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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

das Feld- oder Kampfgeschrei der Affen, welches ich hörte: sie bezweckten damit offenbar, uns und die Hunde zu schrecken, vielleicht auch den thatlustigen alten Recken, welcher sich vor ihren Augen so ersichtlich in Gefahr begab, zu ermuthigen.

Einige Tage später sollte ich erfahren, daß die selbstbewußten Thiere es auch mit Menschen aufnehmen. Beim Zurückkehren aus dem Bogoslande stießen wir wiederum auf eine, vielleicht dieselbe, starke Herde und eröffneten vom Thale aus gegen sie mit sieben Doppelbüchsen ein wirksames Feuer. Unsere Schüsse brachten unbeschreibliche Wirkung hervor. Dasselbe Schlachtgeschrei, wie ich es früher gehört, schallte uns entgegen, und wie auf Befehl eines Feldherrn bereiteten sich Alle zum Streite. Während die kreischenden Weibchen mit den Jungen eiligst flüchteten und, über den Kamm der Felsen laufend, dem Bereiche unserer Waffen sich entzogen, traten die alten Männchen, wuthfunkelnden Blickes, mit den Händen gegen den Boden schlagend, eher bellend als brüllend, auf vorspringende Steine und Felszacken, überschauten einige Augenblicke lang, fortwährend brummend, knurrend, schreiend und sonstige Laute ausstoßend, die Tiefe und begannen hierauf mit solchem Eifer und Geschick Steine auf uns herabzurollen, daß wir das Lebensgefährliche unserer Stellung sofort einsahen und flüchten mußten. Wäre es uns unmöglich gewesen, an den jenseitigen Wänden des engen Thales empor zu klettern und so uns gegen die Geschosse der Affen zu sichern, wir wären regelrecht geschlagen worden, Die klugen Thiere verfuhren bei ihrer Abwehr nicht allein planmäßig, sondern handelten auch in Uebereinstimmung, gemeinschaftlich nach einem Ziele strebend und gemeinsam zur Erreichung desselben ihre Kräfte einsetzend. Ein Mitglied unserer Gesellschaft sah, wie einer der Kämpen seinen Stein auf einen Baum schleppte, um ihn von hier aus desto wirksamer in die Tiefe zu schleudern; ich selbst nahm wahr, wie ihrer zwei einen schweren Stein ins Rollen brachten.

Wie genau die Hundsaffen Ursache und Wirkung erkennen und unterscheiden, kann Jeder wahrnehmen, welcher sie vorurtheilsfrei beobachtet. Sie öffnen Thüren und Fenster, Schubladen, Kisten und Schachteln, lösen Knoten und beseitigen andere Hindernisse, nachdem sie einmal gesehen haben, wie solches bewerkstelligt werden muß; aber sie erfinden auch Mittel, um Aehnliches zu erreichen. Ein Babuin, welchen ich pflegte und in die Familie aufnahm, bemächtigte sich einer jungen Katze, in der Absicht, sie als Hätschelkind zu warten und zu bemuttern, wurde von dem erschreckten Pfleglinge gekratzt, untersuchte aufmerksam die Tatzen drückte die Nägel hervor, besah sie von oben und unten wie von der Seite und biß sie ab, um fernerhin vor Verletzungen gesichert zu sein. Derselbe Pavian wurde von meinem Bruder oder mir wiederholt dadurch erschreckt, daß wir vor ihm ein Häufchen Pulver auf den Boden schütteten und dasselbe mittelst eines Stückchen brennenden Schwamms entzündeten. Das plötzliche Aufblitzen des Pulvers verursachte unserem Babuin einen solchen Schreck, daß er jedesmal laut aufschrie und mit so weitem Satze zurücksprang, als der ihn fesselnde Strick zuließ. Einigemale nach einander so erschreckt, steuerte er erneuerten Belästigungen einfach dadurch, daß er den glimmenden Feuerschwamm so lange mit der Hand klopfte, bis der Funke erstickt war, und das Pulver selbst auffraß. Andererseits beschwor er selbst Schreck und Entsetzen herauf. Wie alle Affen, ohne jegliche Ausnahme, fürchtete er Kriechthiere, vor allen anderen Schlangen, in maßloser, für uns ergötzlicher Weise. Wir foppten ihn deßhalb oft, indem wir eine lebende, todte oder ausgestopfte Schlange in eine breite Blechschachtel steckten und diese ihm verschlossen reichten. Er kannte zuletzt Schachtel und Inhalt genau, war aber unfähig, seine Neugier zu bemeistern, und öffnete jene jedesmal, um unmittelbar darauf kreischend zu flüchten.

Nicht zufrieden, wirklich vorhandene Ursachen zu erkennen, suchte dieser Affe in Fällen, welche ihm Unannehmlichkeiten zuzogen, nach vermeintlichen.

Irgend Etwas, irgend Jemand mußte an erlittenem Ungemach die Schuld tragen. Dementsprechend wandte sich sein voller Ingrimm auf den ersten Besten, welcher ihm in Sicht kam. Wurde er bestraft, so richtete sich sein Zorn nicht gegen seine Pfleger und Gebieter, sondern einzig und allein gegen denjenigen, welcher bei der Bestrafung zugegen war: dieser mußte die Ursache der schnöden Behandlung sein, welche der sonst so gute Herr ihm angedeihen ließ. Er verdächtigte also genau ebenso, wie unkluge Menschen in ähnlichen Fällen zu thun pflegen.

