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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Hilfe einiger Ueberredungskunst, einigen baren Geldes und vor Allein dadurch, daß er meine Autorität ins Treffen geführt, einen nicht ganz leichten, aber vollständigen Sieg davongetragen.

Weißfisch verbeugte sich und fragte, ob ich sonst noch einen Auftrag für ihn habe. Ich dankte ihm für seine Bemühungen; er versicherte, daß zu danken einzig und allein ihm zukomme, und ging, nachdem er um die Erlaubniß gebeten, morgen wieder vorsprechen zu dürfen, wo er sich verstatten werde, mir betreffs der scenischen Einrichtung des „Münzer“, welchen er von unserer gemeinsamen Zeit her genau kannte, einige Vorschläge zu machen, die ihm über Nacht eingefallen seien und die ihm von zwingender Wichtigkeit zu sein schienen.

Mein freiwilliger Diener konnte sich nicht rühmen, daß ich ihm heute ein „gnädiger“ Herr gewesen war, wie er mich, sobald wir allein waren, unweigerlich nannte. Ich hatte die Warnung Adele’s und mein Versprechen, gegen den Vielgewandten auf der Hut zu fein, nicht vergessen und mich so gegen ihn kühler und gemessener gehalten, als sonst meine Art, und der Eifer des Mannes, mir gefällig und hilfreich zu sein, zu verdienen schien.

Wie lange Zeit würde ich bedurft haben, ins Werk zu setzen, wozu für ihn wenige Stunden hingereicht hatten; und welche große Sorge war mir damit vom Herzen genommen, freilich nur, um einer anderen, kaum minder großen Platz zu machen! Herr Kunze rechnete bei seiner Bewerbung um Christine fest auf meinen Beistand und hatte mit sehr unzweideutigen Worten zu verstehen gegeben, daß er seine geschäftlichen Beziehungen zu uns nach meinem Verhalten in dieser Angelegenheit regeln werde. Nun hatte Weißfisch, wie er selbst sagte, von meiner Autorität in dem Hopp’schen Lager den ausgiebigsten Gebrauch gemacht. Es war kein Zweifel, daß die Hopps wiederum, sich gegen Herrn Kunze zu entschuldigen, diesen Umstand ins Treffen führen, das heißt, mich diesem Ehrenmanne gegenüber vollständig bloßstellen und seiner Rache ausliefern würden. Und leider hatte er Handhaben genug, einem derartigen Gelüste vollste Befriedigung zu gewähren.

(Fortsetzung folgt.)


Vogelmette.

Dringt das erste Dämmerlicht
Grüßend mir ans Bette,
Hör’ ich vor den Fenstern dicht
Eine Vogelmette.

Hell vom Platz vor meinem Haus,
Wo die Sträucher ranken,
Klingt es in die Stadt hinaus
Wie ein kindlich Danken.

Leise da und dort erwacht,
Erst ein Vogelseelchen,
Und halb schlummernd noch und sacht
Stimmen sich die Kehlchen.

„Guten Morgen!“ hör’ ich’s dann,
„Fehlen denn auch keine?“
„Munter, Kinder, fangt nur an:
Noch sind wir alleine!“

Und nun setzt es silbern ein,
Keusch in jedem Klange,
Vogelfröhlich, glockenrein,
Frisch zum Morgensange.

Innig wie ein Kinderlied,
Wie ein Märchen traulich,
Daß es durch die Lüfte zieht
Wundersam erbaulich.

Wie es schwillt und wogt und rollt
Und zum Schöpfer schwebet –
Bis das erste Sonnengold
Um die Dächer webet,

Bis verschlafne Augen schwer
Aus den Fenstern gucken,
Und die ersten Tritte her
Durch die Straßen spuken.

Ferdinand Avenarius.




Fünfhundert Jahre der deutschen Hochschule Heidelberg.

