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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Ein Veteran der „Gartenlaube“.

Es war an einem Spätabend im Sommer des Jahres 1834, als ein junger Mann mit dem Ränzlein auf dem Rücken die Residenzstadt Koburg verließ und den Weg nach Jena einschlug. Der braunlockige Bursche mit hellen blauen Augen und offenen Gesichtszügen zählte kaum 21 Jahre und hatte schon eine kleine Vergangenheit hinter sich, obwohl er jetzt erst studiren wollte.

Die sonnige Zeit der Kinder- und Knabenjahre, wo noch das treue Mutterauge über dem Liebling wachte und der Vater von den Kriegsabenteuern, die er als Feldtrompeter in den Feldzügen 1814 und 1815 erlebt, dem lauschenden Sohne erzählte, war längst dahin. Die Theuren ruhten im Grabe; schon seit mehreren Jahren hatte der junge

Friedrich Hofmann.

Wanderer für sein Fortkommen und seine Bildung selbst sorgen müssen, und auch der heutige Gang mochte ihm Sorge bereiten, denn seine Barschaft betrug nicht mehr als neun Kreuzer. Aber die Armuth, welche den Einen verzagt macht, macht den Andern trotzig, und von der letzten Art war der junge Mann, welcher unverdrossen und wohlgemuth vorwärts in die Nacht hinein mit neun Kreuzern in der Tasche auf die Universität ging. –

Dieser junge Mann war Friedrich Hofmann, der heute auf eine thaten- und ehrenreiche Vergangenheit zurückblickt und mit dem wir am 1. Juli 1886 das Jubiläum seiner fünfundzwanzigjährigen Thätigkeit in der Redaktion der „Gartenlaube“ feiern durften. Schon zu jener Zeit, wo wir ihm auf dem Wege nach Jena begegneten, war er Dichter und Schriftsteller. Dichter aus innerem Beruf und Schriftsteller aus Noth.

Als Johann Friedrich Hofmann – er wurde am 18. April 1813 in Koburg geboren – 17 Jahre alt war, starb sein Vater, und er sah sich auf sich selbst angewiesen. Er blieb zwar auf dem Gymnasium, das er seit dem Jahre 1827 besuchte, mußte aber dabei allerlei Nebenbeschäftigungen betreiben, um sich das Nöthigste zum oft sehr kärglichen Leben zu erwerben. Er gab Privatstunden im Schönschreiben und Französischen, er war Advokatenschreiber und wirkte auch als „Präfekt“ des Sängerchores, das in den Straßen, in der Kirche und bei Begräbnissen zu singen hatte. Vor Allem aber versorgte er auch den Accessistendienst im Justizamt, um daselbst später eine Subalternstelle zu erhalten, die ihm als die Endstufe seiner sonderbaren Gymnasiastenlaufbahn erschien.

Glücklicherweise machte seine Dichternatur einen argen Strich durch diese bescheidene Lebensrechnung. Es war nämlich inzwischen die Julirevolution von 1830 mit ihren Fortsetzungen in Deutschland und Polen ausgebrochen, und der allgemeine Freiheitsdrang war auch in den jungen Dichter gefahren und hatte sich in einer Reihe von Freiheitsliedern geäußert, welche zum nicht geringen Stolze des jugendlichen Dichters in dem damaligen „Vaterlandsverein“ vorgetragen wurden. Aber der allgemeinen Begeisterung folgte die Reaktion auf der Spur. Der Bundestag setzte, wie an andern Orten, so auch in Koburg eine Immediat-Untersuchungskommission gegen demagogische Umtriebe ein, und auch der Gymnasiast Johann Friedrich Hofmann wurde vor dieses Gericht gezogen.

Die Strafe, die man über den jugendlichen Freiheitssänger verhängte, war für seine damalige Lage die härteste: er wurde von jedem Staatsdienst ausgeschlossen. Amtskopist konnte er nun nimmer werden. Jetzt mußte sein Talent ihn retten. So war es das Schicksal, das ihn vorwärts trieb.

Ein Glück war es, daß Hofmann auch fernerhin wenigstens das Gymnasium besuchen durfte. Er gab nun nach wie vor Privatstunden, sang als Chorpräsekt für die Lebendigen und die Todten, glaubte aber nunmehr, daß er die Feder zu höheren Zwecken führen könnte, als zum Abschreiben von Gerichtsakten, und setzte sich frischweg mit dem Chef des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen, Joseph Meyer, in Verbindung. Dieser hatte schon damals den Plan zu seinem großen Konversationslexikon gefaßt und beschäftigte Hofmann dafür mit Übersetzungen aus französischen Zeitungen und Broschüren. In welchem Geiste er dies that, verräth das Begleitschreiben zu seiner ersten Geldsendung: „Freuen Sie sich, lieber Hofmann, wie ich mich gefreut habe, als ich den ersten Honorarthaler in die Tasche steckte.“

So kam das Jahr 1834 und seine zu Anfang dieser Zeilen geschilderte Uebersiedelung nach Jena heran.

Schon am zweiten Abend nach seinem Abmarsch von Koburg langte Hofmann in der Musenstadt an, von den überraschten Freunden jubelnd begrüßt. In einer Universitätsstadt läßt man ein Talent, das auf sich selbst vertraut, nicht sinken. Das sollte auch Hofmann unerwartet schnell erfahren. Schon am nächsten Morgen sicherte ihm Professor O. L. B. Wolff die Mitarbeiterschaft an dem von ihm redigirten Konversationslexikon, und da auch Meyer’s Honorare den Weg nach Jena fanden, so war die Sorge für die nächste Zukunft gehoben.

Der Jenenser Student wagte sich jetzt an größere litterarische Arbeiten: er lieferte die deutsche Bearbeitung einer französischen Oper für die herzogliche Hofbühne in Koburg und ließ im Jahre 1838 sein erstes Buch, das Schauspiel „Die Schlacht bei Focksan“, drucken.

Dem öffentlichen Studententreiben blieb Hofmann anfangs fremd. Erst als die Mehrzahl seiner Koburger Altersgenossen Jena verlassen hatte, trat er, und zwar in Folge eines Duells mit Einem, der später sein Herzensfreund geworden, in die Burschenschaft. Die Nachwehen des „Frankfurter Attentats“ (3. April 1833) drückten noch schwer auf diese Verbindung, die sich öffentlich als solche nicht verrathen durfte. Und doch beherbergte damals der „Burgkeller“ (vergl. „Gartenlaube“ 1865, S. 520) einen Kreis junger Geister, welche, als ihre Zeit kam, für die Ideen der Burschenschaft gestritten und gelitten haben. Dazu gehörten: Adolf von Trützschler, ein Volksmärtyrer von 1849; Ludwig Häusser, der Geschichtschreiber; Heinrich Schmidt, der als Rechtsprofessor in Hermannstadt in der Verzweiflung über das Unglück seines Sachsenlands den Tod suchte; Oskar von Wydenbrugk, der achtundvierziger Minister von Weimar; Lorenz Stein (jetzt L. von Stein), der berühmte Nationalökonom in Wien; Heinrich Jäde, der Dichter der reizendsten Kinderbücher, den, als man ihn 1873 begrub, über tausend Kinder Weimars freiwillig zu Grabe begleiteten; Strackerjan, der Pädagog von Oldenburg, und noch mancher andere Nennenswerthe; ihnen schloß Hofmann sich an. Sie gründeten zur Neubelebung des akademischen Humors eine „Unsinnia“, und in welcher Weise sie den ersten Schritt in die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_497.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)