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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

No. 47.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die beiden Schaumlöffel.
Eine Künstlergeschichte von Klara Biller.


In einer der Villenstraßen, die rechts und links die Briennerstraße durchkreuzen, liegt, versteckt von einer Gruppe alter Bäume, ein allerliebstes Haus, das sich ein bekannter Münchener Künstler, Paul Schaumlöffel, kürzlich erbaut hat. Vom Atelier, welches er als moderner Maler, der seine Staffelei am liebsten im Freien aufstellt, nur selten zum Arbeiten benutzt, schaut man ins Grün der Nachbargärten. Man kann sich da einbilden, daß man auf dem Lande sei und in den weitläufigen Park eines Schlosses blicke.

Wie das meist der Fall ist, hat Paul sich’s sauer genug werden lassen, ehe er Besitzer dieses hübschen Hauses wurde. Aber auch in der schwersten Zeit hat er, dank einer glücklichen Gemüthsanlage, den Kopf oben behalten. Er ist immer ein trefflicher, hilfbereiter Kamerad gewesen, besonders aber hat sein köstlicher Humor ihn überall beliebt gemacht. Wird in der Künstlergesellschaft „Allotria“ ein lustiger Schwank in Scene gesetzt, so steckt Paul sicher mit dahinter. Im Karneval führt er das große Wort, und ist ein gern gesehener Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter“. Zuweilen kommt’s wohl vor, daß er neben den guten auch einmal einen schlechten Witz macht; ernsthaft aber hat sich noch kein Kamerad über ihn zu beklagen gehabt.

Paul hat keine regelmäßigen Züge; seine Nase erinnert durchaus nicht an die Griechen; der Mund ist etwas breit, und die Lippen sind zu voll, aber das Ensemble macht einen sehr angenehmen Eindruck. Den Rafaelschnitt der Haare verschmäht er selbstverständlich wie das Rafael’sche Ideal. Er trägt sein Haar kurz verschnitten, wie’s ihm bequem ist. Den Schnurrbart streichelt er gern, wie ein Ding, für das man eine gewisse Vorliebe hat. Sein Anzug ist tadellos, alles Auffallende daran vermieden. Wenn er an der Staffelei sitzt, zeigt die Wäsche wohl hier oder da einen Fleck, aber nie gemeine Vernachlässigung. Er hält sich seit zwei Jahren einen jungen Diener, den er selbst abgerichtet hat und auf dessen Erziehung er sich viel einbildet. Zuweilen macht der Zögling ihm auch Ehre. Schulden hat Paul nicht, wenigstens nicht mehr, als ein Künstler, der kürzlich in Mode gekommen ist und dessen Bilderpreise im Steigen sind, sich gestatten darf.

Vor der Staffelei steht er eben im Atelier, lächelt sein letztgemaltes Bild an und findet, daß das Leben doch eigentlich eine ganz herrliche Einrichtung sei. Giebt’s denn einen lustigeren Beruf, als mit Pinsel und Palettenmesser so recht in der vollen Farbe zu wirthschaften, bis ein Bild daraus wird, vor dem ein Amerikaner Augen und Brieftasche aufreißt? Fängt das Geld nicht an, ihm von allen Seiten zuzurollen? Und jetzt wird ja auch die Zeit kommen, wo’s nicht


Mein Liebling. 0Nach dem Oelgemälde von Carl Fröschl.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_821.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)