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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Katze auf der Bank wurde nicht müde, ihr glänzendes Fell zu putzen und zu schlecken.

Drinnen im Stübchen stand Anna vor dem kleinen Spiegel; sie beugte sich nach allen Richtungen, um ihre mächtige Gestalt ganz in dem kleinen Glase erblicken zu können. Ein dunkelblauer Seidenrock legte sich in breiten, schweren Falten um die prallen Hüften, das schwarze Mieder war vorn mit dichten Ketten über silberne Haken geschnürt und hob den kräftigen Wuchs des Mädchens aufs Vortheilhafteste hervor. Eben war sie im Begriffe, ein weißes, mit bunten Blumen durchzogenes Seidentuch kunstgerecht um den Nacken zu schlingen, als ein Juhschrei draußen ertönte, den sie, mitten in ihrer Putzarbeit, von Herzen erwiederte. Das Mieder drohte zu springen bei den aus voller Brust dringenden Tönen, die den engen Raum durchschmetterten.

Rupert trat ungestüm ein, auch im Sonntagsstaat. Vom grünen Hut wehte ein mächtiger Gamsbart, die kurzen Kniehosen strotzten von grünen Stickereien. Die reich gestickten Strümpfe waren offenbar ein Geschenk Anna’s; denn ihr erster Blick fiel darauf, ob er sie wohl heute anhabe. Dann sah sie ihm ins Gesicht, in die freudestrahlenden Augen – er war wirklich ein schöner Mann!

Sie entzog sich auch nicht seiner stürmischen Umarmung und achtete es nicht, daß er den schönen seidenen Rock ganz zerdrückte.

„Bist firti, Anna? ’s is höchste Zeit, wenn ma’ no ins Amt komma woll’n. Dei Muatta will’s hab’n und heut därf’ ma’s bei Leib net verzürna! Sie werd Schreck’n gnua ausstehn, wenn i auf eimal herausplatz mit mei’n Antrag! Sie hätt’ Di liaba mit an reich’n Bauern g’seh’n als mit an Jaga! Aber sie is so viel guat und hat Di so gern! I denk’, sie kann net na sag’n!“

„Wennst in d’ Hand nei versprichst, daß d’ Jagerei lass’n und a richtiga Bauer werd’n willst, nacher hat’s koan Haken – aber das wird s’ verlanga, Rupert, und i kann ihr’s net verdenka! A Bauer muaß a Bisl an Stolz hab’n, er is a freier Mann und a Jaga – is a Knecht – schaug’s an wia’s magst.“

„I hab nix dageg’n, wenns mi a anfangs hart ankomma werd’, wenn i auf d’ Berg naufschau’ und den Gams zuschau’n muaß mit der Heugab’l! Aber es werd si scho macha, dafür hab i ja so a schöne liabe Bäurin, daß i mi gar nimmer sehna werd nach die Berg. – Aber jetz mach, mit dem Plauschen kemma wir net nach S…!“

Anna setzte ihren Hut mit den goldenen Tressen auf, brockte einige Reseda und Pelargonien von den Blumenstöcken am Fenster und steckte sie ins Mieder, auch Rupert’s Hut schmückte sie damit, dann machte sie noch einen Knix vor dem Spiegel, ob auch Alles in Ordnung, gab dem Kuhbuben, der draußen den Stall reinigte, ihre Weisung für den Tag und folgte Rupert den Berg hinunter. Die rings herum lagernden und weidenden Kühe sahen erstaunt dem Paare nach; sie schienen ihre Pflegerin gar nicht mehr zu erkennen; nur einige junge Rinder liefen blökend zu ihr und schnupperten an ihrem Gewande. Sie streichelte ihnen die krause Stirn. „I kimm scho wieda, Bleß!“ sprach sie zu dem einen Thier, das sich besonders zärtlich zeigte.

„Du tanzt ja a gern auf der Alm umanand, und d’ Anna möcht’s heut a probir’n, schau’!“ – Rupert ermahnte sie zur Eile.

„Du woaßt ja gar net,“ sagte sie im Fortgehen, „was ma’ für a Liab hab’n kann zu dem Vieh, und wie ein’ de Arbeit freut, wann a Seg’n is im Stall und die liab’n Vicher – wo Du jed’s oanschichtige kennst und liab hast – aufatrieb’n wer’n auf d’ Alm mit Bleameln und Kränz an’than, und wann der Herbst kimmt und oa Fuada Heu nach dem andern in die Tenna rollt und d’ Foll’n (junge Pferde) richti satt zum Verkauf! Das woaßt Du ja net, wie schön das is!“

Ihr Angesicht glühte vor Erregung.

„Aber i werd’ Dir’s scho lerna, Rupert, Du sollst auf d’ Gamsböck bald vergess’n!“

Sie mußten, um auf dem nächsten Weg ins Thal zu kommen, über den Buchenschlag gehen. Da war es heute still. Zaunkönige schlüpften, wie Grillen zirpend, durch das am Boden liegende Astwerk; das monotone Pochen eines Spechtes klang von einer dürren Buche her, als schlüge man Nägel in einen Sarg.