Es war ein wohlwollender und kluger Herr, der Kurfürst Ruprecht I. von der Pfalz, der an die vierzig Jahre lang sein schönes Land regiert und stattlich vergrößert hatte. Macht und Ansehen seines Hauses Wittelsbach, welches die Hohenstaufen als ihnen treu ergeben über die rheinische Pfalz gesetzt, lag ihm ebenso so sehr am Herzen, wie unter seines Gleichen sich durch seine Bildung und Weisheit in Achtung zu erhalten. Darum war er auch mit dem gelehrten Kaiser Karl IV., dem Luxemburger, der in Prag zu Hausen liebte, aufs Innigste befreundet und regierte manchmal als dessen Stellvertreter das ganze deutsche Reich. Beneidete der Kurfürst seinen Oberherrn um etwas, so war dies die Universität, die derselbe im Jahre 1348 in seiner böhmischen Hauptstadt gegründet und die nach Jahrzehnte langem Bestehen zu einer herrlichen Blüthe sich entfaltet hatte. Als eine Bildungsstätte, wo das ganze geistige Leben des Reiches damals einen glänzenden Mittelpunkt gefunden, konnte sie sich den älteren hohen Schulen von Paris, Bologna, Padua und Wien wohl stolz zur Seite stellen. Oft, wenn der nun schon alt und grau gewordene Ruprecht auf seiner festen Burg auf dem Jettenbühel saß und sinnend hinabschaute ins lachende Neckarthal und auf die kleine Klosterstadt Heidelberg, beschäftigte ihn der Gedanke, daß er es seinem kaiserlichen Freunde gleichthun und hier für Westdeutschland eine Hochschule errichten sollte, die seiner kleinen Residenz dann ebenfalls ein reiches geistiges Leben und eine glänzende Zukunft sicherte, sowie ihm selbst einen schönen Friedensruhm.

Da traf es sich einmal, daß er auf Besuch beim Erzbischof von Mainz mit gelehrten Herren bekannt wurde, die der Pariser Universität angehört und ehen wegen theologischer Händel dieselbe verlassen hatten. Es befanden sich darunter Heinrich von Langenstein, der dann nach Wien ging, und Magister Marsilius von Inghen.

Mit ihnen kam er auf seine Idee zu sprechen und begeisterte zumal den Letzteren so dafür, daß dieser es übernehmen wollte, sie im Sinne des ehrgeizigen Kurfürsten zu verwirklichen. Nun drängte Ruprecht mit Feuereifer auch zur Ausführung. Er bat den Papst um Zustimmung und die nothwendige Bulle zur Gründung seiner Universität. Denn anders ging’s damals nicht. Der Papst stand ja über Kaisern und Königen und ebenso über aller Wissenschaft, die zumeist noch von Männern priesterlichen Standes gelehrt wurde und die der Kirche unbedingt dienen und ihr fördersam sein sollte.

Am 23. Oktober 1385 erließ Papst Urban II. gnädiglich die erbetene Bulle, welche die Errichtung eines „Generalstudium“, wie man damals für Universität sagte, in der Stadt Heidelberg genehmigte, „die wegen ihrer gesunden Lage und Luft,“ hieß es darin, „und wegen ihrer fruchtbaren Umgebung zu einer solchen allgemeinen Quelle der Wissenschaften vorzüglich geeignet sei.“ Die Bulle brauchte beinahe ein Jahr, ehe sie in die Hände des Kurfürsten gelangte, der jedoch inzwischen opferfreudig Alles zur würdigen Ausführung seines Planes vorbereitet hatte und in sechs Urkunden die genauen Bestimmungen über die Einrichtung der Hochschule, ihre Rechte, ihre Freiheiten und ihre Einkünfte aus ihr überwiesenen Zöllen und Pfründen erließ. Wie die Präger wurde auch die Heidelberger Universität getreu nach dem Vorbilde von Paris eingerichtet und ihr volle Selbstverwaltung und Selbstherrlichkeit ertheilt.

Die eigentliche Stiftungsurkunde war vom 1. Oktober 1386; am 18. wurde die Anstalt mit einer feierlichen Messe in der alten Heiligengeistkirche Heidelbergs eröffnet. Der erste der Pedellen trug dabei vor dem Altar das Scepter, dessen Spitze ein offenes, vierseitiges Tabernakel bildete mit dem sitzenden Christuskind innen, das von den Sinnbildern der vier Fakultäten umgeben war; die Buckel des Tabernakel zierten das pfalz-bayerische, das päpstliche, das Rektorats-Wappen und das des Bisthums Worms; am Stabe des Scepters war eine Gedenkschrift. In seinem faltenreichen Talar und mit dem Barett stand der erste der Rektoren, Marsilius von Inghen, an der Spitze der in ihre Talare gekleideten Magister und Doktores, Reginaldy von Alva, des Theologen, und Heilmann Wunnenberg’s, des Philosophen, während die Fakultät der Rechtswissenschaft und die der sieben freien Künste, auch die artistische genannt, noch keine Vertreter hatten. Schon

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_530.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)