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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

„Das bin ich auch.“

„Ach, Du bist närrisch, Grete!“

„Ja freilich, denn ich habe Dich lieb, Du – Du Hunde-Anwalt; Du solltest Direktor werden in einem englischen Hunde-Asyl.“ Und sie lachte und küßte mich und lachte, bis ich mit einstimmte, und dennoch –

Fahr’ wohl, Männe! Ich hatte es mir anders gedacht.


Der Friede blieb im Hause, der Hund im Pferdestall und in der Burschenstube. Anfänglich lief er noch zuweilen dem Philipp nach und blieb stundenlang vor unserer Flurthür sitzen, geduldig wartend, ob ihm Jemand öffnen werde. Hier traf ich ihn einmal; das glänzend schwarze Fellchen sah verstaubt aus; er hatte ein thränendes böses Auge und sein energisches Kratzen bewies, daß er Einquartierung besaß. Mir drehte sich das Herz um, als das verstoßene Thier sich schier zerriß vor Freude, wie es seinen treulosen Herrn erblickte, „Kerl!“ fuhr ich den Burschen an, „wie hältst Du den Hund! Er sieht ja jammervoll aus!“

„Herr Lieutenant, er liegt den ganzen Tag im Heu; ich habe so wenig Zeit; Sonntags bürste ich ihn zuweilen.“

„Er hat ein schlimmes Auge – geh’ zum Roßarzt mit ihm. Du giebst ihm doch ordentlich zu fressen?“

„Jawohl, Herr Lieutenant. Aber die Anna rückt nicht den kleinsten Knochen heraus, sie verkauft sie; und was sie sonst hat, stellt sie für die Gemüsefrau zurück, es ist eine Verwandte von ihr.“

„So!“

„Es sind immer nur Kartoffeln, Herr Lieutenant, er frißt sie nicht gern.“

„Du wirst dem Hunde jeden Tag Pferdefleisch kaufen, von heute ab!“

„Zu Befehl, Herr Lieutenant! Es wäre aber besser, er thäte sich gleich an die Kartoffeln gewöhnen; bei mir zu Hause –“ er stockte – „ich kann ihm doch kein Pferdefleisch nicht kaufen.“

Ach richtig, ich hatte ihn ja verschenkt! Hätte ich ihn doch lieber todtgeschossen – armer Kerl!

Ob ich noch einmal eine Attake auf Gretchens Herz wage? Ich trat in ihr kleines lauschiges Zimmer; sie saß am Fenster und nähte, die Wangen glühend vor Eifer. Draußen an die Scheiben klopfte der Frühlingsregen; die Linden auf unserer Straße schimmerten im allerersten Grün; im Zimmer roch es süß nach Veilchen.

Sie hatte kaum Zeit, mir die Hand zu geben, so eifrig beschäftigte sie ein winzig kleines Jäckchen; sie sah mich nur an mit glücklichen Augen.

„Grete, wenn es ein richtiger Junge ist, wird er einen Hund haben wollen – meinst Du nicht auch?“ fragte ich forschend.

„O bewahre, Rudolf! Wenn Du etwa denkst, daß er Alles bekommen wird, was er haben will, so irrst Du Dich; ich sehe schon, ich werde ihn allein erziehen müssen.“

„Wild darf er sein, Grete, und seine Passionen soll er haben; ein Duckmäuser darf er nicht werden.“

„Dazu braucht er noch keinen Hund, Rudolf! Meine Brüder sind auch keine Duckmäuser und haben doch nie einen Hund besessen. Und wenn er so darauf erpicht ist, dann doch höchstens einen ganz großen Neufoundländer; das giebt immer ein hübsches Bild – ein blondes Kind und ein schwarzer recht großer Hund.“

„Aber, Gretchen, das sind nicht die treuesten –“

„Ach, Rudolf, ich weiß ja, was Du willst. Du denkst an das kleine Scheusal, das Du früher hattest und um deßwillen wir uns zum ersten Male in unserem Leben zankten; ich kann ihn nun einmal nicht leiden, ihn nicht und alle anderen Hunde nicht und auch keine Neufoundländer.“

Einen Augenblick dachte ich daran, einfach den Befehl zu geben: „Der Hund wird von jetzt ab im Hause bleiben, ohne Weiteres!“ Dann fiel mir die Ermahnung meiner Schwiegermutter ein, meine Frau augenblicklich so schonend als möglich zu behandeln, und fürs Zweite – dem armen Thiere geschah kein Gefallen; er hatte die zarte Weiblichkeit der ganzen Familie gegen sich, die Köchin mit eingeschlossen. Dem war er doch nicht gewachsen; also, der Klügere giebt nach!

