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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)


erfassen, sondern als edelste Kunst ausüben. Unter Rothmund’s Leitung hatte er sich vorzugsweise der Augenheilkunde gewidmet, welche er durch einige von der Fachwelt gerühmte Arbeiten bereicherte. Der junge Arzt war so vorgeschritten in seiner Wissenschaft, daß er das reichsgesetzlich vorgeschriebene Staatsexamen im Herbst 1879 mit höchster Auszeichnung bestand.

Seitdem übt Herzog Karl Theodor unablässig eine ausgedehnte Praxis aus. Der größere Theil des Jahres gehört seiner Thätigkeit in Tegernsee, dessen Distriktskrankenhaus zahlreiche Klienten des fürstlichen Arztes auf dessen Kosten beherbergt. Mit dem ersten Frühlingshauche aber kehrt der von Hunderten sehnsüchtig erwartete Herzog in der Gartenstadt an der Passer ein. In der Zeit vom 20. März bis 1. Juni 1886 hat Herzog Karl Theodor in Meran 200 Operationen vollzogen, darunter nicht weniger als 76 Staarextraktionen. Sein Ambulatorium war von 1160 augenkranken Personen besucht. In wenigen Jahren wird Herzog Karl Theodor uber eine medicinische Statistik verfügen, wie sie nur den gesuchtesten Klinikern zu Gebote steht. Die meisten Patienten aber werden ihm um so dankbarer sein, als sie von ihm nicht nur unentgeltliche Hilfe, sondern auch Arznei, Pflege und mannigfache Unterstützung erhalten haben. Walter Lund.     

Ein Dank aus Kindermund. Die Zinsen des Wohlthuns sind der Dank, welcher aus dem Herzen kommt und zu Herzen geht. Diesen Dank den edlen Menschenfreunden mitzutheilen, welche durch unsere Vermittlung ihre Gaben, seien es nun kleine Geldbeträge, Nähmaschinen, Fahrstühle oder Klaviere, an Kranke und Bedürftige gelangen lassen, ist uns immer hocherfreulich und ein Ersatz für alle Mühe. Eine ganz besondere Freude hat uns aber jüngst ein Knabe von 11 Jahren, Sohn eines Gerichtsdieners im Westfälischen gemacht, welcher, seit 8 Jahren leidend und an Krücken gehend, uns eines Tages, ohne Vorwissen seines Vaters, um ein Klavier bat, damit er seine musikalischen Fähigkeiten ausbilden könne.

Der betreffende Brief lautete:
 „Meine liebe Herren!
In meiner Mama ihrer ‚Gartenlaube‘ habe ich gestern gelesen, daß Sie an arme Leute Klaviere verschenken, und da mochte ich Sie recht sehr bitten, mir auch eines zu schenken, ich heiße Paul B., bin 11 Jahre alt, aber seit 8 Jahren, seit ich 3 Jahre alt wurde, immer krank gewesen, so daß ich jetzt nur mit Krücken gehen kann und sehr kurzsichtig bin, und weil ich mit den andern Kindern nicht spielen kann, ist mein Allerliebstes Musik, etwas Geige kann ich schon spielen, aber ich möchte viel lieber Klavier spielen lernen, damit ich später einmal die Orgel in der Kirche spielen kann. Lernen kann es mir mein Papa, denn der ist 12 Jahre Musiker bei den Soldaten gewesen, und jetzt ist er Gerichtsdiener in C., aber er kann mir kein Klavier kaufen, denn er hat nur ein kleines Gehalt, und ich habe noch fünf kleine Geschwister, und mein Papa sagt immer, ein Beamter muß wohl einmal hungern können, aber er darf nicht betteln. Meine liebe Herren, jetzt grüße ich recht schön und bitte Sie mich nicht zu vergessen.
  Paul B.“

Zur selben Zeit sandte eine edle Frau aus Torgau uns ein Klavier, das ihren Kinder zum Ueben gedient hatte, und wir überwiesen dasselbe dem kleinen armen Burschen, der uns darauf den folgenden Dankbrief schreibt:
 „Meine liebe Herren!
Heute Vormittag ist das Klavier angekommen, und ich bin so glücklich darüber, daß ich vor Freude bis an die Decke springen möchte, wenn ich es nur könnte, darum will ich mich auch vieltausendmal bedanken, bei Ihnen und auch bei den guten wohlthätigen Menschen, die es Ihnen gegeben haben, ich bedanke mich auch für die beiden hübschen Briefe, ich habe sie mir gut aufbewahrt, den ersten gab mir unser Briefträger, und da habe ich keinem was von gesagt, aber den zweiten brachte mein lieber Vater von der Post mit, da war ich bange, er würde schelten, aber er hat mich nur geküßt, und hat dabei geweint, da glaube ich nun, das er gar nicht böse war.

