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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

von Ihnen erhaltenen, mich innig erfreuenden Briefes, folge ich dem Drange meines Herzens, um Ihnen es auszusprechen, wie tief ich fühle, daß ich es bin, der Ihnen Dank schuldig ist. – Dem Ihrigen haben Sie in so ergreifender, zu Herzen dringender Weise Ausdruck verliehen, so daß ich nicht anders kann, als in diesen Zeilen eigenhändig und persönlich aus tiefster Seele Ihnen meinen Dank und meine Freude zu erkennen zu geben.

Die Abende des 30. April, des 4. und 10. Mai sind mit goldenen Lettern meinem Gedächtniß eingeprägt. – Fahren Sie so fort in Ihrem so schweren, aber schönen und ehrenvollen Beruf, wie Sie herrlich begonnen haben, und seien Sie meiner aufrichtigen herzlichen Wünsche für Ihr stetes Wohlergehen versichert. – Ich sende Ihnen, lieber Herr Kainz, meine besten Grüße und bin mit freundschaftlichen Gesinnungen Ihr
wohlgewogener Ludwig. 
Berg, den 11. Mai (12. früh) 1881.“

Der erste Brief des Königs spricht in seiner eigenen einfachen Art für sich selbst. Aus dem schlichten Herzenston, den er athmet, giebt sich die volle hinreißende Liebenswürdigkeit des Königs zu erkennen, die auch später in seinem Verkehr mit dem jungen Künstler Stand hielt.

In dem zweiten Schreiben König Ludwig’s läßt derselbe einen Funken von jenem Mißtrauen aufblitzen, das er, wohl zu Folge seines einsiedlerischen Lebens, seiner Abgeschlossenheit von jedem Verkehr, in seinem Innern genährt haben mochte. Dieses Mißtrauen äußerte sich besonders stark gegen die Mitglieder des Theaters. In der Antwort auf dieses Schreiben des Königs hat sich der Schauspieler Kainz mit warmen Worten seiner Kollegen angenommen, und zwar wie sich dies in späteren Briefen ergiebt, auch mit Erfolg.

Nach dem Empfang des zweiten königlichen Schreibens wurde Josef Kainz an einem Morgen, während der Generalprobe von „Richard der Zweite“, von einem Kabinetsdiener aufgesucht, der ihn im Auftrage Seiner Majestät noch an demselben Tag nach Schloß Linderhof befahl.[1] Die Uhr war elf. Um zwölf ging der Zug von München aus nach Murnau ab, und Kainz hatte nur noch Zeit, eilig die allernothdürftigsten Reiseutensilien einzupacken und an die Bahn zu eilen. Er kam an, um den Zug abfahren zu sehen.

Ein späterer Zug nahm Kainz an demselben Abend noch auf, und er gelangte kurz vor Tagesanbruch nach dem Linderhof, wo ihn der König in der blau beleuchteten Grotte des Schlosses aufs Herzlichste empfing. Zwei volle Wochen verlebte Kainz an der Seite des Königs auf Linderhof. Dortselbst reifte bei dem König der Plan einer Reise nach Spanien aus, auf der ihn Kainz begleiten sollte. Es schien diese projektirte Reise, von welcher der König noch in späteren Briefen spricht, eine langersehnte gewesen zu sein. Nach Granada sollte es zuerst gehen, um die Alhambra zu sehen, für die sich der König besonders interessirte.

  Der zweite Brief lautet:

„Lieber Herr Kainz! Noch einmal drängt es mich einen Brief an Sie zu richten. Da ich sehr bald Berg zu verlassen gedenke, um mich in die Berge zu begeben, und jene Gegend zu besuchen, in welcher ich im vorigen Jahre jenes schöne und interessante Drama von V. Hugo gelesen habe, welches durch Sie mir verklärt ward, so daß es zu meinen theuersten Erinnerungen zählt, so will ich nicht von hier fort, ohne Ihnen meine herzlichsten Abschiedsgrüße zu senden. Acht volle Tage wurden es heute, seit ich durch Ihr hinreißendes Spiel begeistert ward, seit der zu Herzen dringende Klang Ihrer Stimme mich ergriffen hat! Und nicht will der tiefe und mächtige Eindruck aus meiner Seele schwinden! –

Herrlich ist V. Hugo’s Drama ,Hernani‘, welches dargestellt zu sehen mir unendliche Freude bereiten würde, natürlich nur dann, wenn Sie die Hauptrolle übernehmen. Ich sende Ihnen die Übersetzung des Stückes, nicht wissend, ob es Ihnen im Originale bekannt ist; was zu erfahren mich sehr interessiren würde. –

Es ist mir bekannt, wie boshaft, ränkevoll und mißgünstig die meisten Mitglieder des Künstler-Personales am Theater sind; falls Sie Feinde haben, die Ihnen zu schaden suchen, so will ich sie kennen, um Sie zu schützen und Ihnen die Bahn zu ebnen; denn Kummer und Sorgen jeglicher Art müssen Ihnen, so viel als nur irgend thunlich, erspart werden.

