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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

hervor, von welchem nunmehr schon die vierte Auflage nothwendig geworden und das als „Encyklopädie des allgemeinen Wissens“ bezeichnet ist. Die neue Auflage kommt dem höchsten Ziel, welches Herausgeber und Redakteure auf diesem Gebiete litterarischer Thätigkeit überhaupt erreichen können, wieder um einen Schritt näher. Dieses höchste Ziel besteht nicht etwa nur in möglichst zahlreichen und gut geschriebenen Artikeln, – für solche Leistungen bietet unsere Schriftstellerwelt gute Kräfte genug, – sondern es besteht in der Planfestigkeit, im Ebenmaß und in der Gerechtigkeit der Wahl, Zahl, Ausdehnung und Behandlung der einzelnen Theile des, so weit unser menschliches Vermögen dies gestattet, allumfassenden Inhalts.

Werfen wir einen Blick auf die künstlerische Ausschmückung des Werkes. Sie besteht in Holzschnittabbildungen im Text und in besonders beigelegten Illustrationsblättern. Die Holzschnitte im Text entsprechen ihrem Zweck; denn sie verbinden mit möglichster Klarheit so viel Schönheit als ihre hauptsächlich belehrende Aufgabe wünschen läßt.

Die Illustrationsbeilagen zeichnen sich vorzugsweise durch sorgfältige Ausführung und Behandlung aus. Neben den Landkarten und Städteplänen finden sich eine große Zahl naturwissenschaftlicher Holzschnittblätter und eine Reihe mit größtem Fleiß ausgeführter Aquarelldrucktafeln. Wir wollen nur auf Einiges aufmerksam machen. Im 1. Band: die afrikanischen, amerikanischen und asiatischen Völker und die Aktinien- und Algen-Tafeln. Im 2. Band: zwei Tafeln Autographen berühmter Personen, eine Tafel: das Bauernhaus, 12 Tafeln für Baukunst und 10 Tafeln für Bildhauerkunstgeschichte. Im 3. Band: neben 5 Landkarten und 6 Städteplänen, treffliche Tafeln über Blattpflanzen u. dergl., vor Allem das meisterhafte Faksimile von Gutenberg’s 42zeiliger Bibel. Im 4. Band: die Tafeln und Karten zu Allem, was mit „Dampf“ und „Deutschland“ zusammenhängt. Im 5. Band sind ganz besonders hervorzuheben die Aquarelldrucktafeln der Edelsteine und der Eier; von den Städteplänen der von Dresden und Elberfeld-Barmen. – Die deutsche Presse hat mit seltener Uebereinstimmung sich für dieses Werk ausgesprochen, und das deutsche Volk scheint seine Theilnahme in der gedeihlichsten Weise zu bethätigen. Daß aber auch das Ausland, daß unsere stolzen Stammverwandten jenseit des Kanals sich darüber aussprechen, wie Dr. Webster in der „Encyclopaedia Britannica“, das gereicht dem Buch und uns zur Freude und Ehre. Fr. Hofmann.     

Zutraulich. (Mit Illustration auf S. 909.) Ein Rokoko-Idyll – sagen wir: aus der Werther-Zeit. Aus der Zeit des jungen Goethe, wo es so viele Lotten gab wie heut Elsen. Der Sommerhimmel blaut, das Korn duftet, und die bunten Falter fliegen: das ist der Hintergrund für das Idyll. Und auf diesem Grunde eine „Lotte“, höchstens achtzehnjährig, ein Körbchen voll Rosen am Arm – ein Geschöpf, welchem kein Schmetterling Bedenken tragen darf, völlig zu vertrauen. Da sitzt die schillernde Psyche auf dem lichten Mädchenfinger, der so fein glitzert in der Hitze des Sommertags und so warmduftig ausströmt: ein Sitz wie in einem Blumenkelche. Die Wahrheit zu sagen: ein Schmetterling hat immer Durst, und unsere Psyche nippt ein Perlchen Schweiß von diesem Finger so gut wie den Honigtropfen aus einer Rose. Aber man denkt nicht so prosaisch, wenn man ein achtzehnjähriges Mädchen ist, dem ein Schmetterling auf den Finger flog. Man sagt nur in Gedanken: „Wie reizend!“ und „Still!“ Lange währt die Freude nicht – man muß alles thun, um sie voll zu genießen; im Umsehen huscht sie davon – ein Schmetterling.

