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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Seit Jahren an das Klima Sibiriens gewöhnt, sträubte er sich auch nicht lange, als ihm seine kurz zuvor angetraute junge Gattin ihren festen Entschluß kund gab, ihn unter keiner Bedingung verlassen zu wollen; kannte sie doch auch bereits hinreichend den sibirischen Winter mit all seinen Schrecken. Das Tajnurland, jene ungeheuere Halbinsel, die sich aus Sibirien weit nach dem Nordpole hin vorstreckt, erreichten die Seefahrer wohlgemuth im Laufe des Sommers und brachten unter dem 72. Grad nördlicher Breite das Schiff in den Winterhafen. Da man sich mit Vorräthen aller Art reichlich versehen hatte, so befand sich die Mannschaft unter Frau Anna Prontschitscheff’s weiblicher Fürsorge, den Verhältnissen angemessen, durchaus wohl. Im darauf folgenden Sommer nahmen die Versuche zur Umschiffung des Tajnurlandes ihren Anfang; allein sie blieben trotz der größten Anstrengungen erfolglos. Leider ging durch die Unvorsichtigkeit einiger Leute von der Schiffsbemannung ein beträchtlicher Theil der Vorräthe verloren; Mangel und Entbehrung zehrten die übermäßig in Anspruch genommenen Kräfte der Männer mit großer Schnelligkeit auf. Einer nach dem andern verschied, und kaum blieben noch so viele übrig, um die Rückfahrt bewerkstelligen zu können. Siech und krank trafen sie am Ausgangspunkte wieder ein. Am elendesten von Allen aber war das Prontschitscheff’sche Ehepaar, das in muthigem Ertragen der Beschwerden Allen mit gutem Beispiele vorangegangen war. Bald nach Eintreffen des Schiffes erlag der kühne Kapitän seinen Leiden, und nach wenigen Tagen folgte ihm auch seine treue Lebensgefährtin in den Tod. In den Geschichtsbüchern der Polarreisen dürfte ein zweites Beispiel von solcher weiblicher Entsagung und solchem Heldenmuth sowie von aufopfernder Gattenliebe und Treue nicht verzeichnet sein; deßhalb verdient der Name dieser Heldenfrau nicht der Vergessenheit zu verfallen, vielmehr unter der zahlreichen Reihe von Opfern, welche die Wissenschaft und die Erforschung der arktischen Regionen gefordert hat, genannt zu werden, als die einzige Frau „Anna Prontschitscheff“!

Mädchen vom Schwarzwald. (Mit Illustration S. 784 und 785.) Zu den schönsten Gegenden des Schwarzwaldes gehört die sogenannte „Baar“ um Villingen und Donaueschingen und das Gutachthal. Die steilen Gehänge, die oft wilden Schluchten, die silberhellen Bäche, Quellen und Wasserfälle des letzteren, die schönen Dörfer und Gehöfte mit üppigen Obstgärten in der Baar bieten eine ungemein reiche Abwechslung. Wie aber die landschaftlichen Schönheiten des Schwarzwaldes, so fesseln auch dessen Bewohner den Fremden, und mancher Tourist kehrt mit jedem Sommer aufs Neue in die Schwarzwaldberge und -Thäler zurück, in denen er dann nach Jahren wie ein alter Freund erwartet und willkommen geheißen wird. Und wie die herrlichen Landschaften seinen Blick immer wieder fesseln, ja ihm von Jahr zu Jahr anziehender erscheinen, so wird er auch immer vertrauter mit dem Leben des Volkes, befreundet sich in wachsendem Maße mit dessen treu bewahrten Eigenthümlichkeiten in Sitten und Gebräuchen, in der anziehenden Einrichtung der Häuser und der bald einfachen, bald reichen, immer aber malerischen Tracht der Bewohner. Zwei Proben dieser letzteren geben unsere Bilder auf Seite 784 und 785, und mancher Besucher der Baar und des Gutachthales dürfte Gelegenheit gehabt haben, diese Trachten bei festlichen Anlässen an Ort und Stelle zu sehen. Die Heimat der auf S. 784 abgebildeten Schwarzwäldlerin mit dem eigenthümlichen Kopfputz ist die schon genannte Baar. Die im Volksmund „Schappel“ oder „Schäppel“ genannte Krone wird besonders von der Braut, doch nicht von dieser allein, sondern auch von den Brautführerinnen getragen und bildet bei der Feier der Konfirmation gleichfalls den kleidsamen Schmuck der Konfirmandinnen. Ein Drahtgestell giebt der Krone Form und Halt; Gold- und Silberflitter, Glasperlen, Blumen aus Seidenfleckchen und Silberdraht verleihen ihr Farbe und Ansehen. Im Einklang damit stehen dann die kräftigen Farben von Kleid und Schürze, die bunten Bänder, welche in das Haar eingeflochten werden, das buntseidene Halstüchel, die weiße Halskrause und namentlich das in schönen Farben prangende Vorsteck zwischen den Bändern der Schnürbrust. – Die Heimat des zweiten Mädchens (S. 785) ist das fruchtbare, obstreiche Gutachthal. Die Tracht ist die einfache Sonntagstracht. Zum Kirchgang und bei festlichen Gelegenheiten würde dieselbe reicher sein. Besondere Kunstfertigkeit wird auf das Koller verwandt, das den Hals mit niederem Stehkragen umschließt und meist mit werthvollen Stickereien verziert ist. Die „Kapp“, das Mützchen mit dem feinen weißen Schleier, macht einen überaus gefälligen Eindruck, wenn auch im Uebrigen die durchweg schwarze Kleidung eine fast zu ernste genannt werden könnte, und das heitere lebensfrohe Wesen der Trägerin nicht selten einen lebhaften Kontrast mit ihr bildet. **      

