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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Prinzen mit Unterthaninnen sei, sehe er jetzt in Georg’s Plan das ärgste Beginnen, das seine Feinde ersinnen könnten. Noch in der Nacht des 11. December beantwortete der Thronerbe den Brief des Freundes, indem er das Gerücht einer Heirath kecklich Lügen strafte. Ein langer heftiger Streit erhob sich, ob dennoch eine Vermählung stattfand oder nicht. Für Ersteres bürgt nicht allein der ehrenhafte, stolze Charakter der Mrs. Fitzherbert, sondern auch, neben anderen Zeugnissen, ein Geständniß auf dem Sterbebette. Ein Geistlicher der Hochkirche, Mr. Burt von Twickenham, erklärte seiner Familie, als er den Tod nahen fühlte, er habe Georg mit Mrs. Fitzherbert getraut und dafür 500 Pfund Sterling erhalten. Die Trauung fand in London am 21. December 1785 in Gegenwart zweier Zeugen katholischen Glaubens statt, der eine war der Bruder der Braut, John Smythe, der andere Mr. Harry Errington, ihr Verwandter aus der ersten Ehe; beide Zeugen unterzeichneten den Trauakt. Gewiß hat Mrs. Fitzherbert diese Ceremonie durch ihre Beharrlichkeit erlangt, und Lord Holland ist sehr im Irrthum, wenn er behauptet, Georg habe darauf bestanden, nicht sie. Die Ehe wurde geheim gehalten. War sie gültig und gesetzlich? Ein Prinz schloß sich vom britischen Throne aus, wenn er eine Katholikin heirathete: Mrs. Fitzherbert war eine Katholikin, eine strenge irische Katholikin, die um keine Krone ihrem Glauben entsagt hätte, ein englischer Prinz durfte nicht vor seinem fünfundzwanzigsten Jahre heirathen. Georg war dreiundzwanzig, er bedurfte der Einwilligung der Eltern und des Parlaments. Georg hatte sie nie eingeholt und hätte sie nie erlangt. Somit war die Ehe, die Mary Anne arglos eingegangen war, ungesetzlich und vom Standpunkte des britischen Rechtes verwerflich, hingegen in Mary Anne’s Augen und in denen der ganzen katholischen Kirche legitim. Bei dem zweifelhaften Charakter einer solchen Verbindung war es ein Glück zu nennen, daß sie kinderlos blieb. Der Prinz theilte den Vollzug der Heirath selbst seinen intimsten Vertrauten nicht mit. Aber unter das Volk schlichen sich Gerüchte, freilich nur um die Köpfe zu verwirren, und diese Unsicherheit des Urtheils fand in der Presse ein Echo; es tauchten Pamphlete auf, deren eines vom Radikalen Horne Tooke ausging und großes Aufsehen erregte: ohne Umschweife bezeichnete er die Ehe als legal und Mrs. Fitzherbert als Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin von Wales.

1787 fiel der erste Schatten auf Mary Anne’s junges Glück; es kam im Unterhause die Unordnung der Finanzen des Thronfolgers zur Sprache, seine Freunde beantragten abermalige Zahlung seiner Schulden durch das Parlament und Erhöhung seines Einkommens. Am 20. April brachte der Alderman Newnham, einer von Londons Repräsentanten, im Hause der Gemeinen den Antrag ein, Georg besser zu dotiren, wandte sich direkt an William Pitt als Kanzler der Schatzkammer und bat ihn, mitzutheilen, ob die Minister dazu geneigt seien. Pitt erwiderte, ohne Befehl des Königs könne er hierin nichts unternehmen, worauf der Alderman anzeigte, er werde am 4. Juni dem Hause in Hinsicht auf den Prinzen einen Antrag vorlegen. Georg’s Freunde arbeiteten mittlerweile für ihn. Gern hätte Pitt die Diskussion vermieden, um das Königshaus nicht zu kompromittiren, doch unterstützte Fox den Alderman von London. Da trat im Unterhause Pitt’s Anhänger, Mr. Rolle, am 27. April auf und spielte auf eine heimliche Ehe des Prinzen an, worauf sich in der Sitzung des 30. Fox erhob, um das Gerücht für „eine niedrige malitiöse und allen Grundes baare Verleumdung“ zu erklären, denn „unmöglich habe sich der Vorfall je ereignet, er werde nur verbreitet, um des Prinzen Charakter in der Meinung des Landes herabzusetzen“. Als Rolle zugab, die Ehe sei vom legalen Standpunkte aus unmöglich, könne aber doch in gewissen Formen stattgefunden haben, entgegnete Fox: „Ich leugne dies hinsichtlich des Faktums wie des Gesetzes. Das Faktum konnte nicht nur nie legal eintreten, sondern ereignete sich überhaupt niemals irgendwie; es war Alles von Anbeginn eine niedrige und bösartige Unwahrheit“. „Sprechen Sie auf Autorität hin?“ warf Rolle ein, und Fox stand nicht an, zu bekennen: „Ja, auf direkte Autorität hin“. Diese Erörterung im Parlamente war die tiefste Demüthigung, die Mrs. Fitzherbert treffen konnte, und sie war in der That wie geknickt. Der intimste Freund ihres Gatten hatte öffentlich in Abrede gestellt, daß sie sein Weib sei, ja er hatte erklärt, er sei zu dieser Behauptung von ihm direkt autorisirt. Ihre Freunde gaben sich edelsinnig alle erdenkliche Mühe, ihr den nagenden Schmerz zu verscheuchen, und nie war ihr Salon so besucht wie jetzt, aber sie ließ sich nicht betäuben. Fox war weit entfernt, absichtlich zu lügen, er war vielmehr selbst vom Prinzen belogen worden und wußte nichts von der Ehe; der Erzbischof Cantuar von Canterbury, der Primas des Reichs, schrieb dem Diplomaten Eden, Fox habe bei den Gemeinen mehr gesagt, als er verantworten könne. Mary Anne bestürmte ihren Gemahl, er müsse offen der Verleugnung von Fox entgegen treten, und ihn versetzte ihre Entschiedenheit in große Unruhe. Er ließ den Grafen Charles Grey rufen, bat ihn, im Parlamente Fox’ Aussage zu widerlegen und für Mary Anne zu reden, und beichtete ihm in heftiger Bewegung, er sei vermählt. Grey lehnte den Auftrag ab, worauf Georg ausrief: „Nun denn, will Niemand, so muß Sheridan dran!“ Dieser stotterte aber im Parlamente nur einige verlegene Worte des Respekts für Mary Anne, ohne Fox’ Darlegung irgendwie zu bestreiten. Der große Lustspieldichter war in solchen Verwicklungen nicht bewandert. Es wurde Georg herzlich schwer, seine Gattin von seiner Schuldlosigkeit an Fox’ Auftreten zu überzeugen, so meisterhaft sich auch „der erste Gentleman“ der Zeit aufs Lügen verstand und so hart er auch Fox bei ihr verurtheilte. Freilich wagte er es nicht, Fox selbst zu tadeln, und ließ feige nach wie vor den Ruf seiner Frau antasten. Fox verlor den Glauben an den Prinzen, der in solcher Weise Mary Anne, ihn und die Welt belog.

