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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

sich der Schiffsführer Aahmes auf den Gewässern bei Avaris auszeichnete; wir sehen auf einem geschnittenen Steine im Louvre, wie sich der Bruder der großen Königin, Thutmosis II., den Namen des Tapferen beilegt und einen Löwen bändigt; wir hören von einem Feldherrn des Stiefbruders derselben Fürstin, Thutmosis’ III., einen märchenhaften Heldenstreich berichten. Amen ein heb, einer der tüchtigsten Kriegsobersten desselben Monarchen, giebt in seiner Biographie nähere Kunde über die Thaten, welche er auf den Feldzügen gegen die Semiten des westlichen Asien verrichtet, und er vergißt dabei nicht zu erzählen, ein wie kühner und glücklicher Elephantenjäger er war. Die Dame Hatschepsu selbst versucht, sich ein männliches Ansehen zu geben, indem sie sich den Kriegerhelm auf das Haupt setzt und sich auf mehreren ihrer Bildnisse einen künstlichen Bart an das glatte Kinn heften oder auf Dekreten von sich selbst mit den grammatischen Formen für das männliche Geschlecht reden läßt.

Ließen wir eine moderne Königin eine Schrift im gleichen Sinne verfassen, so würde es heißen: „Königin Viktoria wollte den Frieden. Er schrieb nach Rußland etc.“

Kriegswagen mit Köcher und Bogenhalter.

In der That muß ein kräftiges Herz in der Brust dieser Frau geschlagen haben. Männlichen Sinnes wußte sie mit alten Vorurtheilen zu brechen, und wenn man vor und ihr das unbeständige, salzige Meer für eine Domäne des feindlichen Seth-Typhon gehalten, es zu befahren gefürchtet und nur größere und kleinere Barken für friedliche Reisen und kriegerische Unternehmungen auf dem Nil hergestellt hatte, so überwand Hatschepsu die alte Scheu, ließ stattliche Seeschiffe auf neuen Werften am Rothen Meere herstellen und drang mit ihnen bis zum südlichen Arabien, der Arabia felix und der Aromatifera regio der Römer vor, um aus den Küstenländern des kuschitischen Punavolkes, welches mit röthlicher Haut und scharf geschnittenem Profil seltener dunkelhäutig – abgebildet wird, Elfenbein und Gold, Gewürze, Weihrauchkerzen, Gummi und edle Hölzer, Affen und andere kostbare und seltsame Dinge in das Nilthal zu bringen und den königlichen Schatz sowie die Heiligthümer, besonders des Amon, zu bereichern.

Die Erbauerin des Tempels von Der el-bahri war die älteste Tochter Thutmosis’I., und dieser muß ihre Tüchtigkeit und ihren unternehmenden Geist früh erkannt haben; denn obgleich er einen legitimen männlichen Erben und einen Sohn von einem seiner Nebenweiber besaß, erhob er sie dennoch in seinen letzten Lebensjahren zur Mitregentin. Sobald er die Augen geschlossen, wußte sich Hatschepsu des Thrones für sich allein zu bemächtigen, und wenn sie zunächst auch nur als Vormünderin ihres jüngeren Bruders Thutmosis II. die Regierung geführt haben mag, so stellte sie diesen doch so tief in den Schatten, daß sie während einer Reihe von Jahren unumschränkt über das Reich ihres Vaters herrschte. Aber aus dem Knaben ward ein Mann; die Königin mußte dem Volljährigen die Hälfte des Thrones einräumen, und Thutmosis II., der dem edlen Waidwerk sehr ergeben, sonst aber von geringer Bedeutung gewesen zu sein scheint, hat doch der schwesterlichen Macht Widerstand zu leisten verstanden. Gemeinsam und, wie es scheint, in guter Harmonie begannen Beide während dieser Zeit der Theilung der Krone die Anlage ihrer Doppelgruft in dem schönen Felsenamphitheater von Der el-bahri. Für jeden wird zunächst eine Grabkammer in den Kalkstein gehauen und an der Façade der zu diesen Grotten führenden Eingänge links und rechts je eine gleichlautende Inschrift angebracht, die sich nur dadurch von einander unterscheiden, daß die eine der Hatschepsu, die andere Thutmosis II., ihrem Mitregenten, gewidmet ist.

Diese Felsenkammern, welche zur Aufnahme der Mumien des königlichen Geschwisterpaares hergestellt worden zu sein scheinen, sind zugleich als Sanktuarien des Memnoniums zu betrachten, und mit der Anlage des Allerheiligsten begann der Bau jedes ägyptischen Tempels. Bevor sich die Anlage der Terrassen dem Abschluß näherte, segnete Thutmosis II. das Zeitliche, und dieser Umstand ermuthigte Hatschepsu’s illegitimen Stiefbruder, Thutmosis III., den sie als Knaben aus der Nähe von Theben entfernt und als Verbannten in den Marschdistrikten bei Buto im Delta zurückgehalten hatte, sie zu zwingen, ihn an der Regierung theilnehmen zu lassen.

