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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Unser Männe.

Von W. Heimburg.

Wir waren bereits sehr intim mit einander, als ich noch im lustigen Junggesellenstand lebte und keine Ahnung von einer gewissen „Grete“ hatte, die nunmehr meine bessere Hälfte ist. Er – aber gestatte mir zuvörderst, liebenswürdige Leserin, daß ich ihn dir vorstelle: Herr „Waldmann“, kosend „Männe“ genannt, aus dem vornehmen Stamme der Dachse, ein kleiner glänzend schwarzer Teckel mit vorschriftsmäßigen krummen Vorderbeinen von schöner brauner Farbe, schlank von Leib, mit langer Ruthe, ebenfalls vorschriftsmäßig getragen, und mit prachtvollen Behängen; und über den braunen treuen Hundegucken, die so ausdrucksvoll dich anschauen, ein paar kokette braune Fleckchen. Ein Prachtkerl!

Ich kaufte ihn für schweres Geld von einem Förster – es war an einem Weihnachtsheiligenabend um, wie ich die Ausgabe vor mir selber entschuldigte, doch etwas Lebendiges an diesem Freudenfest zu haben, das ich so ganz allein verleben mußte; denn ich hatte weder Eltern noch Geschwister, und an keinem Abend der Welt ist die „Kneipe“ so kalt, so ungemüthlich wie am 24. December. Ich war im Besitze dieses selbstgespendeten Weihnachtsgeschenkes glücklich wie ein Kind; ich streichelte und fütterte den kleinen Kerl, der sich freilich im Anfang etwas zurückhaltend zeigte; aber, wie gesagt, mit der Zeit wurden wir sehr intim. Des Morgens saß „Männe“ neben mir auf dem Sofa und half mir beim Frühstück; er saß, sagte ich, denn er lehnte aufrecht in den Polstern und zählte mir jeden Bissen in den Mund; und wenn ihrer gar zu viele an ihm vorbeigingen, gab er mir einen kleinen freundschaftlichen Stoß mit der Schnauze und setzte sich noch strammer in Positur. Ging ich in den Dienst, so begleitete er mich traurig bis zur Thür; und kam ich zurück, so hörte ich sein Freudengeheul schon auf der untersten Treppe; er hatte meine Schritte erkannt. War der Bursche so unvorsichtig, ihn herauszulassen, so fiel er mehr, als er lief, die Treppe hinunter und jauchzte und jankte, daß sich die Etagenbewohner über ihn beschwerten. Und nun wußte er, wir gingen aus. Wir spazierten ein paarmal um den Ring der Stadt, auf dem die Militärkapelle zur Parole-Ausgabe spielte; wir bewunderten dabei die jungen Damen, und wenn ich es gar unternahm, die Eine oder Andere anzureden, so setzte sich „Männe“ als Dritter im Bunde dazu und schaute so aufmerksam drein, als verstände er jedes Wort. Oder er zog es vor, auch seinerseits Bekanntschaften zu machen, denn auch die Hundewelt schien sich zur Mittagszeit ihr Rendez-vous auf dem schönen Platz zu geben. Waren wir genug gewandert, ging’s zum Frühschoppen; „Männe“ wußte das genau, er war gewöhnlich schon vor seinem Herrn in dem halbdunklen gewölbten Lokale; sein Herz zog ihn dahin. Er hatte ein zartes Verhältniß mit der feschen Kellnerin; sie bewahrte immer etwas für den „Männe“ auf, und er ließ sich dafür von ihr streicheln, was ich so leicht keinem andern menschlichen Wesen, meinen Burschen ausgenommen, hätte rathen mögen.

Mittags speiste er mit dem Philipp in einem Kellerrestaurant; Nachmittags mußte er sich auf eigene Faust amüsiren. Aber des Abends ward es wieder herrlich für uns Beide! Die Saison abgerechnet, wo der Lieutenant in Gesellschaft gehen muß, kamen viele einsame Abende für mich, der ich nie ein Kneipgenie war und mich auch gern einmal mit etwas Anderem beschäftigte als mit dienstlichen Angelegenheiten, die bekanntlich selbst beim Biere im Kreise der Kameraden verhandelt werden; und da war mir nun der „Männe“ ein wahrer Trost. Ich las; aber ich wußte, hier neben dir, die Schnauze in deine Hand gedrängt, liegt ein lebendes Geschöpf, eines, das dir treu ist, das dich auf seine Art schwärmerisch liebt. Ich wanderte im Zimmer auf und ab, er ging neben mir; es glaubt Keiner, wie klug ein solches Thier ist; er wußte sogar, wenn ich verstimmt war. Dann kam er ganz leise, wedelte, knurrte, um sich bemerkbar zu machen, und wenn Alles nicht half, sprang er auf meinen Schoß und sah mich an, als wollte er sagen: „Was drückt dich denn, du armer Kerl?“ oder: „Könnte ich dir doch helfen!“ Er trauerte mit mir und er freute sich mit mir.

Zu der Zeit, wo ich hangte und bangte in schwebender Pein, weil auf einem Balle Fräulein Grete im weißen Tüllkleide und Rosenkranz es mir angethan und ich nun ganz sicher wußte, daß ich nimmermehr ohne sie würde leben können, und in Folge dessen in weltschmerzlichster Stimmung zu Hause saß, vermeinend, daß dieser Engel sich nie zu mir herabneigen würde: da saß auch „Männe“ still mit hängenden Ohren neben mir, und wenn ich seufzte: „Diese Weiber, Männe, o, diese Weiber!“ dann sah er mich an, als wollte er sagen: „Auch ich, mein Bester!“ – Es war richtig, er hatte vor Kurzem eine grausame Tracht Prügel von der Besitzerin einer verführerischen kleinen Möpsin davon getragen. O Männe, wir können ein Lied davon singen!

Und wie ich eines Abends spät nach Hause kam, selig, wie der Mensch nur einmal in seinem Leben ist, da saß ich bis zum grauenden Morgen mit „Männe“ auf dem Sofa, schwatzend und lachend, und er hörte zu und gab mitunter einen kurzen Blaff mit hinein; den ersten Glückwunsch zu meiner Verlobung nahm ich von Männe entgegen! Ich konnte die Hundesprache verstehen, sein Schweifwedeln, sein Springen. „Nun werden wir nicht mehr lange so allein sitzen, alter Freund; nun wird nächstens eine reizende kleine Frau mit uns zu Abend essen; nun wirst Du nicht mehr in den Keller zu gehen brauchen und ich nicht in das Kasino, und wenn ich im Dienst bin, dann kannst Du vor ihrem Nähtisch auf dem weichen Fellchen liegen, und wenn sie in der Küche revidirt, dann schenkt sie Dir ein Knöchelchen, ein Knöchelchen aus der lieben reizenden Hand – Männe, es wird ein Herrenleben!“

Und Männe sagte: Jap! Jap! Das sollte heißen: „Ich kenne sie, Herrchen, ich kenne sie, die kleine Blonde, die Du immer auf der Straße trafst und grüßtest. Mir sieht sie gut und lieb aus – o Du glückliches Herrchen und ich beneidenswerthester aller Dachse!“

Eines Tages hatte die künftige Herrin ihrem künftigen Hunde sogar ein Halsband gestickt. Männe, als gebildeter Rassehund, fand es zwar nicht recht passend für Einen von seinem Geschlecht; er wedelte: es sei allenfalls für einen Damenhund geeignet, z. B. für die niedliche Möpsin. Aber aus Kourtoisie, und weil ich ihm erzählte, wie viele, viele Stiche die

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