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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Oeffentlichkeit wagten, ist in dem Artikel „Es war doch schön auf Hochschulen“, „Gartenlaube“ 1865, S. 425 ff. ergötzlich geschildert und zu lesen.

Wolff machte damals die Bemerkung: „Unser Hofmann lebt jetzt poetischer, als er schreibt.“ Trotzdem war ihm die Poesie nicht ausgegangen, denn er hatte in jener Zeit sein „Rundgemälde von Koburg“, eine größere Dichtung in vier Gesängen, begonnen, die er, als im Sommer 1840 seine akademische Laufbahn schloß, in Eisenberg vollendete und in Jena drucken ließ.

Einer Einladung folgend ging er nun nach Zerbst. Dort, im Kreise geistesfrischer Gesinnungsgenossen und in der regen Zeit, als Arnold Ruge und Ludwig Feuerbach alle Strebefreudigen um sich scharten, schrieb Hofmann eine dramatische Zeitsatire: „Die Nacht im Walfisch“, in welcher die damaligen morgenländischen Zustände benutzt waren, um die abendländischen zu geißeln. Die Arbeit schien gelungen und ein zeitgemäßes Unternehmen zu sein, denn ein angesehener Buchhändler in Leipzig bot ein Honorar dafür, welches Hofmann mit der beglückenden Hoffnung erfüllte, sofort nach Leipzig übersiedeln und sich eine freie Schriftstellerexistenz begründen zu können. Die Freunde halfen fleißig die schönsten, goldensten Luftschlösser bauen. Da kam die Hiobspost: der sächsische Censor hatte alles Wirksame aus dem Stücke gestrichen und ein preußischer, bei dem der Leipziger Buchhändler sein Glück versuchte, noch mehr darin verwüstet. Arbeit und Hoffnung waren vergeblich gewesen. Hofmann mußte sich nun wieder dem ersten Werke zuwenden, das ihn auf die Schriftstellerlaufbahn gelenkt hatte, dem Meyer’schen Konversationslexikon. Er ging nach Hildburghausen, wo er zu Anfang des Januar 1841 eintraf.

Der Uebergang vom freiesten Poetenleben zur strengsten alphabetisch gebietenden Prosa der Lexikonarbeit war ein zu schroffer; der Zwiespalt des äußeren Pflichtzwangs und der inneren Sehnsucht nach poetischem Schaffen hat oft störend auf Hofmann eingewirkt. Aber der Gedanke Meyer’s, das Volk durch Bildung zur Freiheit reif zu machen, dem er, wie mit seinem „Universum“, auch mit seinem Konversationslexikon diente, fesselte Hofmann an diese Arbeit; und als die Revolution von 1848, die sie mit allem Eifer selbst mit herbeigeführt und mit Jubel begrüßt hatten, Meyer’s größte Unternehmungen erschütterte und auch das Konversationslexikon gefährdete, hielt Hofmann nun erst recht treu bis zum Ende aus.

Einen freundlichen Ausgleich für jenen inneren Zwiespalt hatte er doch gefunden. Da Hildburghausen es war, von wo aus er aus der traurigsten Lage als Verurtheilter und Verlassener erlöst worden war, so drängte es ihn, armen Kindern daselbst und in seiner Vaterstadt eine Freude zu bereiten, und zwar durch eine Christbescherung. Er bat Meyer, einige Bogen seiner Gedichte drucken zu lassen und zu gestatten, daß der ganze Erlös dafür zu diesem Zweck verwendet werde. Dies geschah, und die außerordentliche Theilnahme, welche die Ausführung dieses Gedankens in beiden Städten fand, bestimmte Meyer und Hofmann, das gute Werk jährlich fortzusetzen und immer weiter zu verbreiten. So entstand der „Weihnachtsbaum für arme Kinder. Gaben deutscher Dichter, eingesammelt von Friedrich Hofmann. Hildburghausen, Christgeschenk des Bibliographischen Instituts. 1842 bis 1866.“

Der „Weihnachtsbaum“ hatte sich in den 25 Jahren seines Gedeihens über mehr als hundert Städte und Ortschaften Deutschlands ausgebreitet und über 100 000 arme Kinder mit Christbescherungen erfreut. Die Stadt Koburg bedachte dafür Hofmann mit ihrem Ehrenbürgerrecht.

Vierzehn Jahre hindurch arbeitete Hofmann an dem großen Konversationslexikon, welches 52 Bände umfaßt, und beendete im Jahre 1854 den schwierigen Registerband desselben. Seine Leistungen fanden auch in wissenschaftlichen Kreisen volle Anerkennung, denn am 5. Oktober 1854 beehrte ihn die philosophische Fakultät in Jena mit dem Doktordiplom.

Trotz alledem war Hofmann diese Art des geistigen Schaffens überdrüssig geworden, und er sehnte sich nach einer anderen Thätigkeit. Die Sehnsucht trieb ihn hinaus, fort, in die Ferne. Am liebsten wäre er nach Amerika gezogen – dort, in Missouri, hatte ein Freund, dem er das Nachkommen versprochen, 13 Acres Urwald auf Hofmann’s Namen eintragen lassen. Hofmann erhielt diese Nachricht während seines letzten Winters in Jena, wo ihm eben schon Tage lang das Holz ausgegangen war, ihm, dem Urwaldsbesitzer! – Zur Auswanderung fehlten leider die Mittel, aber der Reisewunsch wurde doch, wenn auch in anderer Art, erfüllt. Ein Verwandter des herzoglichen Hauses Koburg, Graf Mensdorff-Pouilly, in La Mira bei Venedig wohnend, suchte für zwei schon herangewachsene Knaben als Lehrer und Führer womöglich einen Koburger. Hofmann erhielt diese Stelle und wurde am 1. Mai 1855 in Venedig erwartet.

