Seite:Die Gartenlaube (1886) 720.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Leben und Heil wagen, um endlich vielleicht – einen Dämon zu umarmen. Mit der ganzen Kraft seines Willens hatte er sich losgerissen. Und doch ergriff ihn auch in diesem Augenblicke wieder jenes Gefühl, das schon damals aufgewacht war, als sei der eine selige Augenblick es werth, Leben und Heil und Zukunft dafür hinzuwerfen, als gelte der zerschmetternde Sturz ihm nicht, wenn er nur ein einziges Mal ein grenzenloses Glück in die Arme schließen und es sein nennen dürfe!

Aber während es so in seinem Innern wühlte und stürmte, stand er wie festgewurzelt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Hertha sah nur die kalte, unbewegte Miene, hörte nur die herben Worte, und so klang ihre Antwort in dem gleichen Tone: „Seit jener Stunde sind wir Feinde geworden! Leugnen Sie es nicht, Herr Hauptmann Rodenberg! Wir brauchen uns die Wahrheit nicht zu verhehlen. Von Allem, was Sie mir damals so maßlos entgegenschleuderten, ist nur der Haß geblieben, das hätte ich bedenken sollen, als ich Ihre Versöhnlichkeit anrief – auf die Großmuth eines erbitterten Feindes darf man nicht rechnen.“

Michael ließ den Vorwurf schweigend über sich ergehen, ohne sich mit einer Silbe dagegen zu vertheidigen; nur seine Hand krampfte sich zusammen, und auf seinem Gesicht lag wieder die Blässe, die bei ihm stets das Zeichen der äußersten Erregung war.

„Und gegen wen sollte ich denn Großmuth üben?“ fragte er endlich. „Soll ich vielleicht den Grafen im Kampfe schonen, während ich weiß, daß ich von ihm die vollste Schonungslosigkeit zu erwarten habe? Zum Märtyrer bin ich nicht geschaffen! Aber noch einmal, Gräfin Steinrück, Sie thun mir Unrecht, wenn Sie mich einer kleinlichen, niedrigen Rachsucht zeihen. Geben Sie mir die Möglichkeit eines Ausgleiches, der sich mit meiner Ehre verträgt, und ich werde ihn annehmen. Aber ich glaube nicht an diese Möglichkeit, und wie der Ausgang der Sache auch schließlich sein mag: uns würde sie zu Feinden machen, wenn wir es nicht schon wären – und vielleicht ist es am besten so!“

Er warf noch einen Blick auf den hellen Lichtkreis, auf das schöne, schleierumwobene Haupt, dann verneigte er sich und ging. –

Das Fest hatte inzwischen seinen Fortgang genommen, aber Einzelne der Gäste brachen schon auf, und unter diesen die gräflich Steinrück’sche Familie, die stets spät zu kommen und früh zu gehen pflegte. Die Damen verabschiedeten sich bereits von Frau von Reval, als Michael, der eben allein durch den Saal schritt, plötzlich aufgehalten wurde.

„Hauptmann Rodenberg – auf ein Wort!“

Der junge Qfficier wandte sich überrascht um; es war das erste Mal, daß General Steinrück ihn heute einer Anrede würdigte.

„Ich stehe zu Befehl, Excellenz!“

Der Graf gab ihm einen Wink und trat mit ihm seitwärts.

„Ich wünsche Sie zu sprechen,“ sagte er kurz. „Morgen früh um neun Uhr in meiner Wohnung!“

Michael stutzte; er wußte nicht, wie er diese Worte nehmen sollte.

„Ist das ein dienstlicher Befehl, Excellenz?“

„Sehen Sie es als solchen an. Jedenfalls lasse ich keine Verhinderung gelten, welcher Art sie auch sei, und rechne unbedingt auf Ihr Erscheinen.“

Rodenberg verneigte sich schweigend. Der General trat noch näher an ihn heran und senkte die Stimme, während er fortfuhr: „Und wenn Sie zufällig in der Lage sein sollten, einen Entschluß fassen zu müssen, so ersuche ich Sie, das bis nach unserer Unterredung aufzuschieben. Ich werde sorgen, daß das Gleiche auch von – anderer Seite geschieht.“

„Mein Entschluß ist bereits gefaßt,“ sagte Michael kalt, „aber ich werde gehorchen.“

„Gut! Auf morgen denn!“

Steinrück wandte sich ab, und der Hauptmaun sah, daß er zu der Gräfin Hertha trat, die ihm rasch entgegen kam. Sie hatte also gesprochen, sie hatte, als ihre Einmischung versagte, eine andere Autorität angerufen, die man nun allerdings nicht so ohne Weiteres zurückweisen durfte; aber der Ausdruck in Michael's Gesicht, als ihm der Zusammenhang klar wurde, verrieth, daß er nicht gesonnen sei, sich dieser Autorität zu beugen.

Der General hatte inzwischen den Arm der jungen Dame genommen und führte sie zu ihrer Mutter; sie sprach keine Frage aus, aber ihre Augen fragten um so angstvoller.

„Sei ruhig, mein Kind!“ sagte er halblaut. „Ich habe die Sache in die Hand genommen. Du brauchst Dich nicht mehr zu ängstigen. Aber bedenke, daß sie ein Geheimniß bleiben muß; ich fordere Dein unverbrüchliches Schweigen.“

Hertha athmete tief auf und zwang sich zu einem Lächeln.

„Ich danke Dir, Onkel Michael! Ich vertraue Dir unbedingt – Du wirst es nicht zu einem Unglück kommen lassen!“

(Fortsetzung folgt.)