Nun will ich mich noch recht viel, viel bedanken, und wünsche Ihnen, das der Weihnachtsmann Ihnen eben so was Schönes bringt als mir, und die ‚Gartenlaube‘ werde ich wohl immer lieb behalten, aber Sie noch viel lieber.
  Es grüßt Sie alle recht schön
 Paul B.“

Gleichzeitig mit dem Briefe des Knaben kam ein solcher des Vaters, welcher lautet:
 „Geehrte Herren!
Obgleich mein Sohn Paul ohne mein oder meiner Frau Vorwissen die Bitte um ein Klavier an Sie gerichtet, bin ich Ihnen und den edlen, gütigen Gebern doch nicht weniger dankbar dafür. Wenn Sie die Freude gesehen hätten, die mein armer Junge (er ist leider schon seit länger denn acht Jahr ungesund) empfand bei der Ankunft des Instrumentes, aber auch die gluckseligen Gesichter und die Freudenthränen in den Augen der Jüngeren, als ich ihnen das erste Lied vorspielte! Wenn tiefe Dankbarkeit, gute Wünsche edlen Menschen Freude bereiten kann, so feiern die gütigen Geber des Klaviers ein ebenso fröhliches Weihnachtsfest, als sie meinen Kindern und dadurch auch uns bereitet haben.

Paul stattet eben seinen Dank selbst ab, aber er ist so eifersüchtig, daß er niemand einen Blick in sein Schreiben thun läßt. Noch einmal herzlichen Dank und Gruß.
  C. B., Gerichtsdiener."

Wir glaubten die vorstehenden Briefe unserm Leserkreise nicht vorenthalten zu sollen. Was wir damit bezwecken – das werden unsere freundlichen Leser wohl ohne besondere Schwierigkeit errathen.


Der Ursprung der Zeitungsenten. Zu den merkwürdigsten Vögeln gehört die Zeitungsente, die namentlich während der heißen Jahreszeit sich recht vortheilhaft entwickelt und dann unermüdlich von einem Blatte zum andere flattert. Ihre Herkunft war bis jetzt in Dunkel gehüllt – sie war eben auf einmal da, „man wußte nicht, woher sie kam“. Es dürfte daher die Leser interessiren, zu erfahren, daß es mir gelungen ist, aus uralten, in Schweinsleder gebundenen Büchern, die über viele seltsame Sachen berichten, den Ursprung der Zeitungsente festzustellen. Lange hatte ich in allen möglichen Scharteken geforscht, ohne eine Spur des fabelhaften Thieres zu finden, bis mir ein gütiges Geschick Peter Lauremberg’s „Vierhundert außerlesene nützliche, lustige und denkwürdige Historien und Diskursen“ vom Jahre 1650 in die Hand spielte, woselbst auf S. 509 ein Geschichtchen steht, das die vielversprechende Ueberschrift „Endvögel wachsen auf Bäumen“ führt. Freudigst überrascht durch diese großartige Entdeckung, habe ich nicht den mindesten Zweifel, daß ein solcher auf dem Baume gewachsener Entenvogel nur unsere Zeitungsente sein kann. Lauremberg schreibt über dieselbe: „Es fällt mir ein Wunderding nach dem andern ein (die vorhergehende Erzählung führt nämlich die Ueberschrift: „Lämmer wachsen wie Kräuter aus der Erden“) und ist die Natur so reich und überflüssig, daß man immer was neues findet: es wird nicht allein in Schottland und den Orknischen Inseln, sondern auch in England an der Themse (ist ein Fluß, welcher die Stadt London anstösset) eine sonderliche Art kleiner Muscheln gefunden, welche ganz rund und auswendig weiß, wachsen und hangen an die Schiffe, an alte Bretter, insonderheit an die Bäume, so am Ufer mit den Aesten ins Wasser reichen: die Muscheln, wenn sie ins Wasser fallen, so kriechen daraus junge Vögel, welche hernacher den Enten gleich werden an Größe, Art und Federn, und aufm Wasser schwimmen, sich von Fischen ernähren und oftmals bei hundert, ja tausend sich zusammenrotten und weit hinfliegen.“ Daß sie weit hinfliegen, ist uns nur zu bekannt, schrecklich ist aber, daß sie zu Hunderten und Tausenden sich zusammenrotten.

