, der Oane is mir durch; den Andern hab i nimma auflass’n vom Bod’n, wie er sich a g’wehrt hat! I sag’ Dir’s, Anna, jetz bin i wieder a ganz andrer Kerl, es hat ma all’s verleid, die ewig’n Vorwürf!“

„Und habt’s den Andren net kennt?“ fragte neugierig David, „den, der durch is?“

„Na, kennt hab i ’hn net! Wenn i net g’wiß wüßt, daß der Mathias zur selb’n Zeit in der Arbeit war – sagat i: er war’s, so ähnli hat er ihm g’sehn!“

„Der is net von der Arbeit kumma die ganz Woch’, dös kann i b’zeug’n!“

„Brauchst’s net,“ erwiederte Rupert, „i weiß ja selbst, aber wia ma si nur so täusch’n kann!“

David eilte hinunter; er brannte darauf, seinen Kameraden die näheren Umstände erzählen zu können.

Die Beiden gingen der Alm zu. Alle Wolken schienen jetzt zerstreut; kein Mensch konnte mehr Rupert Lässigkeit im Dienst vorwerfen.

„Jetz laß aber g’nua sei,“ sagte Anna, „g’sehn hab’n sie’s jetz, daß D’ ein fanga kannst, mehr braucht’s nimma!“

„Werd’n si in der nächst’n Zeit kaum mehr blick’n lass’n, glaub’ i,“ entgegnete Rupert; „müaßt’s g’rad der Andre no a mal probir’n woll’n!“

Sie gingen in die Hütte.

David sprang wie ein Reh bergab, um die Neuigkeit noch warm den Kameraden aufzutischen, die mit Axt und Keil unter den Buchen wütheten. Mathias war offenbar ärgerlich über den unvermutheten Erfolg des Jägers.

„Der muaß’s hübsch dumm ang’stellt hab’n,“ sagte er, und David stimmte ihm bei.

„Bei uns,“ lispelte er ihm ins Ohr, „wird er si schwarer thuan, der Herr Jaga!“

„Wart’ nur auf’n Sonntag,“ entgegnete er; „da geht er ja do wieder ’nunter zur Alten!“ Er schwieg, als der alte Toni dazu trat.

„Schau, schau! der Rupert! Jetzt is er hoaß; nehmt’s Euch in Acht, Buab’n!“ brummte der Alte.

Der Vorfall war natürlich zum Tagesgespräch geworden; Jeder dachte an seine eigenen Streiche in diesem Fache. Viele hatten selbst schon gesessen wegen Wildfrevel; die Sympathie war, wie immer, auf der Seite des Ertappten, der draußen auf dem Landgericht eingesperrt seiner Verhandlung entgegensah.

Rupert war wirklich „heiß geworden“, wie der alte Toni sagte; der letzte Erfolg stachelte seinen Ehrgeiz und er hatte die Schüsse, welche vorigen Sonntag Abend gefallen waren, nicht vergessen. Im Geheimen hatte er immer noch Mathias im Verdachte, wenn er auch am Sonntag nicht dabei war. Die Eifersucht, die instinktive Abneigung gegen den Burschen trug wohl auch viel dazu bei. Er hatte seinen Plan schon gefaßt; er wollte sich den Anschein geben, als ginge er mit Anna nach S., falls er vielleicht von irgend einer Seite beobachtet würde, unterwegs aber umkehren und den ganzen Tag sich im Reviere aufhalten.

Anna wollte auch wirklich am Sonntag wieder einmal ihre Mutter besuchen; Rupert ließ sie beim Glauben, er gehe mit, schützte jedoch im letzten Augenblick einen Auftrag des Försters vor, der ihn irgend wo hinschicke wegen eines Holzgeschäftes. Den wahren Grund verschwieg er. Begleiten wolle er sie ein Stück weit. Wie vor acht Tagen war er in aller Frühe schon

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_125.jpg&oldid=- (Version vom 11.8.2023)