„Da is Alles schon ausg’flog’n, scheint’s,“ sagte Rupert, „muß doch schau’n, ob der Mathias no da is!“

Vor dem Kobel saß der alte Toni, aus einem alten Maserkopf rauchend und vor sich hinträumend.

„Na, Toni, ganz allei?“ fragte Rupert.

„Alles davo, in all’r Herrgottsfruah!“ entgegnete Toni; „nach S. h’nunta, da werd’n ’s ihr Geld wieda los, was d’ ganz Woch’n z’sammg’arbet hab’n! Wia ma nur so dumm sei ko!“

„Und Du, Toni, bleibst Du d’n ganz’n Sunnta herob’n?“ fragte Rupert.

„Hab’ nix z’ suacha unt’n, seit mei Mari g’storb’n is! Da herob’n taugt’s ma am best’n. A guat’s Wassa! – A guate Schmalzkost! – Mei Ruah, und wann i aufsteh’ den andern Tag frisch zur Arbeit! Was will i mehr!? Ja, wia i no jung war, war ’s freili anders –“ Er lachte still vor sich hin. – „Da hat’s koan zwoat’n geb’n, – nach der Arbet – wohlverstand’n! – Also mit der Anna,“ fuhr er fort – „hm! – hast Dir’s net schlecht aussa g’suacht, i woaß oan, der Dir neidi is d’rum, Rupert!“

„Oan? I wüßt mehra!“ entgegnete dieser.

Anna wurde roth; sie wußte wohl, wen der Toni meinte.

„Und was sagt d’ Langbäu’rin dazua, Anna? Die hat ja all’weil hoch naus woll’n mit Dir! Is ihr jetz der Jaga gut g’nua?“

„D’ Muatta hat mi gern!“ erwiederte Anna, „und kenna thuat s’ mi a, was i für ’n Kopf hab, sie wird si scho d’rein find’n!“

Toni nickte.

„Und wann is nacher d’ Hochzeit?' Ös schaut’s net her als wollt ’s lang wart’n.“

„Des wirst no früah g’nua erfahr’n,“ entgegnete Anna, „wir san no net so weit – jetz pfüa’t Gott, Toni! Unterhalt’ Di guat mit Deine Bam!“

„Is der Mathias mit den Andern ganga?“ fragte der Jäger.

„Sell woaß i net,“ erwiederte Toni, „der wor scho dahi, eh i aufgewacht bi. Werd ihm wohl pressirt hab’n, – er werd Euch halt net begegna woll’n. Verdenk ’s eam a net, dem arma Tropf!“

Rupert und Anna entfernten sich über den Schlag; Toni sah ihnen kopfschüttelnd lange nach.

„Wann’s nur guat ausgeht! A Jaga und a Bauerndirn, thuat selt’n guat!“ murmelte er vor sich hin.

Die Beiden gingen voll Glück und Lebenslust durch den schattigen Buchenwald. Sie hatten sich viel zu sagen – wie sie die Mutter zur Einwilligung bewegen wollten und wie dann Alles weiter kommen müsse.

Ehe sie es merkten, waren sie schon unten im Thal angelangt. Von allen Seiten bewegten sich geputzte Landleute gegen das Dorf zu, dessen Häuser auf einem Wald von Obstbäumen herauslugten; in der Kirche läutete es schon zum Amt.

Sie beeilten ihre Schritte; der Langbauerhof war am obern Ende des Dorfes und sie wollten die Mutter in die Kirche abholen.

Als sie durch die Dorfstraße gingen, blieb Alles stehen und steckte die Köpfe zusammen. Daß die Zwei zu einander hielten, wußte man, aber heut’ zum ersten Male traten sie öffentlich mit einander auf und in ihren glückstrahlenden Gesichtern las man Alles.

Die Bauern lieben die Jäger nicht; ein alter Haß lodert hier, der nimmer erlischt. Viel Blut ist schon darüber geflossen – auf beiden Seiten, und beinahe Jeder im Dorf weiß, wie es beim heimlichen Pürschgang im Walde zugehen kann und wie die Kugeln pfeifen, die nicht fürs Wild bestimmt sind! Dazu kommt, daß der Bauer jeden Nichtansässigen, jeden Dienenden gering schätzt; selbst vor dem Beamten hat er mehr Furcht als Achtung!

Darum waren die Blicke größtenteils keine freundlichen, die das Paar jetzt trafen. Ein Jäger soll eine der besten Bauerntöchter heirathen im Dorf. Das war eine Anmaßung ohne Gleichen von ihm, von ihr aber eine Mißheirath im vollsten Sinne des Wortes.

Die Beiden kümmerten sich nicht um all’ das Gezischel und Geguck und schritten munter vorwärts dem Langbauerhof zu.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_095.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)