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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

erhalt’s“ und ihren Medaillons des Großherzogs und der Großherzogin zeigen so viele dekorative und architektonische Details, daß die Feder erlahmen würde, wollte sie Alles aufzeichnen. Die den Thorbogen entsprechenden Thüren geleiten zum Innern, das uns staunen läßt über die Kunst des Baumeisters, der für 5000 Menschen ein zugleich das Gepräge der Großartigkeit und Gemüthlichkeit tragendes Riesengebäude geschaffen hat. Wappen, Guirlanden, Fahnen, Schilder, Figuren, Blumen, Grünzeug, Kränze in geschmackvollster Anordnnng erhöhen den festlichen Eindruck, und über das Ganze spannt sich eine hellblaue, sternenbesäete Decke aus Stoffzeug, die bei der Sonnenbeleuchtung des Tages wie bei der elektrischen der Nacht eine wunderbare Wirkung hervorruft.

Montag Abends wurden hier die Festgäste durch den Oberbürgermeister begrüßt, aber die erste der Feierlichkeiten fand Dienstag Vormittag in der Universität selbst statt: der Empfang der Deputationen in der Aula, dem großen Sitzungssaale der Universität, der, von dem Architekten Durm in Karlsruhe aufs Schönste renovirt, mit den Inschriften berühmter Heidelberger Professoren aus alter und neuer Zeit geziert und mit dem farbenreichen Oelbilde Keller’s, den Einzug der Pallas Athene in Heidelberg darstellend, geschmückt ist. Hier sprach der Großherzog, hier hielt der Kronprinz des Deutschen Reickes seine zündende, die Presse aller Länder durcheilende, gemüths- und gedankentiefe Festrede, hier mahnte er zur Arbeit und zur Mäßigung mitten im glänzendsten Erfolg. Hier nahm der Prorektor Becker die Ansprachen der deutschen und auswärtigen Deputationen entgegen, jede in geistvoller Weise beantwortend, hier entfaltete sich ein Bild geistiger Größe und nationaler wie universeller Bedeutung, das allen Theilnehmern unvergeßlich bleiben und in Jahrhunderten vielleicht nicht wiederkehren wird.

Festrede des Professor Kuno Fischer in der Heiliggeistkirche.

Abends nahm das Schloß – neben der Heiliggeistkirche am innigsten und längsten mit der Alma mater Ruperta verwachsen – in strahlendem Festglanz die Gäste auf. Schloßgarten, Schloßbrücke, Schloßhof, Altan, Bandhaus, Stückgarten sind mit Fahnen, Wimpeln, Wappen, Guirlanden, elektrischen Lampen, Gaskandelabern, Tausenden von bunten Jlluminationsgläsern großartig geschmückt und taghell erleuchtet. Im Bandhaus, dessen Tropfsteindecke mit buntem Holzgetäfel überzogen und dessen Kalkwände mit reichen Gobelins, Rüstungen, Waffen, Wappen etc. geziert sind, hielten der Kronprinz, der Großherzog und die Großherzogin Kour ab. Keine kleine Aufgabe, die nach Hunderten zählende Menge hervorragender Männer Revue passiren zu lassen und von Jedem etwas Interessantes zu erfahren oder ihm etwas Verbindliches zu sagen.

Endlich um zehn Uhr betreten, nach beendigter Vorstellung, die Fürstlichkeiten, mit lauten Hochrufen empfangen, die tannenholzgezimmerte über anderthalb Meter breite Verbindungsbrücke zwischen Bandhaus und Stückgarten. Die Menge drängt nach und staunt über das solide Bauwerk, das aus dem thurmhohen Hirschgraben aufragt und mit Schonung der uralten Baumriesen aus Balkenwerk errichtet ist. Die Dunkelheit des längstverlassenen Grabens trotzt dem Angriffe der elektrischen Flammen, Fackeln und Lampions, und so wird es der Phantasie nicht schwer, ihn wieder mit all den Löwen, Bären, Hirschen und anderen Thieren zu bevölkern, die einst darin gehaust haben.