Hamlet in Paris. Der träumerische Dänenprinz Shakespeare’s ist jetzt auch in Paris erschienen und zwar im Theâtre der Porte-Saint-Martin, wo Sarah Bernhard, die gefeiertste Künstlerin Frankreichs, die Ophelia spielte, und jetzt im Herbst an der Stätte der klassischen französischen Muse, im Theâtre Français. Und der Eindruck dieser Aufführungen? Man hat einzelne Scenen lebhaft beklatscht, wie die Scene zwischen Hamlet und Ophelia, welche von dem Darsteller der Titelrolle in höchst stürmischer Weise gespielt wurde; doch galt dieser Beifall mehr dem Schauspieler. Im Ganzen hat man sich gelangweilt – daraus macht die erste Zeitschrift Frankreichs, das vornehme Weltblatt, die „Revue des deux mondes“, kein Hehl. Die Zerfahrenheit der Handlung in den beiden letzten Akten widerspricht zu sehr den Ueberlieferungen des französischen Theaters, und der Humor, der in einzelnen Auftritten herrscht, hat zu wenig mit dem französischen Esprit gemein. Abgesehen von dem sehr sympathischen Darsteller der Titelrolle wurde auch nicht besonders gespielt: die Ophelia schien aus der Operette herzukommen; Polonius war nichts als ein Komiker, und der Geist hatte nichts Unheimliches; er flößte so wenig Grauen ein, daß er im Gegentheil von der Geisterfurcht kuriren konnte. Und doch hat das Theâtre français dem Schauspiel Shakespeare’s die größten Zugeständnisse gemacht. Während die Verwandlungen an dieser Bühne sonst in Acht erklärt sind, wurde der „Hamlet“ in elf Abtheilungen gegeben; doch der Geist Shakespeare’s wird wohl nicht sobald zum zweiten Male in den Pariser Schauspielhäusern spuken; der Dichter, welchen Voltaire und Friedrich der Große einen betrunkenen Wilden nannten, ist für den französischen Volksgeschmack verloren. †      

Der Dom zu Merseburg. (Mit Illustration S. 913.) In seiner alten ehrwürdigen Schönheit ist der Dom zu Merseburg, eines der Baudenkmäler aus Sachsens Vorzeit, neuerdings restaurirt und in Gegenwart des deutschen Kronprinzen am 7. November eingeweiht worden. Große geschichtliche Erinnerungen knüpfen sich an den alten Dom. Das Bisthum Merseburg wurde von Otto dem Großen in Folge eines Gelöbnisses gegründet, das er 955 bei einem Ritt in die Hunnenschlacht auf dem Lechfelde gethan. Im Jahre 1015, wo Kaiser Heinrich II. in Merseburg seinen ersten Reichstag hielt, beschloß er das neue Gotteshaus an Stelle des alten Kirchleins zu gründen, und im Jahre 1021 wurde der neue Dom eingeweiht[WS 1]. Als der Gegenkönig Heinrich’s IV., Rudolf von Schwaben, 1080 vor den Thoren von Merseburg geschlagen worden und an seinen Wunden gestorben war, wurde er im Chore der Stiftskirche beigesetzt, und die noch heute erhaltene Erzplatte, womit die Höhlung bedeckt ist, hat ein hohes kunstgeschichtliches Interesse. Das Langhaus des Doms wurde im Jahre 1517 gebaut. Drei Jahre darauf las Dr. Eck von der Kanzel des Doms die Bannbulle gegen Dr. Luther, und dreimal hat dieser selbst im Dom gepredigt.