Die Expedition nach Pun-t ward von ihr auf eigene Hand unternommen, und nur ungern überließ sie dem Halbbruder einen Theil des Ruhmes und Reichthums, der ihr aus derselben erwuchs. Von der anderen Seite war Thutmosis III. keineswegs dazu angethan, sich dem Willen eines Weibes geduldig zu unterwerfen, und so zeigte er seiner Stiefschwester, an deren Liebe er mit gutem Rechte zweifeln durfte, bald, daß er mehr und Größeres vermöge als sie. Kein Pharao vor und nach ihm hat so kühne, großartige und glückliche Feldzüge gegen die Asiaten unternommen, wie dieser – seine nun aufgefundene Mumie lehrt dies – an Wuchs kleine Mann, in dem eine große Heldenseele wohnte.

Wir wissen nichts über das Ende Hatschepsu’s, wohl aber lehren die Denkmäler, daß sie in argem Unfrieden mit ihrem gewaltigen Bruder gelebt hat; denn dieser, welcher sich Getreuen dankbar und mit echt fürstlicher Freigebigkeit zu benehmen gewohnt war und sich – Vieles deutet darauf hin – die Liebe des Volkes im höchsten Maße zu erwerben verstand, ließ den Unwillen und Haß, welche ihn bei Lebzeiten der Schwester gegen sie erfüllt hatte, auch

Königssohn, der als Wagenkämpfer mit seinem Rosselenker in die Schlacht jagt.

die Verstorbene fühlen und ordnete an, daß man – eine unter den Pharaonen häufig gegen Vorgänger, deren Andenken man zu verunglimpfen suchte, geübte Unsitte – ihren Namen selbst auf den von ihnen gemeinsam erbauten Denkmälern auskratze und den seinen über die halb zerstörten und doch noch kenntlichen Lettern des ihren hinschrieb. Im Andenken der Aegypter hat Thutmosis’ III. Name den Hatschepsu’s lange überlebt.

Die Herstellung der Terrassen, welche zu den Felsenkapellen führten, ist ihr allein zuzuschreiben; denn sie sind der Hathor, ihrer Lieblingsgöttin, gewidmet, aus deren Eutern wir sie auf einem köstlichen Basrelief in der von ihr und für sie vollendeten Felsenkammer die Milch des Lebens trinken sehen, und viele der polygonalen Säulen, welche sich auf den Plattformen des Terrassenbaues zu Kolonnaden gesellten, zeigten an den Kapitälen das Antlitz dieser himmlischen Frau, welche als Todtengöttin in der Nekropole von Theben schon früh verehrt ward.

Der Grundplan des Memnoniums der Hatschepsu hat für Denjenigen, welcher weiß, mit wie geringen Abweichungen die priesterlichen Architekten sich an die vorgeschriebene Anordnung der Heiligthümer zu halten verpflichtet waren, etwas sehr Ueberraschendes; denn er weicht durchaus von demjenigen aller Tempel oder Memnonien, welche früher oder später in Aegypten hergestellt worden sind, ab; aber wenn man auch am Nil vergeblich nach etwas Aehnlichem sucht, so hat es doch schon früh an einer andern Stelle Denkmäler gegeben, welche dem Tempel von Der el-bahri gleichen, und zwar in Assyrien. Dorthin waren die siegreichen Heere des Vaters der drei Geschwister gelangt; dahin hatte sie wahrscheinlich Thutmosis II. und jedenfalls zu wiederholten Malen Hatschepsu’s Stiefbruder Thutmosis III. geführt, ja vielleicht war die unternehmende Königin, welche wir auch mit dem Kriegerhelme abgebildet sahen, der ägyptischen Armee bis an den Euphrat oder noch weiter nach Osten gefolgt, und so will es uns scheinen, als habe diese merkwürdige Frau, welche sich das Fremde auch auf anderen Gebieten, wo es ihr eben genehm war, zu benutzen nicht scheute, bei der Herstellung ihres Memnoniums ein assyrisches Vorbild herangezogen, es im Ganzen nachahmen lassen, sich im Einzelnen aber der ägyptischen Kunstformen und mit Vorliebe der polygonalen Säule und anderer älterer unter ihnen bedient.

Dieser Prachtbau war so angelegt, daß Processionen zu Schiff aus dem Reichsheiligthum im östlichen Theile Thebens

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 795. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_795.jpg&oldid=- (Version vom 11.10.2018)