„Gut, gut, Gretchen, es wird nie mehr von dem Hunde die Rede sein,“ sagte ich möglichst ruhig und ging aus dem Zimmer.


Es war wirklich nie mehr die Rede von „Männe“; ich sah ihn auch nur selten, und kam er mir einmal in den Weg, so biß ich die Zähne zusammen und hieb ihm Eins mit der Reitpeitsche über, damit er begreifen sollte, daß er nicht mehr zu mir gehöre, und dann sah ich nach der andern Seite. In die Augen hätte ich dem Thiere nicht sehen können: es kann so menschlich vorwurfsvoll blicken.

Oben angelangt vergaß ich gewöhnlich das bittere Gefühl, denn da stand meine Frau und hielt ein blondes Kind auf dem Arme und ihre helle klingende Stimme rief jubelnd: „Wer kommt da, mein Mäuschen? Der Papa! Der Papa!“ Es war ein Bild, so voll strahlenden Scheines, daß es im Herzen keine Spur von Schatten duldete. Vor einem Paar süßer frommer Kinderaugen verfliegt jeder Groll; Gretchens Eigensinn, Männe’s Verbannung – Alles war vergessen.

Unser Fräulein Tochter wuchs allmählich aus dem Stechkissen, trug weiße Kleidchen und gab ganz entschieden Zeichen von sich, daß sie Charakter besaß, d. h. Eigensinn. Sie war kaum ein Jahr alt, da fing sie an hinter dem Rücken ihrer ahnungslosen Eltern zu intriguiren. Ich ertappte sie nämlich bei einem Rendezvous mit – Männe!

Meine Frau war ausgegangen, und zwar zu einem Damenkaffee, der Geburtstagsfeier ihrer Schwester. Vom Dienste heimkehrend hörte ich in der Kinderstube einen ungewöhnlichen Jubel, Lachen, Jauchzen und Bellen, und als ich die Thür aufmachte, erblickte ich mein hoffnungsvolles Töchterchen auf dem Teppiche umherkriechend, das junge Kindermädchen daneben und Männe mit fliegenden Ohren einem Balle nachjagend; er apportirte just die hingeworfene Kugel und rannte im ungestümen Eifer die Kleine über den Haufen.

Ich sprang erschreckt hinzu, aber das Kind jauchzte von Neuem, und die Wärterin erklärte: „Der thut der Kleinen nichts; die spielen gar oft mit einander, Elschen hat den Hund so lieb.“

„Wo hat sich denn die Bekanntschaft angesponnen?“ forschte ich.

„O, drunten auf dem Hofe. Die Kleine schrie einmal so sehr, da brachte ihr der Philipp den Hund; sie war gleich still, und er ließ sich anfassen von ihr, und seitdem habe ich ihn zuweilen heraufgeholt, wenn Elschen schrie.“

„Weiß das meine Frau?“ examinirte ich und setzte mich zu Kind und Hund auf den Teppich.

Ein kleinlautes „Nein!“ war die Antwort. Die gnädige Frau hatte nur einmal den „Männe“ im Flur draußen erblickt und ihn gleich wieder auf den Hof gejagt.

Ich mußte innerlich lachen, indem ich mich mit den beiden kleinen Spielkameraden beschäftigte; es war etwas Schadenfreude. „Das Kind hat viel von seinem Vater,“ dachte ich stolz. „Warte, Du blonde Haustyrannin, wenn wir Zwei uns verbünden, dann sollst Du doch den Kürzeren ziehen!“ – Das ward nun eine Lust; das Baby jauchzte, der Männe bellte – sie konnten Beide nicht mit Worten sagen, wie schön es war, aber ihr Jubel bewies es zu Genüge. Und plötzlich saß der alte treue Kerl aufrecht neben klein Elschen, als wollte er sprechen: „Siehst Du, Herrchen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 891. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_891.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2023)