Der Aufenthalt in Italien und später in dem gräflichen Schlosse Einöd bei Eilly in Steiermark bildet eine der schönsten Episoden im Leben Hofmann’s. Das Dienstverhältniß zum Grafen Arthur von Mensdorff verwandelte sich bald in eine innige Freundschaft, die bis heute fortdauert.

Aber schon im Herbst 1856 rief ein Todesfall Hofmann nach Hildburghausen zurück. Joseph Meyer war am 27. Juni gestorben und sein „Universum“ verwaist. Diese Monatsschrift mit Stahlstich-Illustrationen behauptete in den dreißiger und vierziger Jahren einen bedeutenden Rang in den vorwärts strebenden Volkskreisen und war ihres Schöpfers ganze Sorge und größter Stolz. Krankheit und Arbeitsüberlast, in Folge seiner großen montanistischen Unternehmungen, hatten Meyer schon früher gezwungen, sich nach Hilfe umzusehen, und da war es Hofmann gewesen, dem allein er solche Mitarbeiterschaft anvertraut hatte. Seinem Publikum hatte er diese Hilfe beim Abdruck des ersten Artikels Hofmann’s (Bd. XII, S. 37) mit der Notiz: „Geschrieben von wackerer Freundeshand. Mr.“ angedeutet. Als nach seinem Tode Hermann Meyer Erbe der Sorgen und Arbeiten des Vaters wurde, übertrug er Hofmann die Fortsetzung dieses Ehrenwerks des Bibliographischen Instituts.

In diese Zeit fällt auch die Entstehung der „Kinderfeste“ Hofmann’s und Julius Otto’s in Dresden. Hofmann hatte im „Weihnachtsbaum“ alljährlich so viel die kleinen Herzen der Kinderwelt Ansprechendes mitgetheilt, daß er, aufgefordert, gern zu dem Versuch die Hand reichte, die bei den Männergesangvereinen so beliebt gewordenen Singwerke mit Deklamationsverbindung auch für Schulkinder möglich zu machen. Der Erfolg war ein außerordentlicher, und zwar ohne alle aufdringliche Preßreklame. Das „Schulfest“ (1857) und das „Weihnachtsfest“ (1858) hatten, noch ehe ihnen das „Pfingstfest“ und das „Vaterlandsfest“ nachfolgen konnten, schon die tausendste Aufführung erlebt; diese rasche Verbreitung geschah dadurch, daß von dem sangesfrohen Thüringen aus von Stadt zu Stadt, ja von Dorf zu Dorf jedes Stück sich selbst empfahl und keine andere Reklame bedurfte und fand, als die Dank-Inserate erfreuter Zuhörer in den Lokalblättern. –

Während Hofmann durch das „Weihnachtsfest“ und den „Weihnachtsbaum“ für neue Kinderfreuden sorgte, drückte ihn selbst das Gefühl der Vereinsamung nieder und erweckte in ihm den Wunsch, endlich sich nach der Stadt zu wenden, die ihm vor achtzehn Jahren der Drache der Censur versperrt hatte. Er siedelte im Herbst 1858 nach Leipzig über, wo er im Sommer 1861 von Ernst Keil den Antrag erhielt, als ständiger Mitarbeiter in die Redaktion der „Gartenlaube“ einzutreten.

Diesem Schritte war ein für sein Leben gleichwichtiger vorhergegangen. Hofmann hatte sich im Frühling 1860 vom Thüringerwalde die treue Gattin heimgeholt. Wurde auch dieses Glück durch den Tod des ersten Kindes, des Knaben Arthur, getrübt, so sollte es doch Beiden vergönnt sein, im hoffnungsfrohen Kreise von vier Kindern das Fest der silbernen Hochzeit zu feiern.

Wer einen Blick auf die Zeit von 1861 bis heute wirft, auf diese Jahre der größten Ereignisses die das deutsche Volk je erlebt, wird ermessen, wie dieselben einen für ein Weltblatt, wie die „Gartenlaube“ es damals schon war, ausschließlich thätigen Geist erfüllen und erheben mußten. Wie hoch Hofmann seine Aufgabe auffaßte, verräth uns ein „Geständniß“, mit dem er einen Artikel schließt, in welchem er einem im Leben verkannten und mißachteten Manne die wohlverdiente Würdigung zu retten sucht. „So oft mir“, sagt er dort (Jahrgang 1867, S. 812), „die Ehre zu Theil wird, einen Artikel für die ,Gartenlaube’ zu schreiben, greife ich mit dem Bewußtsein zur Feder, daß dies für Millionen Leser geschieht. Dieser Gedanke ist, wie kein anderer, geeignet, bei der Wahl des Stoffes wie der Form an Ernst und Gewissenhaftigkeit zu mahnen: die weite, fast unabsehbare Wirkungssphäre verpflichtet dazu. Und keinen Augenblick darf man vergessen, daß die ,Gartenlaube’ sich immer von Neuem als das zu bewähren hat, was sie schon so vielen vom Unrecht Unterdrückten und Verfolgten gewesen ist: eine Herberge der Gerechtigkeit.“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_498.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)