Seite:Die Gartenlaube (1886) 903.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

schlaftrunkenen Affen auf, angsterfüllt schreckten Antilopen. Dann reckte in unmittelbarer Nähe unseres Bootes ein Nilpferd sein ungeschlachtes Haupt über die Oberfläche des Stromes und brummte, als wolle es versuchen, mit dem Donnergebrüll des Löwen zu wetteifern; ein Leopard wagte ebenfalls sich hören zu lassen; Schakale stimmten das wechselvollste Lied an, welches wir je von ihnen vernommen; die gestreiften Hyänen heulten, die gefleckten erhoben ihr höllisches, Mark und Bein erschütterndes Gelächter; und unbekümmert um allen Aufruhr, welchen die Herolde und der König des Waldes heraufbeschworen hatten, fuhren die Frösche fort, ihren eintönigen Ruf, die Cikaden, ihr klingendes Geläute hören zu lassen.

Dies war das „Hosiannah in der Höh’“, welches uns der Urwald sang.


Blätter und Blüthen.

Für den Weihnachtstisch. Außer den Büchern, welche ihrem ganzen Charakter und ihrer äußeren Einkleidung nach für den Weihnachtstisch bestimmt sind, giebt es noch andere, welche mehr allgemeiner Bildung dienen und zu Christgeschenken sich vorzüglich eignen.

Eine Erb-Weltgeschichte des deutschen Volkes“ – so haben wir schon vor mehr als einem halben Menschenalter[1] ein Buch genannt, das ebenso seines bescheidenen Verfassers, wie seines hohen Werthes wegen ein Lieblingsbuch wie Hausschatz unserer Nation geworden ist: Die Becker’sche Weltgeschichte.

So schön verändern sich die Moden mit der zeit,
dem Einen alles eng, dem andern alles weit.
      Wie eine Herings Seel ist jene anzuschauen
      Die andere brüstet sich als wie die stolzen Pfauen
Die nehmen die Natur von einem Windhund an,
daß man des Lachens sich oft nicht enthalten kan.
      Die Andere schwellt sich auf wie eine Bayrsche Nudel,
      und jener geht daher, als wie sein alter Budel.

Augsburger Spottblatt auf die Modethorheiten des 18. Jahrhunderts.

Die Erfahrung, daß der Geschichtsunterricht in der Schule in früherer Zeit eine Plage war wegen der trockenen Geschichtszahlen und des kalten Vortrags, hatte damals auch der Mann gemacht, der gerade dadurch auf das Bedürfniß der Jugend und des Hauses hingelenkt wurde und dem es gelang, dasselbe in vollendetster Weise zu befriedigen. Und wer war der Mann? Gewiß ein berühmter Professor oder hoher Staatsbeamter? – Nichts von alledem: Karl Friedrich Becker war ein einfacher Privatgelehrter in Berlin. Er war aus dem Volk, der Mann, der so trefflich für das Volk zu denken und zu fühlen verstanden. – Wer hätte unter dem einfachen, bescheidenen Titel: „Weltgeschichte für Kinder und Kinderlehrer“ eine solche Goldgrube einflußreichster Bildung gesucht? Aber sie ward sofort als solche erkannt; denn Becker hatte das Geheimniß entdeckt, das die Kinder so an die Erzählungen am Familientisch fesselt: „Geschichten“ wollten sie hören, und er hat mit seinem Buche dargethan, daß auch die Weltgeschichte aus „Geschichten“ bestehen muß, wenn sie Geist und Herz des Volkes packen, belehren und erheben soll.

Daß Becker mit seinem Ideal der Geschichtschreibung das Richtige getroffen, zeigte der Erfolg seines Buchs: es ging rasch aus den Händen der Kinder und der Kinderlehrer in die Familien über; es wurde ein Hausbuch des deutschen Volks, ohne von Seiten der gelehrten Kritik besondere Beachtung und Förderung gefunden zu haben. Der Buchhandel war es, der auf das gute Unternehmen hinwies und für Fortführung und Neubearbeitung desselben entsprechende Kräfte heranzog. So erschienen nach und nach die Fortsetzungen von Joh. Gottfr. Woltmann und Karl Adolf Wenzel, von Joh. Wilh. Loebell, Max Duncker, Adolf Schmidt in Jena, mit den Beiträgen von Gustav Hertzberg und Vasemann in Halle, und endlich die Forsetzung von Eduard Arnd.

Dennoch ist es im Lauf der letzten Jahre fühlbar geworden, daß der ursprüngliche Zweck von Becker’s Buch nicht mehr erfüllt wurde. Dadurch, daß es von dem anfänglichen Umfang von neun Bänden auf zweiundzwanzig angewachsen war, überstieg der Preis desselben den für ein Volksbuch geeigneten in zu hohem Maße, – und unter den vielen Neubearbeitungen hatte das ursprüngliche Gepräge und der eigenthümliche Reiz von Becker’s eigener Darstellung gelitten.