Aeußerst empfindlich gegen jede ihm angethane oder auch nur zugedachte Unbill, nicht minder gegen jede Neckerei oder Fopperei, konnte gedachter Babuin doch nie unterlassen, andere Thiere zu necken, zu ärgern und selbst zu mißhandeln. Unser alter grämlicher Dachshund hielt, behaglich in der Sonne liegend, seinen Mittagsschlaf. Der Babuin sah dies, schlich sich vorsichtig heran, blickte mit tückischem Blinzeln der kleinen Augen dem Hunde ins Gesicht, um sich zu überzeugen, ob er auch wirklich schlafe, packte jählings den Schwanz des Schläfers und brachte ihn durch einen kräftigen Ruck aus der Traumwelt in die Wirklichkeit zurück. Ingrimmig versuchte der Hund die erlittene Schmach zu rächen, indem er auf den Störenfried losfuhr. Dieser aber entging mit einem einzigen Satze über den anstürmenden Hund hinweg der drohenden Strafe, hatte im nächsten Augenblicke den Schwanz des Hundes wieder gepackt, den Däckel von neuem beleidigt und weidete sich ersichtlich an der Ohnmacht des grämlichen Gegners, bis dieser mit gesichertem, das heißt eingezogenem Schwanze, rasend vor Zorn und Aufregung, unfähig selbst zu bellen, keuchend und geifernd, das Weite suchte und dem bösen Feinde das Feld überließ. Wäre der Pavian im Stande gewesen zu lachen: die Aehnlichkeit zwischen seinem und eines boshaften Menschen Thun würde vollständiger Uebereinstimmung gewichen sein. Mit allgemein verständlichem Spott und Hohn wurde der Besiegte ohnehin überschüttet. Er dagegen nahm jede Neckerei gewaltig übel, konnte, schon durch das Gelächter eines Unbefugten in Zorn und Wuth versetzt werden, und versäumte gewiß nicht, bei erster Gelegenheit, ob solche erst nach Verlauf von Wochen gefunden werden mochte, sich zu rächen. Aber freilich: er war Affe und fühlte sich als solcher, betrachtete den Hund als so untergeordnetes Wesen, daß seine Anmaßung ebenso verzeihlich, wie die jedes anderen Wesens, sobald es sich um ihn selbst handelte, verwerflich und strafbar erschien.

Von diesem Selbstgefühl, oder richtiger dieser Selbstüberhebung, geben die Hundsaffen jedem achtsamen Beobachter tagtäglich Beweise. Gedachter Babuin liebte, wie alle Affen, Pflege- oder Hätschelkinder ungemein, insbesondere aber eine Meerkatze, welche denselben Käfig mit ihm theilte, ihm auch außerhalb desselben anvertraut werden durfte, weil sie stets an seiner Seite, förmlich in seinem Banne war, in seinen Armen schlief und ihm sklavisch gehorchte. Er verlangte solchen Gehorsam und betrachtete ihn als etwas ganz Selbstverständliches; unbedingte Unterwürfigkeit aber forderte er, wenn es sich um die Mahlzeit handelte. Während die gutmüthige und gehorsame Meerkatze widerstandslos geschehen ließ, daß seine Pflegemutter – denn unser Babuin war weiblichen Geschlechts – jeden guten Bissen vorweg nahm, gönnte ihr letztere nur das Allernothwendigste und brach, wenn es dem Pflegekinde doch gelungen war, etwas bei Seite, beziehentlich in die Backentaschen zu bringen, letztere einfach auf, um den Inhalt wieder zu leeren und für sich zu verwenden.

So groß die Anmaßung, so ungemessen die Selbstüberhebung der Hundsaffen sein mag, so gut oder so genau sind sie sich bewußt, Unrecht gethan, eine strafwürdige Handlung verübt zu haben. Hierfür bringt Schomburgk einen äußerst lehrreichen Beleg bei. In der thierkundlichen Abtheilung des Pflanzengartens zu Adelaide lebte in einem Käfig mit zwei jüngeren Artgenossen, diese selbstverständlich beherrschend und beknechtend, ein alter Hutaffe. Durch irgend welchen Zufall gereizt, überfällt derselbe eines Tages plötzlich seinen Wärter und bringt ihm, eine Schlagader des Handgelenks durchbeißend, eine gefährliche Verwundung bei. Schomburgk verurtheilt ihn deßhalb zum Tode und beauftragt einen andern Wärter, das Urtheil mittels Pulver und Blei zu vollstrecken. Die Affen sind an Feuerwaffen, welche vielfach gebraucht werden, um dem Garten schädliche Thiere zu tödten, vollkommen gewöhnt, kennen zwar deren Wirkung, beunruhigen sich aber nicht im Geringsten, wenn sie in ihrer unmittelbaren Nähe gebraucht werden. Auch jetzt, am nächsten Tage nach der Unthat des alten Tyrannen, bleiben die beiden jungen Affen beim Erscheinen des mit der Hinrichtung ihres Genossen betrauten Wärters ruhig am Futtertroge sitzen, der verurtheilte Verbrecher flieht in größter Eile in seinen Schlafkäfig und läßt sich durch keinerlei Lockung bewegen, denselben zu verlassen. Man versucht ihn durch vorgesetztes Futter zu ködern: er sieht, was er vorher nie gethan, seine beiden unterjochten Genossen die leckere Kost verzehren und wagt nicht, am Mahle theilzunehmen. Erst als der verderbendrohende Wärter sich entfernt, schleicht er verstohlen hinzu, nimmt

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