Doch nun wieder zu der specifisch akademischen Feier!

Am 4. August folgt die Festrede des Professors der Philosophie, Geheimrath Dr. Kuno Fischer. Schon um acht Uhr fängt die Kirche an sich zu füllen; all die schöngeputzten Damen und Herren rechnen es sich zur Ehre an, eine Karte erhalten zu haben für diesen geistigen Weihe-Akt des ganzen Festes. Bis halb neun Uhr ist die Kirche in ihren nicht reservirten Theilen bereits bis zum letzten Stuhl gefüllt. Um dreiviertel neun Uhr setzt sich der akademische Festzug von der Aula aus unter Vorantritt eines Musikkorps in Bewegung. An der Spitze marschirt die Studentendeputation mit dem von den Heidelberger Professorendamen gestifteten Banner der Universität. Es folgen die Pedelle, der Prorektor und Senat. Diesem schließen sich die Deputirten der ausländischen und deutschen Universitäten und Akademien, der Polytechniken Deutschlands, die Heidelberger akademische Körperschaft, der Studentenausschuß an. Dabei hatte man bequemste Gelegenheit, goldene Ehrenketten, Ordensbänder und Sterne aller Form und Farben, prächtige Ornate, Roben und Barette in Hülle und Fülle kennen zu lernen und zu bewundern. Nach Aufstellung des Zuges in der Kirche erschienen die fürstlichen Herrschaften, von einem nicht endenwollenden Jubel der vor dem Gotteshause aufgepflanzten Volksmenge begrüßt. Sie nehmen Platz, akademischer Gesang ertönt, und der Festredner Kuno Fischer besteigt die mit Palmen und Lorbeer geschmückte Rednerbühne, wie unser Bild es darstellt. Man gewahrt die imponirende Figur des Redners, die hochragenden, mit Fahnen gezierten Säulen, im Hintergrunde Orchester und Sängerchor. Vor diesem Heidelbergs Professoren und Docenten. An der Säule gegenüber dem Redner prangt das Banner der Universität, von Studiosus Klaus gehalten. Unter der Kanzel erblickt man den Kronprinzen und den Großherzog mit Familie, hinter ihnen das Gefolge und im Vordergrunde die Deputirten fremder Universitäten und Akademien. Wahrlich, eine großartige Scenerie!

Athemlos lauscht die Menge der sonoren Stimme und den schwungvollen Ausführungen des berühmten Redners, der in so denkwürdiger Zeit und an so denkwürdiger Stelle die dankbare Aufgabe übernommen hat, die interessantesten Momente der 500jährigen Geschichte der Universität in ihren Beziehungen zu Stadt und Land zu schildern. Nahezu drei Stunden spricht Kuno Fischer, manchmal erhebt sich die Stimme zu Seraphklängen sanftester Begeisterung über die Schönheit Heidelbergs, dann wieder sinkt sie zu dumpfem Grabeston herab, wenn er die Nachtseiten Pfälzer Geschichte zu malen beginnt, ja man glaubt die Donner des jüngsten Gerichtes aus ihren Klängen hervorgrollen zu hören, wenn er die Gräuel verthierter Kriegerhorden und die Bilder der Zerstörung unserer Musenstadt vor den Zuhörern entrollt.

Nach Schluß der Festrede und Beendigung des Chorgesanges verweilten die Fürstlichkeiten noch ein Halbstündchen, dem und jenem Professor die Hand drückend, und unvergeßlich wird für Jeden der Augenblick sein, wo die heldenhafte Gestalt des Kronprinzen so viel Helden des Geistes wohlwollend gegenübertrat.

Wir übergehen das Festmahl im Museum, dessen Verlauf und Reden in der Tagespresse sattsam geschildert wurden, und wenden uns

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_625.jpg&oldid=- (Version vom 22.10.2022)