Sie wissen, wie sehr mich Ihre Stimme ergriff, und werden mich daher nicht mißverstehen, wenn ich Folgendes schreibe. In den ersten Acten kam es mir vor, als ob Ihr Organ mit Anstrengungen zu kämpfen gehabt und Sie sich früher wohl durch Uebereifer im Spiel innerlich geschadet hätten.

Wäre dem wirklich so, würde mich dies sehr betrüben! ich ersuche Sie mir hierüber zu schreiben. Leben Sie wohl und gedenken Sie freundlich mein, darum bitte ich Sie. Ihnen, lieber Herr Kainz, meine herzlichsten Grüße sendend, bin ich mit der Versicherung meines besonderen Wohlwollens und Vertrauens
Ihr Ihnen freundschaftlich gesinnter  
Ludwig. 

Berg, 17. Mai, Nachts. 1881.“

  Dritter Brief:

„Lieber Herr Kainz! Diese Nacht wieder hier eingetroffen, will ich mich nicht zur Ruhe begeben, ohne Ihnen zuvor recht herzlich für Ihren lieben, mich sehr erfreuenden Brief zu danken, den ich, kurz bevor ich die Halbammer verließ, erhalten habe.

Es freut mich sehr, daß Sie gern an Ihren Aufenthalt im Linderhofe zurückdenken. Auch mir erscheinen die unvergeßlich schönen, dort mit Ihnen verlebten, so rasch dahin geschwundenen Tage wie ein Traum. Recht, recht schade ist es, daß die klimatischen Verhältnisse die Reise nach Spanien gegenwärtig nicht räthlich erscheinen lassen. Eine Stunde nach Ihnen verließ auch ich am 11. den Linderhof, außer der Halbammer konnte ich wegen des heftigen Schneefalles keine meiner anderen Berghäuser besuchen. Heute erhielt ich das von Ihnen mir am Plansee empfohlene Drama von Grabbe, mit dessen Lektüre ich bald zu beginnen gedenke. Hätte ein gütiges Geschick die so schön in Gedanken ausgemalte Reise Uns früher oder wenigstens in diesen Tagen antreten lassen, so wäre dieß recht gut für Uns beide gewesen, da die Gefahr des sich Ueberwerfens (das Gottlob bis jetzt nicht eintrat) wohl durch die Reise-Eindrücke ferne gerückt worden wäre. O möge der theure Didier seinen Freund Saverny nicht vergessen, der ihm aus ganzer Seele Alles nur Erdenkliche Gute wünscht, den Kummer und Krankheit für immer fliehen sollen! –

Große Freude würde mir ein Exemplar jenes in Wien zur Zeit Ihres Gastspieles erschienenen Blattes bereiten, welches Ihr Bild und Ihre Biographie enthielt!

Ist es Ihnen angenehm noch vor den Ferien so viel durch Studiren neuer Rollen in Anspruch genommen zu werden? wo nicht, wird es am besten sein, sich an Bürkel zu wenden.

Mögen Sie hier freundlich an Ihr mir gegebenes Versprechen gemahnt werden, Ihr wundervolles Organ stets recht zu schonen! Die Vögel beginnen zu singen, es dämmert stark, ich muß nun schließen, mein Bedauern über die schlechte Schrift aussprechend, denn ich hatte schauderhafte Federn. Indem ich Ihnen, lieber Herr Kainz, tausend herzliche Grüße sende, reiche ich Ihnen in Gedanken die brüderliche Hand und bin Ihr Sie bewundernder, Sie sehr hoch schätzender, freundschaftlich gesinnter
Ludwig. 
Berg, den 16. Juni 1881 (Morgens).“

Das Organ des Künstlers Kainz wird in den Briefen so häufig betont, daß dieser Umstand einige Erklärung verdient. Wie es scheint, übte die eigenartige Stimme des Schauspielers von der Bühne herab einen besonderen Zauber auf den König aus. Als nun Kainz, in Schloß Linderhof angelangt, vor dem Könige stand und in minder kräftigem Ton, als dies die Bühne forderte, mit ihm sprach – zog es wie leichte Enttäuschung über des Königs Antlitz. Erst nach längerem Beisammensein äußerte er sich offenherzig darüber. „Sie sprechen so leise“, beklagte er sich, und dann verfiel er auf den Gedanken, während ihres Besuches in dem maurischen Kiosk den Springbrunnen plätschern zu lassen, um so den jungen Freund zu lauterem Sprechen zu veranlassen. So sehr entzückte ihn alsdann die Stimme, daß er sich mit geschlossenen Augen weit von ihm ab aufstellte, um so dem Klänge derselben zu lauschen. In dem innigen Verkehr, in dem sie zu einander standen, fiel es Keinem von ihnen ein, die Eigenthümlichkeiten, die wohl bei Jedem von ihnen bemerkenswerth sein mochten, rühmend oder tadelnd zu beleuchten. So bemerkte es der Künstler zur Zeit nicht, wie sehr sein Organ Gegenstand der Studie wurde, wie sehr der König bestrebt war, sich unter allen Umständen mit dem erhöhten Stimmklang zu umgeben. So war

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_476.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2022)
  1. Vergl. die Biographie von J. Kainz auf S. 183 dieses Jahrgangs.