Da mußte endlich ein Schritt zurück gethan, das heißt das alte Werk selbst wieder zur Grundlage einer Neubearbeitung und zwar mit der Aufgabe herangezogen werden, alle Vorzüge, die von Becker’s Geist herstammen, dem Buche zu erhalten und es inhaltlich bis zur jüngsten Zeit zu vervollständigen. Und ein solches Werk liegt vollendet vor uns in „Becker’s Weltgeschichte. Neu bearbeitet und bis auf die Gegenwart fortgeführt von Wilhelm Müller, Professor in Tübingen. Mit zahlreichen Illustrationen und Karten. (Verlag von Gebrüder Kröner in Stuttgart.)“ In dieser neuesten Auffrischung des alten Werks tritt uns auch der ursprüngliche Geist wieder entgegen, wie er zur deutschen Familie zu sprechen hat. Es ist wieder eine Lust, irgend einen Band des Werkes aufzuschlagen und sofort den Zug zu spüren, der zum Lesen und Weiterlesen hinreißt. Hell, klar und warm strömen die Geschichten dahin, für Kopf und Herz eine Erquickung. Auch die nunmehrige Ausdehnung dieser zwölf (gebunden nur sechs) Bände spricht dabei mit; denn der Aufwand für die (außerdem durch Heftlieferung noch erleichterte) Anschaffung dieses Hausschatzes wird dadurch dem Geldbeutel des Volkes angemessener. Einer ganz besonderen Empfehlung ist aber die künstlerische Ausschmückung dieses „Becker“ werth. Nicht bloß das Kind, sondern Jedermann fragt, wenn von Männern oder Frauen der Geschichte, von Bauwerken und Wohnungen, Trachten, Friedens- und Kriegsgeräthen der Altvordern und fremder Völker aller Zeiten erzählt wird: wie haben sie, wie hat das Alles wohl ausgesehen? Der Wunsch, der jener Frage zu Grunde liegt, wird in einfachster und doch möglichst vollkommener Weise in unserem Buche erfüllt. Wir finden die Bildnisse Aller aus den Millionen ihrer Zeitgenossen in der Geschichte hervorragender Menschen, die bildlichen Darstellungen aus der kulturgeschichtlichen Entwickelung der Völker vom Anbeginn bis heute, und daß auch Land- und Geschichtskarten nicht fehlen, ist bei solcher Sorgfalt für den Anschauungsunterricht auch in der Geschichte selbstverständlich. Wir dürfen daher mit guter Zuversicht die Hoffnung hegen, daß diesem neuen „Becker“ sich dieselbe Liebe wieder zuwenden werde, welche den alten Becker zur „Erb-Weltgeschichte des deutschen Volkes“ gemacht hat.

An „Becker’s Weltgeschichte“ kann man die „Kulturgeschichte des deutschen Volkes“ von Otto Henne am Rhyn (Berlin, Grote’sche Verlagsbuchhandlung) anreihen, ein vorzüglich ausgestattetes Werk des trefflichen Kulturgeschichtsschreibers, das uns das Leben deutscher Vorzeit in Krieg und Frieden, Kunst und Wissen, Trachten und Sitte in Wort und Bild anziehend erläutert. Wir entnehmen demselben das obenstehende Augsburger Spottbild auf die Modethorheiten des 18. Jahrhunderts, dem das 19. mit Fug und Recht nicht minder ergötzliche Spottbilder an die Seite setzen könnte.

Brockhaus’ Konversationslexikon“ ist, seitdem wir demselben einen eingehenden Artikel gewidmet, rüstig fortgeschritten bis über den Buchstaben V hinaus, und gerade auf jenem Gebiete, auf dem sich die neueste Auflage von den früheren so vortheilhaft unterscheidet, auf dem naturwissenschaftlichen, haben wir wieder eine große Zahl von Artikeln zu verzeichnen, bei denen der treffliche Text durch wohlgelungene Abbildungen unterstützt wird, wie diejenigen über Pilze, Rüsselthiere, Urthiere, Reptilien u. a. Auf dem Gebiete der Mechanik finden wir werthvolle, durch Illustrationen erläuterte Artikel über Pressen, Pumpen, Telegraphen, Torpedos u. s. w. Sehr zahlreich sind wiederum die Kartenbeilagen und Pläne. Die neue Zeitgeschichte ist eingehend behandelt: wir finden z. B. einen ausführlichen Artikel über den russisch-türkischen Krieg von 1877. Die Vorzüge der geschichtlichen und besonders biographischen Artikel sind schon bei den früheren Auflagen allgemein anerkannt worden. So darf das seinem Abschluß sich nähernde Werk als ein lehrreiches Volksbuch in des Wortes schönster Bedeutung empfohlen werden.

Leopold Kompert ist am 26. November in Wien gestorben, ein Novellist, der in einem allerdings beschrankten Kreise Treffliches geleistet hat. Dieser Kreis war das Leben des Judenthums in allen Schichten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 903. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_903.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2021)