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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Naturen. Unter allen unseren einheimischen Raubthieren offenbart sich bei der Jagd der Wiesel am sprechendsten ein hochgespanntes Wesen, eine Hochlaunigkeit, die ebenso sehr unser Interesse als unsere Bewunderung erregen. Entdeckt sich auch in allen Räubernaturen mehr oder weniger ein heißes Temperament, so tritt dasselbe doch am entschiedensten in diesen beiden äußersten Posten unserer Kleinräuber hervor.


Hermelin einen Hasen überfallend.


Doch beobachten wir diese Thiere in den Äußerungen ihrer Liebestätigkeit; unsere Leser mögen sich dann selbst ein Bild ableiten aus den in freier Natur den kleinen Wichten abgelauschten Scene. Da ertappen wir das kleine Wiesel oder Heermännchen sogleich im Frühjahr oder Sommer bei seiner Hauptbravour, der Mäusejagd. Schon beim Zutritt zu diesem Schlachtfelde seiner Taten dringt aus den Löchern und Gängen der Nager ein durchdringendes Pfeifen und Piepen. Gleichzeitig rennen Mäuse bestürzt aus einer Höhle in die andere. Hinter her setzt das Heermännchen in gewandten Bogensprüngen. Es ist nicht viel größer als eine gemästete Feldmaus, aber dank seiner viel schlankeren Taille, ist es dem Verfolger ein Leichtes, den Flüchtlingen in die Erdröhren nachzuschlüpfen. Was nicht über dem Boden im Genicke gepackt wird, das erreicht das nadelspitze Gebiß des Räubers gewiß in den Röhren.


Kleines Wiesel, dem Geheck Beute zutragend.


Den ersten Beutestücken wird von dem nach dem Gehirne lüsternen Wiesel der Kopf zerknirscht, nachdem es den Opfern das Blut aus der zerbissenen Halsschlagader gesaugt hat. Nunmehr aber beginnt ein unbändiges Morden, das dem Unkundigen unglaublich erscheinen mag. Unser kleiner Held erhebt sich jetzt – wie sollen wir sagen? – zur Höhe begeisterter Jagdlust, zum Sport des Raubes. Immer hastiger verfolgt und drängt das Wiesel die Mäuse, diese bloß noch würgend durch tödliche Bisse in Hals und Nacken. Es überkommt das Thierchen zuletzt eine Art Raubwahnsinn, in welchem es wie toll sich nicht allein von einer Maus auf die andere wirft, sondern auch mit hohem gellenden Pfiff wahrhaft verzweifelte Sprünge in die Luft macht. Dutzende von Mäusen fängt und würgt es auf solchen Jagden in sogenannten Mäusejahren. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie ein Heermännchen wahrhaft berauscht von solcher Todesjagd am Boden hertaumelte und unsere Gegenwart gar nicht gewahrte. Sein erfolgreiches Würgen unter den Mäusen kann mit Recht eine Großthat dieses Zwergs genannt werden. Sie wiegt alle die kleinen Unbilden auf, die das unermüdliche Thierchen unter dem jungen Hausgeflügel, den Lerchen, Ammern, Wiesen- und Steinschmätzern und anderen auf dem Boden brütenden Kleinvögeln verübt.

Noch vielseitiger in seiner Raubbethätigung als das kleine Wiesel ist dessen Vetter, das große Wiesel oder Hermelin. In ihm verkörpert sich die zum Säugethier gewordene Schlange oder die Echse. Sein ungemein geschmeidiger, schlanker Körper zwängt sich durch die unscheinbarste Ritze oder Fuge, um in einem Geflügelhause sich dem Massenmorde hinzugeben. Auch seine Kletterfähigkeit erhebt es schon theilweise in der Vielseitigkeit des Raubes über das Heermännchen, obgleich unsere beiden Marder es in der Turnerkunst weit übertreffen. Hingegen läßt es seine Verwandten ebenso weit hinter sich im Sport des Schwimmens und der Jagd im Wasser. Ein treffendes Bild eben solcher Jagd giebt eine Scene, welche wir selbst mit angesehen und die aus unserem erwähnten Werke auszüglich hier Platz finden mag.

An einem Abende, als wir dem Fischfänge in einem Flüßchen der Wetterau oblagen, erschien im offenen Gewässer eifrig rudernd vom Ufer aus eine alte Wasserratte. Bald schwamm sie, halb von der Strömung getrieben, dem jenseitigen Ufer zu. Aber kaum dort am Schilfe angelangt, fuhr sie jäh mit Geräusch herum, sich eilends nach dem anderen Ufer zurückwendend. In demselben Augenblicke sprang ihr von einem Ufervorsprung ein Hermelin ins Wasser nach, durchschwamm rasch das Schilf und durcheilte mit hochgehobenem Näschen das offene Wasser, die flüchtige Ratte unter die breiten Blätter der Wasserrose verfolgend. Hier lag die Ratte unter der Oberfläche des Wassers, nur die Schnauze am Rande eines Blattes hervorstreckend. Das Wiesel war einige Meter weit über diese Stelle hinausgeschossen in dem sichtlichen Eifer, die Versteckte zu suchen. Plötzlich kehrte es um, zog einen weiten Bogen, den Windzug geschickt benutzend, der seinem witternden Näschen das Versteck der Ratte verrathen sollte. Aber kaum war ihm die Absicht gelungen, da floh auch schon die geängstete Ratte durchs Schilf, am Ufer verschwindend. Wie an einer Schnur folgte das Wiesel der Ratte vermöge seines scharfen Geruchssinnes, und nach kurzem Hin- und Herprüfen auf der Wasserfläche am Ufer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_599.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)