Viel besser als in Lauremberg’s Buche ist in Adam Lonicer’s „Vollständigem Kräuterbuch", herausgegeben von Peter Uffenbach, Dr. med. in Frankfurt am Main (Ulm, 1716), der Nachweis gebracht, daß die Ente zu den Pflanzen gehört. Auf S. 164 desselben findet sich die Beschreibung des Enten-Baumes, Anatifera arbor. „Zum Beschluß dieses ersten Theils von den Bäumen, Staudten und Hecken muß ich hinzusetzen und beschreiben die Historien von dem Enten-Baum, das ist, von dem Baum, aus dessen Frucht lebendige Enten, so zur Speise gebraucht werden (sie werden meist mit Heißhunger verschlungen), wachsen. Und es lautet wohl lächerlich und unglaublich, daß Enten oder Vögel auf den Bäumen sollen wachsen … so ist es doch keine Fabel, sondern bestehet und befindet sich also mit der Wahrheit, und es bezeugen auch solches die Angli oder Engelländer in ihrem Kräuterbuch, daß sie es selbst also gesehen haben. Es wachsen solche Früchte an etlichen Bäumen, an den Gestaden oder Ufern des Meeres“ etc. Diese Früchte, welche wie Muscheln sehen, thun sich auf, wenn sie ins Wasser fallen, und die berühmte Ente kriecht daraus hervor. Lonicer oder Uffenbach aber irren, wenn sie schreiben: „Die aber auf das truckene Land fallen, dieselbige verderben“; im Gegentheil, das ist meist erst ein recht günstiger Boden für sie, auf welchem sie sich bis ins Ungeheuerliche entwickeln können.

Im Jahre 1716 war die Naturforschung schon so weit fortgeschritten, daß sie dem Texte auch eine Abbildung des Entenbaumes beifügen konnte. Am bergigen Meeresufer sehen wir einen Baum vor uns, der keine Blätter, sondern nur große muschelartige Früchte trägt, von welchen eine bereits so reif ist, daß sie etwas aufgesprungen ist und den Schwanz der Ente etwas herausstehen läßt. Zwei der Früchte sind aufs Trockene gefallen, statt der sechs ins Meer gefallenen aber erblicken wir sechs fidel sich tummelnde Enten. Leider ist der Holzschnitt nur ganz klein, was sehr zu bedauern ist; wir würden sonst sicher auch die bekannte Seeschlange sehen, welche, wie man schon seither wußte, mit der Zeitungsente engverwandt ist; daß diese Verwandtschaft aber eine noch viel innigere ist, als man seither annahm, ist durch unsern Nachweis, daß auch die Ente ihre Jugendzeit auf der See verlebt, klärlich dargethan.

Wer an der Wahrhaftigkeit unserer Mittheilungen zweifeln sollte, dem empfehlen wir zur Beachtung die goldenen Worte Lauremberg’s, die er bei seinen Lämmerpflanzen oder Pflanzenlämmern niedergeschrieben: „Die Natur regieret oder schicket sich nicht nach unserm Kopf oder Begreiflichkeit, sondern was wir in der Natur finden, davon müssen wir unsere Speculationes machen.“ Wer sich aber auch damit nicht zufrieden giebt, dem können wir nur den Rath geben, welchen Uffenbach am Ende seiner Beschreibung des Entenbaumes giebt: „Wer solchem nicht Glauben geben will, der mag in dieselbige Lande hinein reisen und den Augenschein dieser Dinge selbst einnehmen.“ Hans Boesch.     


Im Affentheater. (Mit Illustration S. 60.) Ein so glänzendes Los wie die in den heiligen Pagoden Indiens gepflegten Affen haben ihre Brüderchen nicht, die sich bis zu uns in den rauhen Norden verirren: hier müssen sie sich fleißig ihr Brot verdienen. Dafür haben sie den Anspruch, wie Familienmitglieder behandelt zu werden. Bei den großen Affentheatern freilich müssen sie den Ruhm, einer berühmten Truppe anzugehören, mit ihrer Freiheit bezahlen: sie müssen all ihre Lebensfreude für den kurzen Glanz der Vorstellung aufbewahren – dann wandern sie wieder in ihren Holzkäfig. In dem kleinen Cirkus, dessen Inneres uns der Maler enthüllt, bilden der Herr, sein Töchterchen, sein jüngerer Bruder, zwei Eselchen, eine Ziege mit 5 Beinen, einige dressirte Pudel und Pinscher so wie eine Zahl junger und jüngster Aeffchen eine große Familie, die einen mit Requisiten und zwerghaften Kostümen gefüllten Bretterverschlag hinter der Bühne theilen. Daß es bei dieser Theilung nicht immer so ruhig zugeht, wie bei der Theilung der Erde, wo selbst der zu kurz gekommene Dichter sich mit resignirter Verbeugung bescheidet, ist selbstverständlich. Das zischt, bellt, faucht, meckert und brrrt in allen Tonarten. In dem Toilettenzimmer zweier Pudel, von denen der eine zum Kavalier, der andere zur Marquise herausgeputzt wird, zerrt der mit der Laterne versehene Affenpage ungeduldig an der Herrin Schleppe, die er zu tragen berufen ist. Ein hübsches zwölfjähriges Theaterprinzeßchen, auf dem umgestürzten Wäschkorbe, läßt ihr angekettetes Lieblingsäffchen mit Federhut und Halskrause an ihrem Abendbrot

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_067.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)