Das Streben, alte Baudenkmäler, denen die Zeit manche ehrwürdige Schönheit, manche charakteristische Eigenheit abgestreift hat, in ihrer ursprünglichen Gestalt zu restauriren, geht aus der geläuterten Kunstbildung der Gegenwart hervor. Um die Restauration des Merseburger Doms, dessen stilvolle Gruft mit ihren blanken, allegorisch reich verzierten Metallsärgen der Ungunst der Zeiten getrotzt, hat sich in erster Linie Kultusminister von Goßler verdient gemacht. Die rühmenswerthen Restaurationsarbeiten wurden von Oberbaurath Adler und Regierungsbaumeister Weber geleitet und in vier Jahren vollendet. Der Dom besitzt eine Riesenorgel, nächst der von Ulm die größte in Deutschland: sie hat 81 Register und 5607 klingende Stimmen.

Der Kronprinz begab sich vom Bahnhofe sofort nach dem Dom; ihm voraus zog die Fleischerinnung, vermöge eines alten Privilegs. Die Geistlichkeit erwartete den Kronprinzen mit Büchern und Kirchengeräthen vor dem Dom und schritt ihm voraus, als er vom Schlosse kam, begleitet von den Spitzen der Behörden der Provinz Sachsen. Der Generalsuperintendent derselben, Dr. Möller, hielt die Weihrede, die erste Predigt Konsistorialrath Leuscher. Dann besichtigte der Kronprinz das Innere der Kirche und nahm draußen die Kirchenparade über das in Merseburg garnisonirende Husarenregiment ab.

So ist das alterthümliche Gebäude, von Künstlerhand restaurirt, dem Gottesdienst der Gegenwart zurückgegeben worden. †      

Amerikanische Dynamitkreuzer. Die Werkzeuge der Zerstörung zu kriegerischen Zwecken mehren sich von Tag zu Tag; ja es werden auf diesem Gebiete so mörderische Erfindungen gemacht, daß man daran zweifelt, ob das den Krieg und seine Bedingungen regelnde Völkerrecht seine Zustimmung zur Anwendung derselben geben dürfte. Giebt es doch Vertreter der Humanität und Apostel des Friedens, welche ihre Hoffnung auf diese sich gegenseitig überbietenden Erfindungen setzen; denn wenn die zerstörenden Kräfte in einer Weise entfesselt würden, daß große Truppenmassen ihnen gar nicht mehr Stand halten könnten, daß ganze Regimenter vom Erdboden rasirt würden, so würde ja der Krieg von selbst eine Unmöglichkeit werden.

Zunächst beschäftigt sich die Marine mit solchen vernichtenden Kampfmitteln. Die Amerikaner lassen jetzt einen Dynamitkreuzer bauen, der 230 Fuß lang, 26 Fuß breit und 7½ Fuß tief ist, dessen Maschinenstärke 3200 Pferdekräfte beträgt. Dies Schiff führt 3 Dynamitkanonen. Um die furchtbare und für die Mannschaften lebensgefährliche Erschütterung zu vermeiden, welche unfehlbar eintritt, wenn mit Dynamit geladene Geschosse durch das gewöhnliche Schießpulver herausgeschleudert werden, bedient man sich bei diesen Geschützen der zusammengepreßten Luft, und zwar ist die Luft bis auf 1000 Pfund für den Quadratzoll[WS 2] komprimirt. Die Geschütze von Stahl haben die große Länge von 65 Fuß; die Geschosse bestehen aus Kupferhülsen vom Durchmesser des Geschützes und enthalten 200 Pfund Sprenggelatine.

Mit diesen neuen Zerstörungswerkzeugen haben die Amerikaner auf dem Potomakfluß Experimente gemacht. Die Treffsicherheit dieser Geschütze erstreckt sich auf drei englische Meilen, und ihre Wirkung ist eine so gewaltige, daß ein einziger Treffer das stärkste Panzerschiff vernichten würde.