Die Fortschritte der Luftschiffskunst.

Kaum dürfte es eine zweite Technik geben, die in demselben Maße ununterbrochen von phantasievollen Träumern heimgesucht worden ist, wie die Aëronautik. Seit der Erfindung des Luftballons durch Montgolfier im Jahre 1783 verging bis auf unsere Zeit kein Jahr, in welchem das ersehnte Problem des lenkbaren Luftschiffes nicht verschiedentliche Male auf dem Papiere gelöst wurde. Und welche Mannigfaltigkeit der Ideen und Formen ist dabei zu Tage gefördert worden! Die meisten Erfinder neuer Luftschiffe sind Laien in der Technik und suchen in mehr oder minder nebensächlichen Aeußerlichkeiten oder Details den Schlüssel zu dem Räthsel zu finden. Daher kommt es, daß ihre Luftschiffe oft die merkwürdigsten Anhängsel besitzen und mehr den Eindruck von Höllenfahrzeugen als von solchen des Himmels hervorrufen. Allerhand Fischformen vom Walfisch bis zur Flunder, Schildkröten-, Ei-, Keil-, Cylinder-, Kegel-, Linsen- und Ringformen besitzt der Ballonkörper, und sonderbare Flügel, Flossen, Ruder, Wendeflügel, Schrauben etc. sollen zu seiner Fortbewegung dienen.

Natürlich gehen diese Erfinder über die zur Bewegung ihrer Luftschiffe nöthigen Kraftmaschinen sehr leicht hinweg, indem sie schlechthin angeben, ein Dampfmotor oder Elektromotor würde zum Betriebe verwendet. Andere dagegen wollen wieder die Reaktionskraft von komprimirter Luft oder von Raketen ausnützen. Um die Luft aber zu komprimiren, braucht man wiederum eine Maschine, und mitgenommene Raketen sind, abgesehen von ihrer Gefährlichkeit, von so kurzer Wirkungsdauer, daß dem Luftschiffer wenig damit gedient wäre. Es möge mir gestattet sein, hier eines Vorschlages besonders zu gedenken, welcher einen großen Theil dieser sogenannten Erfindungen charakterisirt. Derselbe beruhte darauf, aus einer Kanone vom Ballonschiffe aus eine an einer Kette am Schiff befestigte Kugel zu schießen; diese sollte das Schiff nach sich ziehen!

Gegen dergleichen sinnlose Projekte mußten zunächst Diejenigen Front machen, welche zur weiteren Förderung der Luftschiffahrt zusammengetreten waren. Es mußte gezeigt werden, daß die Ansicht, in dieser Art das Problem des lenkbaren Luftschiffes lösen zu wollen, eine durchaus irrige war, die nur dazu beitragen konnte, das Interesse für die Aëronautik bei der gebildeten Gesellschaft zu untergraben. Zunächst in Frankreich, später in Deutschland traten denn auch Männer auf, welche mit Thatkraft die Entwickelung der wichtigen Frage in die richtigen Bahnen leiteten.

In erster Linie war es Henri Giffard, welcher im Jahre 1852 nach einer Reihe von Vorversuchen in Paris an den Bau eines spindelförmigen, durch eine Dampfmaschine beweglichen Ballons schritt. Der Versuch, welchen er mit diesem Fahrzeuge machte, glückte allerdings nicht, weil die Maschine nicht die genügende Kraft besaß, gegen den zur Zeit herrschenden Wind anzukämpfen. Immerhin war aber damit das bisher Unglaubliche, eine Dampfmaschine gefahrlos am Ballon anzubringen, mit Glück zur Durchführung gebracht worden; diese Erfahrung gestattete, mit größeren Hoffnungen in die Zukunft zu blicken. Giffard strebte danach, den Versuch mit einem größeren Ballon und stärkerer Maschine zu wiederholen. Im Jahre 1855 konnte er auch in einem solchen aufsteigen; die Konstruktion erwies sich aber als unbrauchbar; der spindelförmige Ballon stellte sich aufrecht, platzte und fiel mit beiden Insassen sehr schnell herab. Giffard besaß keine Mittel, seine Arbeiten weiter fortzuführen; zudem wurde er mißgestimmt über das geringe Entgegenkommen, das er allerseits fand. Die Weiterentwickelung des Luftschiffens blieb darauf bis zur Zeit der Belagerung von Paris auf sich beruhen. Damals gab die französische Regierung dem Marine-Ingenieur Dupuy de Lome den Auftrag, auf ihre Kosten ein solches Fahrzeug zu erbauen. Der Ballon wurde bis zur Beendigung der Belagerung nicht fertig und beim Einzuge des siegreichen deutschen Heeres mit knapper Noth in Sicherheit gebracht. Erst im Jahre 1872 konnte ein Fahrversuch von statten gehen, der aber so schlechte Resultate ergab, daß die französische Regierung keine weitere Neigung verspürte, diese theure Arbeit fortzusetzen. Dupuy de Lome hatte nämlich anstatt einer Maschine Menschenkraft verwendet.

Um dieselbe Zeit fand auch in Brünn ein Versuch mit einem von dem deutschen Ingenieur Haenlein erbauten Ballon statt, welcher in geschickter Weise eine vom Ballongase selbst gespeiste Gaskraftmaschine angewandt hatte (vergl. „Gartenlaube“, Jahrgang 1882, S. 215). Aber auch hier wie bei den um zehn Jahre späteren Versuchen von Tissandier

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_720.jpg&oldid=- (Version vom 16.12.2022)