Mary Anne’s beleidigter Stolz bäumte sich gegen Fox auf, der doch unschuldig an Allem war; sie verzieh ihm bis zum Grabe nicht und würdigte ihn keines Wortes mehr. Der Prinz zeichnete indessen Mrs. Fitzherbert, um sie zu beruhigen, öffentlich noch mehr aus als bisher und fuhr fort, bei ihr so beharrlich den Freund zu desavouiren, daß sie, die bereits gesonnen war, mit ihm abzubrechen, ihm Glauben schenkte.

Gar manchen herben Schmerz bereitete ihr die Flatterhaftigkeit des Prinzen, der schon im Oktober 1788 den Spuren einer Mrs. Fitzgibbon folgte. Man sprach davon, er werde, sobald ihm die Regentschaft für den geisteskranken Vater zufalle, Mrs. Fitzherbert zur Herzogin machen und eine Prinzessin heirathen, und plötzlich erfuhr sie durch seinen Brief aus Brighton, daß er ohne ihr Wissen dorthin gereist sei; er lag eben im Banne einer ihrer Landsmänninnen, der schönen Gräfin Francis Jersey, Tochter des Bischofs von Raphoe. Was wollten aber diese vorübergehenden Neigungen des untreuen Gemahls gegen den Plan bedeuten, abermals eine Ehe einzugehen?

Dieser schwerste Schlag stand der Verlassenen noch bevor. Dem Prinzen war die Zahlung seiner ungeheuren Schulden unter der Bedingung versprochen worden, daß er sich bessere und heirathe, aus diesem einzigen Grunde erklärte er sich dazu bereit, hatte nichts gegen die Wahl seiner ihm völlig gleichgültigen Kousine Karoline von Braunschweig-Wolfenbüttel und kümmerte sich nicht weiter um Mary Anne. Karoline aber konnte ihr Schicksal aus dem brutalen Empfange entnehmen, den ihr Georg im St. James-Palaste bereitete; es war das Vorspiel zur Trauung, bei der er betrunken neben ihr stand, und das Wort, welches er seinem Freunde Lord Malmesbury bei der ersten Begegnung zurief: „Harry, ein Glas Brandy, mir wird übel!“ gellte ihr Tag und Nacht in den Ohren. Sie sollte beispiellos unglücklich werden. – Jetzt trat das Dilemma ein, vor dem Fox in seinem Mahnbriefe den Prinzen gewarnt hatte. In den Augen der Katholiken blieb Mrs. Fitzherbert Georg’s rechtmäßiges Weib, und Karoline wurde seine Geliebte; der König in spe ging eine Bigamie ein, denn er war verheirathet und konnte von einer Katholikin nicht geschieden werden. Seiner Nichtswürdigkeit gegenüber stach die Haltung der Majestäten und ihres Hofes eigenthümlich ab; Mrs. Fitzherbert’s edler Sinn, ihre Uneigennützigkeit und Liberalität, ihr ehrbarer Wandel, ihre liebenswerthen Manieren machten sie nicht nur in der Gesellschaft wie im Volke populär, sondern verschafften ihr auch die einmüthige Hochachtung des Königshauses, das ihr unbegrenzte Theilnahme widmete, die warme Zuneigung eines Thomas Moore, des Schöpfers von „Lalla Rookh“, und des gewaltigen Lord Brougham. Die unselige Ehe des Prinzen mit Karoline von Braunschweig-Wolfenbüttel wurde schon im Mai 1796 getrennt; in grausamer Selbstironie nannte die Prinzessin später ihre größte Schuld ihren Ehebruch mit dem Gemahle der Mrs. Fitzherbert. Mary Anne dagegen erhielt aus Rom die Erlaubniß, wieder mit ihm zu leben, und versöhnte sich mit ihm. Die nun folgenden Jahre waren nach ihrer Aussage ihre

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_026.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2023)