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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Um künstlerischer Zwecke willen nebenher noch vielfach reisend, theilte er jahraus jahrein seinen Aufenthalt zwischen Weimar, Rom und Pest, wo er seit 1876 das Amt eines Präsidenten der Musikakademie bekleidete. Allüberall wirkte er zu Nutz und Frommen der Kunst und Künstler. Neid, Mißgunst, Selbstsucht, die Schwächen und Gebrechen kleiner Geister, kannte der großmüthige Menschenfreund nicht, der von den Millionen, die ihm sein Virtuosenthum eintrug, für sich selbst nur ein bescheidenes Kapital zurücklegte, aber für künstlerische oder mildthätige Zwecke königliche Summen spendete. Seit seiner Niederlassung in Weimar kam jede öffentliche Ausübung seiner Kunst ausschließlich Anderen zu Gute. Mit seinem Unterricht, dem er auch in der allerletzten Zeit mehrere Tage der Woche widmete, machte er seinen zahlreichen Schülern ausnahmslos ein Geschenk. So oft er spielte und dirigirte – es brachte nur Anderen Gewinn. Der Wahlspruch seines Alters wie seiner Jugend blieb eben sein schönes Wort „Génie oblige.“




Eingang in das Schloß von Herrenwörth.

Aus den Schlössern König Ludwig’s II.
I. Das Inselschloß zu Herrenchiemsee.
(Schluß.)

Der übermüthigste Monarch der neueren Geschichte, Ludwig XIV. von Frankreich, war es, der jenen berühmten Prachtbau zu Versailles schuf, welcher von dem Königsschlosse zu Herrenchiemsee nicht bloß erreicht, sondern übertroffen werden sollte und in mancher Einzelnheit auch wirklich übertroffen ist. Nur die tiefe geistige Umnachtung König Ludwig’s II. läßt es erklären, wie derselbe aus der Schwärmerei für frühmittelalterliche Romantik, welche ihn in besseren Tagen die schöne Burg Neuschwanstein schaffen ließ, in die entartete Kunstperiode Ludwig’s XIV. gerathen konnte. Denn wenn auch heut zu Tage wieder vielfach Sinn für den Barockstil sich regt, der ja in der That höchst Anmuthiges zu gestalten weiß: in dem Punkte ist wohl die ganze Kunstgeschichte einig, daß in keiner Periode mit so großen Mitteln so Werthloses geschaffen ward, als in der Zeit Ludwig’s XIV. und seines Nachfolgers. Und groß waren die Mittel dieses Despoten; denn der Bau von Versailles soll eine Milliarde Franken und 15 000 Menschenleben gekostet haben. Der Baumeister J. H. Mansard, der den Prachtbau leitete, war nicht ohne Talent, aber er folgte willenlos der Geschmacksrichtung seines Königs und seiner Zeit, indem er jenen Palast herstellte, der trotz seines Umfangs nicht imponirend, trotz seiner Pracht nicht wahrhaft edel wirkt. Eitle Repräsentation ist der Grundzug des Versailler Schlosses; er drängt sich immer wieder auf, sobald man sich an einem der vielen reizenden Details erfreuen möchte.

Die Insel Herrenwörth hatte im Besitze der elsässischen Grafen Hunolstein gute Tage gehabt; der aristokratische Besitzer hatte den Wald fröhlich aufwachsen lassen, daß er fast zum Urwalde geworden wäre. Als aber das prächtige Besitzthum an eine Gesellschaft von spekulativen Holzhändlern übergegangen war, drohte dem Walde rasche Zerstörung; die öffentliche Meinuug sprach sich eifrig dagegen aus, und König Ludwig II. kaufte die Insel, um sie vor der gänzlichen Entwaldung zu retten. Er ließ sich in der Abtei einige Zimmer einrichten und hätte aus dem alten soliden Bau mit wenigen Hunderttausenden eine wahrhaft fürstliche Landresidenz herstellen können. Leider aber fiel er bald anf den Gedanken, hier eine Nachbildung von Versailles zu erbauen. Und dieser Gedanke ward auch sofort mit größtem Nachdruck ins Werk gesetzt. Wenige Jahre reichten hin, um das zu schaffen, was jetzt vor uns steht; aber viele Jahre und viele Millionen wären noch erforderlich gewesen, um es so zu vollenden, wie es der königliche Bauherr beabsichtigt hatte.

Wenn die meisten Schlösser des Barock- und Rokokostils in dürre unfruchtbare Gegenden gesetzt wurden und gerade dadurch, daß

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_586.jpg&oldid=- (Version vom 25.3.2023)