Der Petersburger Eispalast vom Jahre 1740. Der Winter des Jahres 1740 war in ganz Europa ein außerordentlich strenger, und während der furchtbaren Kälte erbaute man in Petersburg jenen berühmten Eispalast, der über 52 Fuß lang und 16 Fuß breit war und aus 2 bis 3 Fuß dicken, nach den Regeln der Baukunst behauenen Eisblöcken bestand, die, durch farbige Wasser besprengt, ein treffliches Aussehen erhielten. Auch das Dach und alle innere Einrichtungen, Tische, Stühle, Sofas u. s. w. waren von Eis und regelmäßig geformt. Vor dem Eispalaste waren 6 Kanonen aufgestellt und 2 Mörser von Eis, welche auf der Drehbank angefertigt worden waren, auf den dazu gehörigen Lafetten. Die Kanonen, Sechspfünder, hatte man geladen, und in Gegenwart des ganzen Hofes mit einer Kugel von gestopftem Hanf, auf welchen eine gegossene gesetzt, wurde ein Schießversuch unternommen, der auch vollständig gelang, denn die Kugel durchbohrte auf eine Entfernung von 60 Schritt ein zweizölliges Brett, und die Kanonenrohre, welche nicht dicker, als 4 Zoll waren, litten durch die Gewalt des Pulvers nicht im mindesten.


Allerlei Kurzweil.

Schach.
Von Dr. A. Kauders in Wien.

SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schachaufgabe auf Seite 740.
Weiß:       Schwarz:      
1. D a 1 – h 1 K f 6 – e 5
2. f 3 – f 4 † K e 5 – d 6 oder d 4 0 A)
3. D h 1 – d 5 †! beliebig.
4. S resp. D setzt matt.

A) 2. ... K e 5 – f 6, 3. D h 1 – h 6 :† nebst 4. D h 6 – f 8 matt. – Zweites Hauptspiel: 1. ... h 6 – h 5 ! 2. D h 5 :, K e 7 :, 3. T c 7 † ! beliebig, 4. S, T resp. D setzt matt. Falls 2. ..., K g 7, so 3. S e 4 (d 7) etc. Oder 2. ..., S e 5, so 3. D f 5 † etc. Es droht 3. D h 6 † (D f 5 †) etc. – Varianten. a) 1. ... S e 5, 2. S g 8 † etc. – b) 1. ..., K g 7, 2. T g 8 † etc. – c) 1. ..., K e 7 :, 2. D h 6 : etc.; dies ist zugleich die allgemeine Drohung. Der Versuch 1. D c 1 scheitert an S d 2. 2. D d 2 :, L d 3 ! Die Vereinigung der zwei so schönen Ideen, insbesondere aber auch die Leichtigkeit der Konception stempeln dieses Problem zu einem Meisterwerke ersten Ranges.


Auflösung des „Bilder-Räthsels“ auf Seite 772:0 Hutmachergesellen.

Kleiner Briefkasten.
Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.

G. W. in A. Die gewünschte Auskunft über das moderne Zeitungswesen in England finden Sie in den anziehenden „Studien und Schilderungen aus dem Heimatslande John Bull’s“, welche Leopold Katscher unter dem Titel „Nebelland und Themsestrand“ (Stuttgart, G. J. Göschen’s Verlag) herausgegeben hat.

Abonnent in Radomsk. Vergleichen Sie die Biographie „Eine Heldin der Feder“ in Nr. 28 des Jahrgangs 1876 der „Gartenlaube“.


[ Inhaltsverzeichnis dieses Hefts, z. Zt. nicht hierher übertragen. ]


[ Verlagswerbung Ernst Keil's Nachfolger für Bücher von Heimburg und Keyser.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_788.jpg&oldid=- (Version vom 12.1.2023)