Wie wird sich bei solchen Erfindungen der Seekrieg der Zukunft gestalten? Welcher Marine-Etat der Welt könnte den Verlust von Panzerschiffen ersten Ranges ertragen, die mit so enormem Kostenaufwand gebaut sind, wenn ein einziger Kanonenschuß sie zerstören und eine solche Bresche in den Etat schießen könnte? Vielleicht sind die ersten Berichte unter dem Eindruck einer Erfindung von immerhin erschreckender Wirkung etwas übertrieben; jedenfalls ist der erste Schritt, die Waffe der Anarchisten, das Dynamit, als Kriegswaffe zu gebrauchen, sehr beachtenswerth. †      

Auflösung der Skataufgabe Nr. 8 auf Seite 852.

Die Vorhand verliert ihr Grand, obwohl sie 92 Augen in der Hand hat, während die Mittelhand mit nur 8 Augen in der Hand Grand bei richtiger Spielführung gewinnen muß, wenn die Karten so vertheilt sind:

Mittelhand: eW, gW, rW, sW, r9, r8, r7, s9, s8, s7.
Hinterhand: eO, e9, e8, e7, gO, g9, g8, g7, rO, sO.

Skat: rK, sK. Der Verlauf des Spiels wird etwa folgender sein:

1. eD, sW, eO. (−16)
2. s7, sO, sD (+14)
3. gD, rW, gO (−16)
4. s8, e7, sZ (+10)
5. eZ, gW, e9 (−12)
6. r7, rO, rD (+14)
7. gK, r8, g7, (+4)
8. gZ, eW, g9 (−12)
9. s9, g8, eK (−4)
10. r9, e8, rZ (+10).

Daß Mittelhand Grand gewonnen hätte, bedarf, da der Gang des Spieles in der Hauptsache derselbe sein wird, keines weiteren Beweises.

Auflösung der Schachaufgabe auf Seite 884.
Weiß:   Schwarz:
1.0 L d 8 – a 5! T a 6 – a 5 ;
2.0 D d 2 – d 6 beliebig (ev. L d 5)
3.0 S S, ev. D g 6 setzt matt

Auf 1. ... f 3 – e 2 : folgt 2. D d 2 – e 2 : † nebst 3. D e 2 – c 4 matt. Die Drohung ist 2. D d 2 – d 3 † nebst 3. S e 2 – c 3 (zieht ab) matt. Es scheitert 1. D d 6 an L d 5! Gegen 1. S [?] 4 folgt S c 3 †, 2. D : S, e 5 : S; ohne L h 8 wäre 3. D d 4 matt möglich. Der Versuch 1. S g 1 oder S c 3 † wird durch S c 3 (:) †. 2. D : S, L b 5! widerlegt. Eine kunstreiche Arbeit!


Inhalt: Unser Männe. Von W. Heimburg (Schluß). S. 905. Mit Illustrationen S. 905, 906, 907 und 908. – In der Sylvesternacht. S. 908. – Die Bastille. Von Rudolf von Gottschall. II. S. 910. – Erfrieren. Von Geheimrath von Nußbaum in München (Schluß). S. 912. – Sankt Michael. Roman von E. Werner (Schluß). S. 914. – In harter Winterszeit. Illustration. S. 917. – Blätter und Blüthen: Frauenleben in Konstantinopel. S. 919. – Meyer’s Konversationslexikon. Von Fr. Hofmann. S. 919. – Zutraulich. S. 920. Mit Illustration S. 909. – Hamlet in Paris. S. 920. – Der Dom zu Merseburg. S. 920. Mit Illustration S. 913. – Amerikanische Dynamitkreuzer. S. 920. – Auflösung der Skataufgabe Nr. 8 auf Seite 852. S. 920. – Auflösung der Schachaufgabe auf Seite 884. S. 920.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eiugeweiht
  2. Vorlage: Ouadratzoll
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